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Ausgabe:

1964

Spalte:

45

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Wallace, Ronald S.

Titel/Untertitel:

Calvin's doctrine of the Christian life 1964

Rezensent:

Weber, Otto

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Seite 1

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45

Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 1

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Gils, P.-M.: Textes inedits de S. Thomas: Les premieres redactions
du Scriptum super Tertio Sententiarum (RSPhTh 46, 1962 S. 445
—462; 609—626).

Haendler, Gert: Reichskirche und Klosterrcform vom 9. bis 11.

Jahrhundert ausgewählt. Berlin: Evang. Verlagsanstalt [1963]. 112 S.

kl. 8° = Quellen, Ausgewählte Texte a. d. Geschichte d. christl.

Kirche, hrsg. v. H. Ristow, u. W. Schulz, H. 17. DM 3.50.
Kate, R. ten: De Lijdensgeschiedenis door een zekere Anseimus

NedThT 17, 1963 S. 212—220).
Ratzing er, Joseph: Eine deutsche Ausgabe der Franziskuslegendc

Bonaventuras (Wissenschaft u. Weisheit 26, 1963 S. 87-93).
S c h m e i n g, Clemens: Die zwölf Stufen des Hochmuts nach dem

hl. Bernhard von Clairveaux (Erbe u. Auftrag 39, 1963 S. 300-307).
S emmier, Josef: Die Beschlüsse des Aachener Konzils im Jahre 816

(ZKG LXXIV, 1963 S. 15-82).

KIRCHENGESCHICHTE: REFORMATIONSZEIT

Wallace, Ronald S.: Calvin's Doctrine of the Christian Life-
Grand Rapids/Michigan: Eerdmans Publishing Comp. [1959]. XVI,
349 S. 8°. Lw. $ 5.-.

Die vorliegende Arbeit beruht, im Unterschied zu leider
recht vielen anderen, nicht nur auf der Institutio, sondern auch,
unter sehr ausgiebiger Zitierung, auf den Kommentaren und
Predigten (ein Blick auf die Briefe wäre förderlich gewesen). Sie
ist in Edinburgh entstanden und zeigt, was man von dort her
gewohnt ist: 6olide Unterbauung, Beherrschung der Quellen,
sorgfältige Analyse, theologische Klarheit. Über die Arbeit von
Lobstein, aber auch über das umfang- und inhaltsreiche Buch
von Wilhelm Kolfhaus führt sie hinaus. Sie ist mit bestem
Grunde als — philosophische — Dissertation angenommen
worden.

Zu erwägen ist jedoch, daß der Verfasser zwar das an
Calvin entfaltet, was man als „kirchliche Individualethik" bezeichnen
könnte, jedoch die Welt nur wenig im Blick hat. Der
Staat, die Gesellschaft, auch die Umwelt Calvins und unsere
heutige Welt kommen, trotz gelegentlicher Ansätze (123 ff.),
kaum in Sicht. So erweist sich gewiß alles, was der Verfasser
den von ihm herangezogenen Quellen entnimmt, als zutreffend.
Nur hätte er den Quellen mehr entnehmen können. Die Wirkungen
der Ethik Calvins weisen auf eine Vielfalt von Ansätzen
zurück. Gewiß ist Calvins Ethik „Individualethik", gewiß
ist die Glaubensethik, gewiß ist alles „christliche Leben" bei
Calvin in das Leben der Kirche gleichsam eingebettet. Aber
Calvin hat, gerade mit seiner Ethik, auch die Welt verändert
— man denke an die Hugenotten, die Puritaner, an die Frühzeit
der „Neuen Welt". Das bleibt in dieser Arbeit ohne die Beachtung
, die es verdient. Jos. Bohatec hat hier schon weiter gesehen
, und selbst über ihn kann man noch hinausblicken. Die
eigenartige Wendung, die sich in Calvins spätesten Kommentaren
andeutet (völlig andere, nunmehr überwiegend negative
Beurteilung des Römischen Reiches und positivere Zuwendung
zu den „monarchomachischen" Ideen) hätte in das vorliegende
Buch wohl hineingehört. Aber die Sicht ist durch die — mit
gutem Recht hervorgehobene — Kirchlichkeit Calvins zu sehr
eingefangen, die obendrein Calvin fast als Sakramentalisten erscheinen
läßt, der eT doch nur unter gleichzeitigem Achtgeben
auf die „Welt" gewesen ist.

Ein gutes, solides, aber — gemessen am Gegenstande — zu
eng gefaßtes Buch!

Göttingen Otto Weber

Forstman, H. Jackson: Word and Spirit. Calvin's Doctrine of
Biblical Authority. Stanford Calif.: Stanford University Press 1962.
VIII, 178 S. 8°. Lw. $ 4,75.

Der Verf. dieses Buches ist nicht nur an der historischen
Frage nach C.s Auffassung von der Autorität der Hl. Schrift
interessiert, sondern er fragt kritisch nach der sachgemäßen
Lösung des Autoritätsproblems überhaupt, wozu ihm der durch
eine äußerst sorgfältige Analyse der Aussagen C.s zutage geförderte
Befund erhellende Gesichtspunkte liefert, so daß er im
Schlußteil des Buches zu einer treffsicheren Auseinandersetzung
mit den Positionen der amerikanischen Fundamentalisten, K.
Barths und R. Bultmanns in dieser Sache gerüstet ist. Daß der

Verf. zur Gewinnung der Kriterien für eine sachgemäße Begründung
der Schriftautorität gerade die Konzeption C.s analysiert
, hat seinen Grund und sein Recht darin, daß für C. die
Autorität der Bibel zentral ist und daß hier also von vornherein
aus einer kritischen Befragung lohnende Einsichten zu
erwarten stehen.

Im 1. Teil des Buches wird C.s Lehre von der Schriftautorität
untersucht. Die sich für C. aufgrund seiner Einsicht
in die radikale Diskontinuität von Gott und Mensch stellende
Frage, wie es bei dem sündigen Menschen zu gültiger Erkenntnis
Gottes kommen könne, wird von ihm so beantwortet, daß
autoritative Erkenntnis nur möglich sei, indem Gott die Initiative
ergreife und sich selber mitteile in Anpassung an unser
Fassungsvermögen. Dabei wird die doppelte Fragestellung, die
sich aus der Tatsache der göttlichen Selbstmitteilung ergibt —
die Frage nach der Möglichkeit des Empfangens von Offenbarung
zur Aufzeichnung ihres Inhalts und die nach der Möglichkeit
des Empfangens der Offenbarung aufgrund der Aufzeichnung
— von C. in gleicher Weise beantwortet durch den
Hinweis auf die Wirksamkeit des Hl. Geistes: der Geist läßt
Menschen Gottes Offenbarung in der Bibel bezeugen und
überzeugt Menschen von der Bibel als Gottes Offenbarung.
So ergibt sich für C. als Grundaussage seiner Konzeption von
der Autorität für den christlichen Glauben: die Wechselbeziehung
von Wort und Geist. — Sagt der Verf.
hierin noch nichts eigentlich Neues — man hätte im Gegenteil
eine Auseinandersetzung mit der neueren deutschen und hol-
ländisdien Forschung gewünscht, die zu dieser Sache ja doch
einiges Beachtliche beigetragen hat —, so wird in dem „Die
implizite Unterscheidung in C.s Gebrauch seines Autoritätsprinzips
" überschriebenen Kapitel die für die ganze Untersuchung
entscheidende Entdeckung vorgetragen, daß sich bei C.
innerhalb der Korrelation von Wort und Geist durchgängig
ein doppeltes Verständnis von Erkenntnis nachweisen lasse:
im einen Fall handelt es sich um die Erkenntnis des Glaubens,
im anderen um eine „allgemeinere" Erkenntnis (wider know-
ledge). Ist die Erkenntnis des Glaubens auf das in der Schrift
enthaltene Evangelium von dem Erbarmen Gottes in Jesus
Christus bezogen, so ist die allgemeinere Erkenntnis auf alle
Inhalte der Schrift, auf die Schrift in ihrer Ganzheit bezogen.
Aber diese Doppelheit im Verständnis der Erkenntnis ist nicht
nur für den einen Pol der Korrelation — für das Wort — von
Bedeutung, insofern das eine Mal das Evangelium, das andere
Mal der ganze Schriftinhalt den Bezugspunkt des Erkennens
ausmacht (was zugleich einen jeweils ganz verschiedenen Gebrauch
der Bibel inkludiert), sondern auch für den anderen
Pol der Korrelation — den Geist —, insofern sein Wirken das
eine Mal das Vertrauen auf die im Evangelium verheißene
Gnade Gottes, das andere Mal die Überzeugung von der
Glaubwürdigkeit Gottes in allem und also von der Zuverlässigkeit
der ganzen Schrift in allen ihren Aussagen zum Ergebnis
hat. Wiewohl diese Dualität der Erkenntnislehre mit
ihren Implikationen für die Lehre von der Schrift und für die
Pneumatologie durchgängig bei C. nachweisbar ist, ist sich der
Verf. klar darüber, daß das seine Interpretation ist, nicht aber
eine von C. bewußt durchgeführte und systematisch durchgehaltene
Di6tinktion. In Teil II und III des Buches wird nun
sehr differenziert untersucht, wie sich diese festgestellte Unterscheidung
auf die beiden Pole der für C.s Lösung des Autoritätsproblems
grundlegenden Korrelation — Wort und Geist —
und die zwischen ihnen stattfindende oszillierende Bewegung
auswirkt.

Zuerst wird im 2. Teil des Buches da6 Wirken des
Hl. Geistes untersucht, und zwar in seiner Richtung auf die
Schreiber der Bibel und in seiner Richtung auf die Glaubenden.
Was das erstere anbetrifft, so hält der Verf. es für unbestreitbar
, daß C. eine Diktattheorie festgehalten hat (auch hier wird
nur auf die ältere Literatur rekurriert). Auf dem Fundamcntal-
satz, daß die ganze Hl. Schrift das Werk des HI. Geistes sei,
beruhe C.s Überzeugung von der Einheit der Schrift, aus der
das Prinzip der Selbstauslegung der Schrift und die Praxis
harmonisierender Exegese notwendig folge. Daß C. trotzdem