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Ausgabe:

1964

Spalte:

655-658

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Otzen, Benedikt

Titel/Untertitel:

Studien über Deuterosacharja 1964

Rezensent:

Bič, Miloš

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Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 9

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ALTES TESTAMENT

O t z e n, Benedikt: Studien über Deuterosacharji. Kopenhagen: Munks-
gaard 1964. 303 S. gr. 8" = Acta Theologica Danica, ed. T. Christensen
, E. Nielsen, J. Munck, R. Prenter. Vol. VI. Lw. D. kr. 60.—.

Das vorliegende Buch, das eine der Theologischen Fakultät
zu Aarhus, Dänemark, vorgelegte Dissertationsarbeit enthält,
soll kein Kommentar zu Deuterosacharja sein, sondern es will
„die Probleme der Schrift unter ganz bestimmten Gesichtspunkten
behandeln" (S. 231). Durch eine solche Einschränkung
gewann der Verfasser eine gute Gelegenheit, in seiner Forschung
vor allem den Fragen nach der historischen Bestimmung und
Einreihung der einzelnen Perikopen nachzugehen. Es gebührt
ihm unser Dank, eine solche Fülle von Material gesammelt zu
haben, wie sie kaum ein Kommentar bietet. Obwohl sein Hauptinteresse
der Herausarbeitung der jeweiligen historischen Lage,
in die uns die einzelnen Teile des prophetischen Buches versetzen
, galt, war sich der Verfasser wohl dessen bewußt, „daß
das Zentrale in der Verkündigung des Propheten einzig und
allein ist: das Verhältnis zwischen Jahwe und seinem Volk
Israel" (35). Aber „insofern als Jahwe für den Israeliten und
besonders für den Propheten der Gott der Geschichte ist, und
Jahwes Handeln mit seinem Volk nur in den historischen Ereignissen
erfahren werden kann, läßt sich die Verkündigung des
Propheten nicht losgelöst von der historischen Situation verstehen
, in der sie ausgesprochen ist" (36). Diese These wird
durch einen Hinweis auf v. R a d gestützt: „Dieses Korrespondenzverhältnis
der Propheten zur Weltgeschichte ist geradezu
der Schlüssel zu ihrem rechten Verständnis" (Theologie des AT,
2, 1960, 126). Als Vertreter der skandinavischen Forschung
präzisiert Otzen diese Erkenntnis. Die Propheten waren weder
Historiker noch Reporter, und selbst die historischen Anspielungen
in ihrer Botschaft standen in engster Beziehung zum gottesdienstlichen
Geschehen, zum Kult. Darin schließt er 6ich u. a.
Riesenfeld an: "When studying the Old Testament we
must never overlook the fact that historical events are reflected
in the cult just as the cult leaves its mark upon the recording
of history in the books of the Bible" (Resurrection in Ezekiel
XXXVII, 1948, 14). Er geht also von der richtigen Erkenntnis
aus, „daß das primäre Interesse des Propheten niemals in der
Schilderung des historischen Ereignisses selbst gelegen
hat, sondern gerade nur in seiner Deutung" (36).

Die Arbeit besteht aus vier Teilen. Im ersten wird die
Forschung über Deuterosacharja von ca. 1620 an behandelt, und
zwar 1. die englische Phase (ca. 1620—1785), 2. die deutsche
Phase (1784-1880), 3. von Stade (1881) bis in unsere Tage.
Es wird da ein überreichliches Material geboten, das jeder Forscher
freudig begrüßen wird. Die Übersicht ist so umfassend
und dabei so systematisch gegliedert, daß nichts weiteres zu
wünschen übrig bleibt.

Dann sollte als Voraussetzung für beide weiteren Teile
der vierte folgen: Textkritisch-exegetische Anmerkungen zu
Sach 9—14. Der ist jedoch mehr als Anhang dem Werk hinzugefügt
worden. Der Verfasser weist darauf hin, daß auf diesem
Gebiet eine hervorragende Leistung in der Leidener Dissertationsarbeit
des Holländers T. J a n s m a : Inquiry into the
Hebrew Text and the Ancient Versions of Zechariah IX—XIV
(in: Oudtestamentische Studien VII, 1950, 1—142) bereits vorliegt
. In bezug auf die Kollation der Handschriften, die Zusammenstellung
aller Abweichungen und ihre Würdigung im Vergleich
mit dem masoretischen Text hat Jansma gewiß eine ausgezeichnete
textkritische Arbeit geliefert. Das Anliegen
O t z e n s war aber nicht, nur Textkritik zu treiben. Wohl richtig
betonte er: „Es ist eine Frage, ob man bei den Stellen, wo
man Schwierigkeiten mit dem hebräischen Text hat, mit dieser
Methode zu einem zufriedenstellenden Ergebnis kommt, ob man
nicht in solchen Fällen Exegese und Textkritik Hand in Hand
gehen lassen muß" (232). Seine, den textkritischen Anmerkungen
hinzugefügten exegetischen Erwägungen bilden demnach
zum großen Teil die Voraussetzungen der Ausführungen im
zweiten Teil der vorliegenden Arbeit.

Dem zweiten Teil, dem historischen Hintergrund Deutero-

sacharjas, widmete der Verfasser den weit größten Teil seiner
Bemühungen (35—212). In drei Unterabschnitten — Assur und
Ägypten, Juda und Ephraim, Juda und Jerusalem — bespricht er
die mannigfachen Probleme, vor die uns der Text stellt, von
denen einzelne so gut wie unlösbar bleiben. Mit einer ausgezeichneten
Kenntnis der Literatur, weit hinaus über die durch
das Thema gebotenen Grenzen, verweist Otzen auf die verschiedenen
, oft diametral gegenüberliegenden Auffassungen einzelner
Gelehrter. Diese weichen in der zeitlichen Ansetzung
der deuterosacharianischen Perikopen untereinander um mehr
als ein halbes Jahrtausend ab, indem sie von der assyrischen
Epoche bis in die hellenistische hinein Grundlagen für die prophetische
Verkündigung suchen. Otzen setzt sich mit allen
Lösungen auseinander, objektiv ihre Vorteile zugebend, aber
gleichzeitig auch ihre Schwächen scharfsinnig enthüllend. Es ist
ausgeschlossen, seinen Ausführungen hier näher nachzugehen.
Trotz allem konnte aber auch er nicht anders, als durch Vermutungen
seine Thesen zu stützen, da das zur Verfügung stehende
historische Material zu lückenhaft und teilweise unzuverlässig
ist.

Von der Voraussetzung ausgehend, daß das Assyrerreich
in den letzten zwei Jahrzehnten seines Bestehens nicht mehr in
der Lage war, seine Randprovinzen zu verteidigen, darf man
schließen, daß Ägypten leicht Teile von Palästina (mit Ausnahme
von Judäa) und Syrien an sich reißen konnte, so daß es in den
prophetischen Worten gleich neben Assyrien als d e r Feind genannt
wird. Die Söhne Joniens wären dann Söldner im ägyptischen
Heer gewesen, wie sie durch außerbiblische Dokumente
bereits für die Zeit Psammetich I. als solche bezeugt sind. Dabei
kommen wir knapp an. die Zeit des judäischen Königs Josia
heran, und dessen Pläne, das ehemalige Großreich Davids wieder
herzustellen. Diese Pläne scheiterten durch den Tod Josias
in der Schlacht von Megiddo 609, aber fanden nach Otzen ihren
Widerhall in Sach 9—10.

Da scheinen uns die vorgelegten Ausführungen doch nicht
überzeugend zu sein. Der Verfasser geht aber von da aus zur
Vermutung über, daß uns in Sach 9, 1—8 eine Liste assyrischer
Provinzen vorliege, und kommt durch kühne Konjekturen und
Deutungen 60gar auf die Zwölfzahl (116). Wir stimmen ihm
gern zu, daß durch die Angaben des Textes ungefähr das Ausmaß
des Großreiches Davids angegeben wird. Aber im weiteren
können wir nicht nur eine Aufzählung von Provinzen sehen,
wobei 'adam (9, 1) in 'aram zu ändern und das so gewonnene
'ejn 'aram als die Provinz Mansuate aufzufassen wäre.
Selbst eine so selbstbewußte Bemerkung, wie die Ginsbergs:
(diese Konjektur) "will surprise no one who is not totally
ignorant of both biblical science and Hebreo-Aramaic paleo-
graphy" (236), die allerdings in Verbindung mit 2. Kg 16,6
gemacht wurde, kann die vorgenommene Textveränderung nicht
rechtfertigen. Wenn die alten Schriftgelehrten jenes 'adam
nicht durch ein 'aram ersetzt haben, bedeutet es, daß 6ie darin
eben keinen Provinznamen sahen. Noch gewagter ist es, in
kol sibte jisra'el (= alle Stämmme Israels, 9,1) die
vier Provinzen — Megiddo, Gilead, Dor und Samaria —, in die
die Assyrer Nordisrael verteilten, sehen zu wollen. Auch wäre
es verwunderlich, daß die biblischen Schreiber eine Zwölfzahl
auf die Weise verloren hätten, daß sie statt vier Punkte nur
einen anführten. Ebenfalls gilt es, sachlich die Perikope gründlicher
nachzuprüfen. Deutlich werden drei Kreise unterschieden:
die Aramäer, Phönizier und Philister. Es ist dabei keine Rede
von einer Feindschaft, ja, es überrascht, daß für den Erz- und
Urfeind, die Philister — genauer für ihren Rest — Hoffnung besteht
. Näher auf den angedeuteten Problemkomplex einzugehen,
wäre raumsprengend, deshalb 6ei dem Rezensenten gestattet,
auf seinen Kommentar Das Buch Sacharja (Berlin 1962) hinzuweisen
. Man übersehe doch nicht die eschatologische Ausrichtung
des Textes.

Anderen Erkenntnissen des Verfassers kann man dagegen
nur bedingungslos beistimmen. Er beachtet z. B., daß der Name
Juda über alle sechs Kapitel gleichmäßig verteilt ist, Israel
— Ephraim — Josef jedoch, mit Ausnahme von 12, 1, nur
in den ersten drei, und Jerusalem — Zion, mit Ausnahme