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Ausgabe:

1964

Spalte:

43-44

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Weilner, Ignaz

Titel/Untertitel:

Johannes Taulers Bekehrungsweg 1964

Rezensent:

Weiß, Konrad

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Seite 1

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43

Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 1

44

hatte den Bau in die Zeit Kyrills und Methods datiert, der
zweite (1953) in das erste Drittel des 9. Jahrhunderts. In der
vorliegenden Untersuchung zeigt Cibulka, daß allein die iro-
schottischen Kirchen der vorkarolingischen Zeit als Vorbild
dieser Kirche gedient haben können. Wenn dies richtig ist, ergibt
sich aber für die Kirche oder mindestens für einen Prototyp
dieser Kirche auf mährischem Boden ein noch früheres Baudatum
, als man bisher glaubte annehmen zu können. Denn der
iroschottische Einfluß, der allein durch bayrische Vermittlung
nach Mähren gekommen sein kann, ist in Bayern, das 788 dem
Frankenreich eingegliedert wurde, am Ende des 8. Jahrhunderts
schnell zurückgegangen zugunsten der Stilformen der karolingi-
schen Renaissance. Danach muß es also schon um 800 Steinkirchen
in Mähren gegeben haben.

Diese aufgrund eines archäologischen Befundes gewonnene
Erkenntnis benutzt der Verfasser alsdann, um ein neues,
farbenstärkeres Bild von der Frühgeschichte des Christentums
in Mähren zu malen, als wir es bisher besessen haben. Schon
in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts wird das Christentum
von Bayern (vielleicht besonders von Kremsmünster) aus
unter Mitwirkung iroschottischer Mönche nach Mähren gebracht
worden sein. Die Zerstörung des Awarenreichs durch Karl d. Gr.
(796) hat dieser schon bestehenden Strömung neue starke Impulse
gegeben. Um 800 wird das Land weitgehend christianisiert
. Der um diese Zeit erfolgende rasche Übergang von der
Feuer- zur Erdbestattung wird von hier aus erklärlich. Das
Großmäbrische Reich ist schon bei seiner Entstehung (8 33)
christlich bestimmt, kirchlich gehört es zu Passau. Der Konflikt
mit dem fränkisch-deutschen Reiche (seit 845) führte dann zu
einer kirchlichen Isolierung des christlichen Landes. An eine
Rückkehr zum Heidentum war nicht mehr zu denken, und so
erfolgte die berühmte Gesandtschaft nach Konstantinopel i. J.
862, in deren Folge die „Slavenapostel" ins Land kamen.

Eins der wichtigsten Kapitel der slavischen Missionsgeschichte
ist durch die Untersuchungen Cibulkas wesentlich erhellt
worden. Ein ausführliches Resume in deutscher Sprache
(47 Seiten, mehr als ein Fünftel des tschechischen Textes) ermöglicht
es auch dem des Tschechischen nicht Kundigen, die bedeutsamen
Ausführungen zur Kenntnis zu nehmen.

Die Ergebnisse Cibulkas sind von der Forschung inzwischen weitgehend
akzeptiert worden. So schreibt H. Preidel, die baugeschidn-
liche Einordnung und die Datierung der Kirche in Modrd durch Cibulka
sei so gut begründet, „daß diese Deutung sachlich und zeitlich kaum
zu erschüttern ist" (in: „Archäologische Denkmäler und Funde zur
Christianisierung des östlichen Mitteleuropa", in: Welt der Slaven V

(1960) , S. 64); ähnlich Franz Zagiba in seinem zusammenfassenden
Aufsatz: „Die bayrische Slavenmission und ihre Fortsetzung durch
Kyrill und Method", in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas 9

(1961) , S. 6 f. (mit weiteren Literaturangaben) und Günther Stökl,
„Geschichte der Slavenmission", in: Die Kirche in ihrer Geschichte
(hrsg. v. K.D.Schmidt u. E.Wolf), Bd. 2, Göttingen 1961, S. 76-78.

Tübingen Ludolf Müller

W ei In er, Ignaz: Johannes Taulers Bekehrungsweg. Die Erfahrungsgrundlagen
seiner Mystik. Regensburg: Pustet 1961. 280 S. 8° =
Studien zur Geschichte der kath. Moraltheologie, hrsg. v. Michael
Müller, 10. Kart. DM 22.—.

Das Interesse des Buches ist ganz darauf gerichtet, Tauler
als Psychologen der Mystik aus der Empirie der mystischen
Erfahrung heraus zu verstehen und zu erklären. Man darf es
also nicht auf Grund seiner meist summarischen und vielfach
anfechtbaren Bemerkungen und Ausführungen über die geistes-
und theologiegeschichtlichen Zusammenhänge, in denen Taulers
Mystik steht, beurteilen. Sie finden sich vor allem in der
Forschungsübersicht des 1. Abschnittes, aber auch weiterhin über
das ganze Buch verstreut. Neben der zweifellos richtigen Beobachtung
, daß sich Taulers Mystik im Rahmen des neuplatonischen
Schemas vom Ab- und Aufstieg bewegt, wiederholen sie
ältere, inzwischen durch präzisere und differenziertere Erkenntnisse
ersetzte Gemeinplätze über die Frage aristotelisch -thomi-
sti6cher oder neuplatonischer Traditionen in der dominikanischen
Mystik. Aber auch das „urdeutsche Seelenfünklein" (S. 92) und
das „echt germanische Erbgut" des „Gemütes" (S. 124) werden
wieder bemüht.

Aber es wäre, wie gesagt, ungerecht, wollte man das Buch
daran aufspießen. W.s Versuch, Taulers Bekehrungsweg „psychologisch
" zu erhellen, ist zweifellos beachtlich. Er stützt sich
dabei auf eine reichhaltige Auswahl charakteristischer Stellen
aus Taulers Predigten der Vetterschen Edition, über deren Benutzung
auf S. 39 kritisch Rechenschaft gegeben wird. Es wird
nun versucht, die psychologischen Größen, Vorgänge und Einsichten
, mit denen Taulers Seelenführung arbeitet, sowohl
historisch als auch mit den Mitteln der modernen Psychologie
zu analysieren.

Die wesentlichen Ergebnisse ßind etwa folgende: Das traditionelle
Schema von den sinnlichen, vernünftigen und übervernünftigen
Kräften der Seele ist auf die bipolare Spannung
zwischen dem bewußten — vernünftige Kräfte! — und dem unbewußten
Leben — sinnliche und übervernünftige Kräfte! — zu
vereinfachen, wobei sich das Interesse der Mystik ganz der
übervernünftigen geistigen Potenz, von Tauler vorzugsweise
„grünt" genannt, zuwendet. Taulers „grünt" sei nun einerseits
als „Seelengrund" die natürliche Gottebenbildlichkeit des Menschen
, eine Entelechie, ein „Strahlungskern" für die natürliche
und gnadenhafte Überformung des Menschen durch Gott. Als
„Gemütsgrund" stelle er andererseits die psychische Aktivität,
das subjektive Sichverhalten gegenüber der „Ursprungsdynamik
des Seelengrundes" dar. Ihn von allem Kreatürlichen rein und
nur dem Einfluß des göttlichen Grundes offen zu halten, ihn
andererseits aber aus seiner unbewußten Tiefe in das bewußte
Leben der Seele und ihre Kräfte ausstrahlen zu lassen, ist
Gegenstand der seelsorgerlich-psychagogischen Bemühung Taulers.
Im wesentlichen gehe es um die nach dem Schema jubilatio -
getrenge - ubervart 6ich vollziehende „zweite Bekehrung", eine
Einkehr, einen Durchbruch in den Grund, der den Menschen
nach einer ihn auf der extravertierten Lebenshöhe um die vierziger
Jahre überfallenden Krise bis zu mystischen Erfahrungen
führen kann (wenn auch nicht führen muß oder auch nur
soll).

Das alles leitet Verf. aus konkreten Erfahrungen und
Beobachtungen Taulers, des scharfsichtigen Psychologen unter
den Mystikern, selbst ab (wobei er in der „Historie" von Taulers
Bekehrung einen Wahrheitskern findet) und entdeckt dabei
erstaunliche Übereinstimmungen mit den Methoden und Ergebnissen
moderner Seelenkunde und Seelenführung. Diesem letzteren
Gegenstand ist noch ein kurzer zweiter Teil des Buches
gewidmet, in dem Verf. Taulers Bekehrungsweg einerseits von
den Phasen der Entwicklungspsychologie nach M. Moers, andererseits
vom tiefenpsychologischen Individuationsprozeß nach C. G.
Jung her zu durchleuchten versucht.

Zu dem von ihm erstrebten Ziel, die Mystik als anthropologisches
Phänomen wissenschaftlich einzuordnen, damit sie als
solche aufhöre, „die Rolle eines erratischen Blockes zu spielen",
hat Verf. zweifellos einen wesentlichen Beitrag geleistet.

Rostock Konrad Weil)

Alfaro, Juan: Supernaturalitas fidei iuxta S. Thomam (Gregorianum

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Beumer, Johannes: Die literarischen Beziehungen zwischen dem

Sermo VI De Assumtione BMV (Pseudo-Bonaventura) und dem

Mariale oder Laus Virginis (Pseudo-Albertus) (FS 44, 1962 S. 45 5

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F ä h, Hans Louis: Johannes Duns Scotus: Gottes Dasein und Einzigkeit
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Gillen, Otto: Johannes Tauler —heute (ThRv 59, 1963 Sp. 217
—220).