Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1964

Kategorie:

Religionswissenschaft

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

653

Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 9

654

Offenbarungstätigkeit in der Geschichte" (30). Andererseits aber,
wie K. schreibt, war er „durch die Tatsache beunruhigt, daß das
vergleichende Studium der Religionen zu oft durch apologetische
Interessen eines partikularen Glaubens gefärbt wird" (26). Im
großen und ganzen ist das Bild, das K. von W. entworfen hat,
richtig gezeichnet und daher verdienstvoll, aber es ist eben zu
sehr aus der Sicht des mit den geistigen Bewegungen, die W.
in Europa bestimmten, nicht so vertrauten Amerikaners gesehen
. So ist z.B. zu der S. 19 erwähnten Atmosphäre an der
Leipziger LIniversität zu sagen, daß es vor allem H. Haas gewesen
ist, von dem W. in seiner liberalen und ökumenischen
Haltung entscheidend beeinflußt worden ist1. Aber auch die Bedeutung
von Dilthey, Scheler, E. Troeltsch und dem Kulturhistorischen
Institut in Leipzig, an dem W. wirkte, hätten noch
stärker hervorgehoben werden müssen, sowie andererseits die
Einflüsse auf W. in Amerika". (Das sind Aufgaben einer zukünftigen
Darstellung.) Wach war ja den vielfältigsten Anregungen
offen gewesen, und er hat es immer verstanden, sie
zu einer relativen Ganzheit zusammenzufassen, ohne einseitig
zu sein. Letzteres war sicherlich auch ein Hauptmotiv seines
Strebens, wie sehr deutlich die Bibliographie seiner Arbeiten
zeigt, die auf S. 32—36 von K., F. Heiler und K. Neumann
zusammengestellt worden ist.

Sie ist allerdings verbesserungs- und ergänzungsbedürftig:
S. 32, 5 erg phil. Diss.;

6 erg. Auszug in: Jahrbuch d. Philos. Fak. Leipzig 1922, 2,
S. 14 — 16;

10 1. „externen" Würdigung;

14 erg. Bd. 38, S. 33—55;

19 1. Psychologizismus;

3 5 f. dcl. (Auch als „Theo!. Diss." Heidelberg, 1930, erschienen).

1W. hat mit „Verstehen" Bd. 11 promoviert!] Erg. 266 S.;
37 1. Rühle;

41 erg. Tübingen 1926 (Philosophie u. Geschichte 11).

s.v. 1927 erg.: Max Weber als Rcligionssoziologc, in: Kultur
- u. Universalgeschichte. W. Goetz zum 60. Geb. dargebr.
von Fachgenossen, Freunden u. Schülern, Leipzig 1927, S. 376
— 394 (auch in: Einführung in die Religionssoziologie, 1931,
S. 65—98).
S. 33, l |. Oricntalistische;

17 erg. 379 S. (= Theol. Diss. Heidelberg 1930);
28 erg. ( = Festschrift für E. von Dobsdiütz);
30 1. 1929 st. 1930 (der Aufsatz — W.s Antrittsvorlesung in
Leipzig — gehört also unter 1929).
S. 34, 19 v.u. 1. H. 1—3 (es sind drei Arbeiten in dieser von W. betreuten
Reihe erschienen: H. Neumann, Die Mutter des
Religionsstifters, R. Lcnnert, Die Rcligionstheorie M. Webers
u. W. Heybey, Glaube u. Geschichte im Werk St. Georges),
erg. 1937: Der Begriff des Klassischen in der Religionswissenschaft
, in: Quantulacunque. Studies presented to Kirsopp
Lake, London 1937, S. 87—97 (engl, in: Types of Religious
Expcricnce, S. 48—57).
S. 36, 2 1. Gedenkbuch; erg. S. 136—144;
8 erg. 461 S.;

s.v. 1955 erg.: Das Selbstverständnis des modernen Menschen,
in: Univcrsitas 10. Jhg., 1955, S. 449—456;
postum erschien:

1958 The Comparative Study of Religions, New York 1958;

Dt. Ausgabe 1962 s. o.
1960 Socjologia religii, Warszawa 1960 (Poln. Übersetzung
der „Religionssoziologie", mit e. Einf. von Z. Poniatowski
über ,,J. Wach, jako soejolog religii", S. 9—28).
Als dritter Beitrag folgt die Vorlesung K.s, die der vorliegenden
Veröffentlichung den Titel gab (37—66). Auch er
dient der Religionspsychologie und -Soziologie von Wach und
erörtert zuerst (unter öfterer Wiederholung des im 1. Beitrag
Gesagten) das „Problem des Verstehens" (3 5—53) und dann
..Wesen und Aufgabe der vergleichenden Religionswissenschaft"
(5 3—66). Man ist etwas enttäuscht, wenn man Titel und Inhalt
des Vortrages vergleicht, denn die Beantwortung der Frage,
ob es ein „Verständnis fremder Religionen" gibt, warum, wieso
und wie, wird in keiner Weise exakt methodisch (an Hand von

') Vgl. K. Rudolph, Die Religionsgeschichte an der Leipziger Universität
und die Entwicklung der Religionswissenschaft, Berlin 1962
(SBSAW philol.-hist. Kl. 107:1), S. 123 ff., 138 ff.

s) Auf letzteres habe ich in der gen. Rcz. aufmerksam gemacht
(ThLZ 1964, Sp. 346).

W.s Lebenswerk) abgehandelt'1. Falsch ist es geradezu, wenn K.
sagt, daß für W. die systematische Arbeit der Rel.wiss. eine
normative sei (38, 59). Gerade das hat W. entschieden verneint1
! Für ihn war die Religionswissenschaft in ihrem Gesamtbestand
eine empirisch-historische Disziplin, die sich grundsätzlich
von den normativen Disziplinen, wie Philosophie und Theologie
, unterscheidet; davon macht auch die systematische
Religionswissenschaft keine Ausnahme (K. verwechselt offenbar
Systematik mit Dogmatik!). Beachtenswert sind die kritischen
Fragen, die K. an seinen ehem. Lehrer stellt, so an seine „von
sich oft widersprechenden Theorien bestimmte Hermeneutik"
(39 f.), in der er versuchte, die „Einsichten und Methoden von
Religionswissenschaft, Religionsphilosophie, Theologie und anderer
Hilfswissenschaften zu verbinden" (41); es war also eine
Art „Methodensynkretismus". W. war daher auch kein reiner
Religionssoziologe (49), sondern seine Religionssoziologie war
von der Religionswissenschaft abgeleitet. Er war eben getrieben
(im Unterschied zu seinem ursprünglichen Ansatz), theologische
und religionswissenschaftliche Fragestellung auf einen Nenner zu
bringen (51). Über die Problematik des Begriffs „religiöse Erfahrung
" bei W. habe ich in der angeführten Rezension ThLZ 1964,
Sp. 346 gehandelt. Was K. 53 ff. über die vergleichende Religionswissenschaft
sagt, ist z. T. begrüßenswert. So die Betonung
der Feldforschung (58 f.) und des Studiums jeder Religion auf
gleicher Ebene unter Beachtung ihrer besonderen Wesenszüge (57).
K. erläutert das an seinem Fachgebiet, dem Buddhismus (60ff.),
und lehnt die „östliche Schau" als fragwürdig ab (62 f.). Entschieden
verteidigt er eine nicht-theologische Religionswissenschaft
, da eine theologische Religionswissenschaft grundsätzlich
durch ein apologetisches Interesse gebunden ist, „und diesem
apologetischen Interesse wohnt die Neigung inne, die Perspektive
und die Struktur solcher Religionen, die anders sind als
die eigenen, zu verzerren" (65). Demgegenüber steht die Tatsache
, „daß die Religionswissenschaft für das Verständnis bestimmter
Bereiche in der Struktur der Religionen eher zuständig
ist als ein rein theologisch orientiertes Fach. .." (ib.). Sie muß
sich daher den „Grundsatz relativer Objektivität" zu eigen
machen (66). Es ist allerdings m. E. nicht recht, ihr die Aufgabe
zuzuweisen, ein Verständnis der Religionen untereinander zu
ermöglichen (ib.); das geht die Wissenschaft nichts an, kann nur
ihre unbeabsichtigte, durchaus subjektiv bedingte Wirkung sein6.
Ebenso wie sie nicht „sicher" sagen kann, „daß alle Religionen
eine letzte Beziehung zur letzten Wirklichkeit miteinander gemeinsam
haben" (57) — das ist eine Glaubensaussage (Glaube
an die „Letzte Wirklichkeit" und Gottes revelatio generalis).

Berichtigungen: S. 4,2 ist mißvcrständlidi: W. erwarb sich in
Heidelberg 1930 den Dr. theol.; 3 1. 29 April (lt. Leipziger Akten);
5, 17 1. postum; 12, 5 v.u. 1. das Weltbild; 14, 13 1. Jaina-; 46 Anm.
18,3 1. Goetz st. Gockf (s. Literaturangabe ob.). Warum ist nicht die
deutsche (autorisierte) Ausgabe von Wachs Religionssoziologie herangezogen
worden?

Leipzig Kurt Rudolph

3) Ich habe da u. a. die sehr konkreten Fragestellungen im Auge,
die E. Benz in seinen Betrachtungen „Über die Schwierigkeit des Verstehens
fremder Religionen", in: „Geist und Werk" (Zum 75. Geb. von
Dr. D. Brody), Zürich (Rhein-Verl.) 1958, S. 245—266, bewegen.

*) S. Religionswissenschaft, Leipzig 1924, S. 68, 113 ff., 172;
Rudolph, op. cit. S. 143 f.

5) Vgl. auch ThLZ Sp. 346. K. verwendet zwei Verstehcnsbegriffe,
die er leider nicht auseinanderhält: 1. den von Dilthey herkommenden
Begriff des geisteswissenschaftl. „Verstehens" als einer Forschungsmethode
, und 2. das Verständnis („wechselseitiges Verstehen") der
verschiedenen Religionen, bzw. ihrer Vertreter untereinander, und das
innerhalb verschiedener Fachgebiete (s. S. 53, 66).

C o 1 p e, Carsten: Bemerkungen zu Adolf von Harnacks Einschätzung
der Disziplin „Allgemeine Religionsgeschichte" (NZSTh 6, 1964

S. 51-69).

H a r m e 1, Heinz: Probleme der Rcligionsstatistik (ZRGG 16, 1964
S. 97—120).

Oberhammer, G.: Gott, Urbild der emanzipierten Existenz im

Yoga der Patanjali (ZKTh 86, 1964 S. 197—207).
Paul ss on, Ivar: Phänomenologie des Schamanismus (ZRGG 16,

1964 S. 121—141).