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Ausgabe:

1964

Spalte:

649-652

Kategorie:

Religionswissenschaft

Titel/Untertitel:

Hinduismus und Christentum 1964

Rezensent:

Rosenkranz, Gerhard

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Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 9

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sondern von dem Gott her verstanden «ein, dessen Verherrlichung
sie dienen darf und soll. Doxologie ist Antwort.

Es bleibt noch übrig, den Erkenntnisgang, der die Theologie
als Doxologie zu erörtern suchte, in der Frage nach der
Bedeutung der Doxologie für das rechte Verständnis der
Orthodoxie zu beschließen. Orthodoxie als Doxologie, so
lautete ja unser Thema, das wir mit Bedacht von der Doxologie
her angingen. Wenn wir der Bewegung treu bleiben, die durch
die Deszendenz des Logos in seiner Kondeszendenz geboten
war, so werden wir zum ersten das „Ortho" in dem Begriff
Orthodoxie bestimmt sein lassen müssen von der Wahrheit
her, zu der hin die orthodoxe Aussage eine rechte, nämlich
dorthin gerichtete Aussage ist. Das griechische orthos bezeichnet
von seiner Wurzel aus das Aufgerichtete, das Emporgehobene
und Gerade, ja, das, was durch seine Hin-Wendung in eine
bestimmte Richtung unverrückt die gerade, die rechte Bahn
innehält. Wenn die Richtung durch die Hinwendung und Hinneigung
der Wahrheit selbst bestimmt ist, dann wird die an
der Wahrheit ausgerichtete Erkenntnis rechte Erkenntnis nur
sein können in der Anerkenntnis der Priorität der Wahrheit
. Sie will ja nicht mit einer unserem Geiste immanenten
Idee, auch nicht mit einem Postulat unserer Vernunft oder
einem Bild unseres spekulierenden Geistes verwechselt sein. Die
Wahrheit, von der wir reden, begegnet uns personal in
ihrer Kondeszendenz, und zwar in dem Wort, das sie
bezeugt, und in dem sie selbst sich zu Gehör bringt. Das
menschliche Wort, in, mit und unter dem das Fleischgewordene
Wort Gottes zu Worte kommt, ist aber das Wort der Schrift,
in deren Auslegung und Verkündigung die Wahrheit, Er selbst,
der die Wahrheit ist, das Wort ergreift durch den Heiligen
Geist. In dieser Begegnung wird das Gehör des Glaubens zu der
Wahrheit hingewendet, die als gehörte Wahrheit anerkannt
und in der Anerkenntnis erkannt sein will. Nur als gehörte
Aussage wird die Wahrheitsaussage die von der Wahrheit her
und so die zu ihr hin gerichtete Aussage, nur 60 „orthodoxe"
Ausage sein. Orthodoxie lebt und west in diesem V o n - h e r
und Z u - h i n, so aber, daß das Von-her die Priorität hat und
behält. Die Entscheidung darüber fällt aber an der Schrift, versteht
sich als an dem Zeugnis für Ihn, der als die Wahrheit
Gottes für uns ihr Substanzzentrum ist. Als schriftgemäße
Lehre wird sie orthodox sein, und eben im Hören auf die
Christusdoxologie der Schrift Doxologie sein dürfen.

Darin ist das zweite bereits zur Stelle. Wenn die orthodoxe
Erkenntnis ihre Ermöglichung und ihre Wahrheit nümlich
nur in der Relation zu der lebendigen, der personalen Wahrheit
hat, deren Gnade allein die Begegnung herstellt und die
Antwort hervorruft, dann wird die rechte Aussage ihr Wahr-sein
nicht so an und in sich selber haben, daß die lebendige Wahrheit
sich in den Buchstaben, den an 6ich toten, verwandelt hätte.
Die Wörter, auch die „richtigen", werden nicht Wahrheitskapseln
sein, über die ihre Besitzer, die Theologen, bzw. die Kirche
dann verfügen könnte wie über ein Kapital, von dessen Zinsen
sie lebte. Mag die Orthodoxie, historisch gesehen, auch gerade
dieser Versuchung noch so oft erlegen sein, sich als Wahrheitsbesitzerin
und Herrin gerade gegenüber ihren Gegnern zu gebärden
, so wird sie ihrem Ursprung und Wesen nach sich doch
immer von neuem zu dem Herrengeheimnis der Wahrheit zurückrufen
lassen, das durch und durch lebendig ist. Was sage

ich — sie wird sich zu dem Lebendigen Herrn hinwenden
lassen, der die „richtige" Lehre als den rechten Lobpreis annehmen
kann und will. Gerade in der bis auf den Buchstaben
dringenden Leidenschaft des Ringens um richtige, am Wort der
Schrift ausgerichtete Ausagen wird orthodoxe Theologie —
werden um Orthodoxie ringende Theologen! — sich darunter
demütigen lassen, daß die richtigen Wörter noch nicht das
wahre, das lebendige Wort sind, dem die Wörter nur dienen,
und auf dessen Gegenwart sie nur warten können. Die so wartende
, im wörtlichen Sinn um den Segen von oben betende
Orthodoxie wird Doxologie, Rühmung der Wahrheit sein, die
sich durch rechte Lehre rühmen lassen will.

Noch aber muß als drittes und letztes jenes Scheitern
im Denkvollzug gerade im Blick auf das Ringen um rechte
Lehre noch einmal unterstrichen werden. Wir bedachten, daß in
keinem Wahrheitsmedium, in dem wir die immanente Wirklichkeit
befragen und durchforschen, und auch nicht in dem Versuch
sie zu transzendieren, die Wahrheit Gottes in Christo
verifizierbar ist. Unser Erkenntnisvermögen selbst aber, «eine
Worte, Begriffe und Vorstellungen, ist als das Vermögen des
raum-zeitlich gebundenen, ja, des gefallenen und verfallenden
Menschen, unvermögend, die Wahrheit Gottes recht zu erkennen
und in rechter Erkenntis die Wahrheit in ihrem Wahrsein
zu preisen. Auch der versöhnte, der zur rechten Gottes-Er-
kenntnis befreite Mensch wird doch noch nicht in den Menschen
der unmittelbaren und direkten Erkenntnis, der Gottesschau
verwandelt. Sein Hören und Glauben, sein Anerkennen und
Erkennen bleibt reines, immer neues Wunder, das ihn bei und
an 6ich selbst mit der Unmöglichkeit, bei Gott aber mit der
Möglichkeit, der Macht und dem Willen seiner allmächtigen
Gnade rechnen läßt. Was sage ich: „rechnen"? Nicht rechnen,
sondern beichten und beten! Erst wenn der Zwiespalt zwischen
unserer Existenz und unserer Erkenntnis, zwischen uns selbst
und unsern Wahrheitsaussagen in einem neuen Sein und Wesen
geschlossen sein wird, wird unsere Erkenntnis der Wahrheit
nicht mehr scheiternde Erkenntnis sein. Es ist Wunder, reines
Gnadenwunder, wenn die Wahrheit unsere unadäquate Erkenntnis
sich adäquatisiert und sie als Orthodoxie Doxologie, vielmehr
als Doxologie Orthodoxie sein läßt. Keine Orthodoxie
i s t schon, auf sich selbst gesehen, Doxologie. Sie darf und soll
sich aber unter dem Befehl, von der Wahrheit recht zu reden,
der Verheißung getrösten, daß rechte Lehre Lobgesang,
Orthodoxie Doxologie sein darf.

Es ist dem Ganzen nur noch ein Schlußsatz hinzuzufügen,
ohne den der Gedankengang nicht nur einer, Mißverständnisse
heraufbeschwörenden, Kürze, sondern der Verleugnung der Theologie
in ihrer anderen Funktion beschuldigt werden könnte.
Diese andere Funktion ist die diakonische, und das will sagen:
ihr Dienst an der Verkündigung des Wortes Gottes, wie sie
der Kirche aufgetragen ist. Wenn die Erörterung dieser anderen
Funktion durch unser Thema uns nicht aufgegeben war, so darf
darüber doch eines nicht verkannt und verleugnet werden,
daß nämlich die diakonische und die doxologische Funktion der
Theologie so unlöslich zusammengehören wie die Liebe zu Gott
und die Liebe zum Mitmenschen; denn der Mensch, in dem
Gott einer von uns wurde, ehrte Gott, indem er uns
diente. Seine Diakonie ist die Doxologie, kraft deren
unsere Diakonie Doxologie sein darf.

RELIGIONSWISSENSCHAFT

Neuner, Josef [Hrsg.] : Hinduismus und Christentum. Eine Einführung
. Aus d. Engl, übertr. v. R. S t e i n b a u e r. Wien-Freiburg -
Basel: Herder [1962]. XVI, 249 S. gr. 8°. Lw. öS 135.-; DM'sfr.
21.—.

Der Herausgeber des im Original englisch geschriebenen
Buches, Dr. theol. Josef Neuner, S. J. — Professor der Theologie
am Päpstlichen Athenäum in Poona/Indien —, hat zum „Lexikon
für Theologie und Kirche" (19572, Bd. I, Sp. 240 ff.) den
Artikel „Akkomodation" beigetragen. Er hat das gleiche Thema
in seinen Aufsätzen „Die Weltkirche, die Katholizität der
Kirche im Missionswerk" (in T. Holböck/Th. Sartory: Mysterium
der Kirche, München 1962, Bd. II, S. 815-889) und „Auf
dem Wege zu einer indichen Theologie" („Zeitschrift für
Missions- und Religionswissenschaft" 1963, S. 1—15) erneut
behandelt. Seine Stellungnahme zur Akkomodation wird in
folgenden Sätzen des Lexikon-Artikels (Sp1. 242) deutlich:
„Eine Theologie der Akkomodation darf . . . nicht bei der
bloßen Begriffsanalyse formulierter Lehren stehen bleiben, sondern
muß erfüllt sein von der sprengenden Fülle des Ursprungs,
für sie neue Formeln suchend, die die vorhandenen Formeln bereichernd
interpretieren und weiterführen. Deshalb wäre z. B.
der bloße Versuch, scholastische Terminologie mit approximativer
Genauigkeit in Termini hinduistischer Philosophie zu über-