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1964

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Systematische Theologie

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Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 8

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Darstellung des Aufenthalts Antonios Possevinos in Moskau, wo
seine drei Gespräche mit Ivan IV. (21. u. 23. Februar und

4. März) stattfanden. In einem vorletzten Kapitel berichtet der
Verf. von der Rückkehr des päpstlichen Gesandten über Venedig
nach Rom und von seiner weiteren diplomatischen Tätigkeit
bis zum Ende des Jahres 1 5 86 (Kap. VIII). Das Schlußkapitel
enthält das „Rußlandbild Possevinos". Indem er sich auf gute
Kenntnisse der Geschichtsquellen und der Spezialliteratur stützt,
hat W. Delius eine detaillierte und genaue Darstellung der Ereignisse
dargeboten. Aus seiner Analyse heben sich klar hervor
die wichtigsten Momente der Epoche: das Streben der päpstlichen
Diplomatie nach Herstellung des Friedens als ein Schritt
zu einer christlichen Allianz gegen die Türken und zur Union
zwischen der römischen und der orthodox-russischen Kirche,
alles im Rahmen der Gegenreformation.

Zu der sorgfältigen Studie von Delius sind m. E. nur wenige Bemerkungen
und Ergänzungen zu machen. So ist mit Interesse zu
konstatieren, wie oft bei den Verhandlungen das Problem des Krieges
gegen die Türken durchdringt, ebenso auch die Frage nach der byzantinischen
Erbschaft. Gleicherweise versuchte beim polnischen Thronstreit
im Jahre 1576 der Gesandte Kaiser Maximilians II. Cobenzl von
Prosseck den russischen Herrscher für die Idee eines gemeinsamen
antitürkischen Krieges mittels Versprechung der ehemaligen oströmischen
Kaiserkrone zu gewinnen. Reserviert solchen „großartigen Perspektiven
" gegenüber, trat Ivan Groznyj mit dem neuerwählten
polnischen König Stefan Batory (gekrönt am 1. Mai 1576) in den
Krieg, ihn als Verbündeten der Türken fürchtend. Der von den Russen
verlorene Krieg bedeutet für die ganze nachfolgende politische
Tätigkeit Ivans IV. ein grundlegendes Moment. Noch wichtiger ist
die Idee der Erbschaft von Byzanz für das geistlidie Leben der Epodie,
wie dies aus der Analyse der kirchlichen Beziehungen zwischen Rom
und Moskau während des 16. Jhdts. hervorgeht. Das Unionskonzil
von Florenz im Jahre 1439 hatte zu keinen positiven Folgerungen in
den Beziehungen West—Ost geführt, und nur 14 Jahre später wurde
da6 byzantinische Reich von den Türken vernichtet. Die Konzilbeschlüsse
blieben aber als Wunschziel in den Verhandlungen der nächst
folgenden Jahrhunderte erhalten. Fast ausnahmslos stützen sich alle
folgenden Unionsplänc der römischen Kirche auf diese Beschlüsse. So
hatte ein Gesandter Leons X. dem russischen Fürsten Vasilij III. im
Jahre 1513 die Frage zu stellen, ob dieser noch auf dem Boden der
Versprechungen stehe, welche sich einst Griechen und Russen in Florenz
gemacht hatten, was als eine unbedingte Voraussetzung für die
Anerkennung des Kaisertitels des russischen Fürsten galt. In den
Unionsverhandlungen mit den russischen Herrschern beriefen sich die
päpstlichen Gesandten mehrmals (z.B. 1512/13 u. 1 581/82) auf den
Text der Beschlüsse des Florentiner Konzils. Bei seiner Ankunft in
Starica überreichte Possevino dem russischen Herrscher unter anderem
auch ein Exemplar der Beschlüsse in griechischer Sprache, eine andere
Kopie gab er seinem Begleiter Stephan Drenocki, um sie bei
eventuellen Disputen mit den Russen zu gebrauchen. Bei dem zweiten
Gespräch am 23. Februar 1 582 übergab Possevino an Ivan IV.
(auf seine Bitte) den lateinischen und griechischen Text der Geschichte
des Florentiner Konzils (nach Delius |S. 84)); es handelte
sich in der Tat um ein unechtes Werk, identisch mit dem Werk, das
unter demselben Titel der Byzantiner Silvestros Syropulos verfaßte.
Die Frage bedarf m. M. einer genaueren Nachprüfung (vgl. die Angaben
bei K. Krumbacher, GBL", 121 ff.; Gy. Moravcsik, Byzantino-
turcica, I. Berlin 1958, 507 ff. und H. G. Beck, Kirche und theologische
Literatur im byzantinischen Reich, München 1959, 759 ff.). Bezüglich
des ersten Gesprächs zwischen Possevino und Ivan Groznyj
bemerkt Delius (S. 80), daß der letztere sich nicht über das Florentiner
Konzil und den Metropoliten Isidor äußerte. In seinem Brief an
Stefan Batory vom 29. Juni 1581, d. h. vor den Gesprächen mit
A. Possevino (Ankunft in Starica 18. August 1581: s. Delius, S. 64)
versuchte Ivan Groznyj, die Rechte der Orthodoxen in Livland mittels
der Hinweise auf die Beschlüsse des Florentinej Konzils zu begründen
(vgl. Poslanija Ivana Groznogo. Podgotovka teksta D. S.
Licheceva - Ja. S. Lurje. Moskau - Leningrad 1951, S. 229 ff., 515 ff.:

5. 406, 666 ff.). Die hier erwähnte Ausgabe ist leider, wie es scheint,
unerreichbar für W. Delius geblieben, obwohl er dort zahlreiche Angaben
finden könnte, z.B.: den Brief Ivans IV. an Stefan Batory im
Urtext und in moderner russisdier Übersetzung (S. 213—238, 390
—414) nebst ausführlichem Kommentar (S. 656—668), einige Notizen
zu A. Possevino (S. 454, 517 ff., 588, 597), die Korrespondenz mit
der englischen Königin Elisabeth (S. 139—143, 329—333; S. 612—616,
Kommentar) usw. In Ergänzung zu der von W. Delius (S. 77) gegebenen
Charakteristik der gcistlidien Kultur Ivans IV. muß gesagt werden,
daß aus einer Analyse der Briefe des russischen Herrschers evident
seine tiefe Kenntnis der byzantinischen Geschichte und Literatur
hervorgehen (s. meine Studie, Vizanzija i vizantijskaja literatura v

poslanijach Ivana Groznogo. In: Trudy Otdela drevnerussk. literatury
15/1958/159—176). Endlidi vgl. über das Moskauer Konzil vom
Jahre 1582 in bezug auf die Vorschläge Possevinos O. Bodjanskij,
Moskovskie sobory na eretikov XVI v. v car6tvovanie Ivana Vasil-
jevica Groznogo. In: Ctenija Ohle, istor. i drevn. ross. III. Teil 2
(1847) S. 1—30; A. A. Zimin, I. S. Peresvetov i ego sovremenniki.
Moskau 1958, S. 176 u. Anm. 272.

Sofia _ Ivan Dujöev

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Blanke, Huldrych: Die vierfache Bedeutung Durich Chiampeils

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Brandenburg, Albert: Um die Deutung der Theologie Luthers.

Zu Paul Althaus, Die Theologie Martin Luthers (ThRv 60, 1964

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SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

K ü n g, Hans: Strukturen der Kirche. Freiburg-Basel-Wien: Herder
11962]. 356 S. 8° = Quaestiones Disputatae, hrsg. v. K. Rahner u.
H.Schlier, 17. Kart. DM 22.—.

Es ist der Problemkomplex des Verhältnisses von Konzil
und Kirche, den der bekannte junge Tübinger Moraltheologe
hier neu angeht und bis zu sehr konkreten Details hin einer
oft revolutionierenden Neubesinnung unterzieht. Das Buch, in
gewissem Sinne der wissenschaftliche Bruder des volkstümlicheren
Werkes des Verfs. „Konzil und Wiedervereinigung" (i960),
welches in den letzten Jahren in breiten Kreisen so fruchtbar
auflockernd gewirkt hat, erschien vor dem Zusammentritt
des II. Vatic. Konzils und stellt faktisch eine Reihe von dringlichen
Appellen zu grundsätzlichem Umdenken an dieses dar.
Bewußt steht es in der Reihe „Quaestiones disputatae"; es will
sich „damit begnügen, die Probleme zur Diskussion zu stellen
... Es ist indessen 6chon etwas erreicht, wenn man sie
sieht und nicht bei einer schmalspurigen Behandlung der
Frage(n), die mehr um die Modalitäten als um das Wesen der
autoritativen Lehraussage(n) selbst kreist, stehenbleibt" (344).

K. geht es um eine Neuinterpretation der römisch-katholischen
Lehraussagen zum Ökumenischen Konzil und zum Papsttum
von, ihrem Wesen her. Dieses „Wesen" sucht er von den
gottgegebenen Grundstrukturen der Kirche aus neu in den
Blick zu bringen. Was ein Ökumenisches Konzil eigentlich ist
und sein soll und was „iure divino" für es gilt, läßt sich weder
aus seinen bisherigen geschichtlichen Gestalten noch aus den
diesbezüglichen kanonischen Bestimmungen vollgültig erheben,
da diese (auch die Definitionen des CICf) der Relativität der