Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1964

Spalte:

40-42

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Die mittelalterlichen Kirchen- und Altarpatrozinien Niedersachsens 1964

Rezensent:

Sprengler-Ruppenthal, Anneliese

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

39

Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 1

40

Aber nun tritt uns, beim Hin- und Herlesen im „Bopp",
die große Schwierigkeit entgegen, mit welcher ein solches
Unternehmen zu ringen hat. Es handelt sich darum, die Begriffe
des Schemas genau zu definieren und dann zuzusehen,
wie man damit durch die verschiedenen Epochen der Kirchengeschichte
hindurchkommt. Wir haben schon festgestellt, daß
der Begriff „Baden" erst für die neuere Zeit gültig ist. So ist
es aber mit unendlich vielem, was in das Dasein eines Pfarrers
gehört. Etwa die Examensbezeichnungen. Davon nur ein Beispiel
: die französischen Fakultäten haben vor einigen Jahren
die Bezeichnung „baccalaureat en theologie" für das Kandidatenexamen
abgeschafft und durch die Bezeichnung „licence en
theologie" ersetzt. Der vorigen Lizenz entspricht jetzt die erste
These für das Doktorat, es gibt dafür keinen eigenen Namen
mehr. Dieser Sachverhalt bleibt völlig unberücksichtigt, und
der Leser wird sich wohl verwundert fragen, wie es kommt,
daß plötzlich alle Pfarrer Lizentiaten 6ind. Genau dieselbe
Schwierigkeit besteht bei den Amtsbezeichnungen. Was ist
ein ,,Spezial"? Was nennt man in den verschiedenen Zeitabschnitten
einen Inspektor? Auch kirchenrechtliche Begriffe
wären zu klären; was meint etwa das Wort Kollator?

Auch die Begriffe „lutherisch" und „reformiert" machen
Schwierigkeiten, besonders in einem Land mit großer konfessioneller
Freizügigkeit innerhalb des Protestantismus, wie es das
Elsaß seit der Revolution geworden ist. Man kann damit bezeichnen
, daß jemand in der einen oder andern Kirche geboren
ist, oder auch daß er da oder dort beamtet ist. Wieder bei
andern drücken diese Ausdrücke ein konfessionelles Bewußtsein
aus. Wenn in der Statistik, für welche das Pfarrerbuch die
Grundlage abgeben soll, der gleiche Ausdruck dies alles deckt,
so muß ja alles verkehrt werden.

In diesem Zusammenhang erwähnen wir auch die Sprachenfrage
. In einem zweisprachigen Land wird ein Pfarrerbuch an
diesem Punkt sehr elastisch sein müssen. Am besten wird man
etwa jedem die Namensform lassen, die er sich selber gewählt
hat, wenn es auch nach dem Wörterbuch unzweifelhaft richtig
ist, daß Karl gleich Charles ist. Aber wer Charles Corbiere
(Art. 834) gekannt hat, kann ihn mit Karl Corbiere nicht
leicht zur Deckung bringen. Man sollte hier von der Bibel lernen
, daß der Name ein Stück vom Wesen des Menschen ist;
und im Pfarrerbuch geht es doch nicht darum, jemanden in
eine offizielle Schablone hineinzupressen, was sonst die Lebenswirklichkeit
reichlich genug tut, sondern umgekehrt darum,
das individuelle Wesen des Einzelnen möglichst genau zu erheben
.

Hauptforderung wird also eine große Elastizität der Begriffsbildung
sein, gepaart mit ebenso großer Festigkeit und
Sicherheit der Bedeutungen. Nur so werden die Ergebnisse, die
man uns verheißt, solid sein. Hier liegt wohl die Hauptschwierigkeit
eines vollkommenen Pfarrerbuches.

Schließlich führt uns das Thema der Begriffe auf ein Letztes:
die Zeichen und Abkürzungen. Ein Haupterfordernis wird sein,
Platz zu sparen, daher werden Zeichen in viel größerem Umfang
nötig sein, als das Werk Bopps sie enthält. Da das Pfarrerbuch
zur Statistik hindrängt, wird es auch selber schon etwas
an mathematische Zeichensprache erinnern müssen. Bis dahin
ist jedoch noch ein weiter Weg.

Zuletzt sei noch einmal unser herzlicher Dank gesagt für
das nun vorliegende elsässische evangelische Pfarrerbuch. Es
steht am Ende eines langen Weges. Und was wir hier zur
Kritik gesagt haben, soll nur ausdrücken, daß es gleichzeitig der
Anfang und Ausgangspunkt eines neuen Weges ist. Ohne den
„Bopp" wird künftighin keine Erforschung der evangelischen
Kirchengeschichte des Elsaß möglich sein. Mit ihm werden sich
ihr, wie wir es hier auszudrücken versuchten, ganz neue Möglichkeiten
und Perspektiven eröffnen.

Rittcrshoffen Theobald S U ■ ■

Hennecke, Edgarf : Die mittelalterlichen Kirchen- und Altar-
patrozinien Niedersachsens, hrsg. v. H.-W. Krumwiede. Göttingen:
Vandenhoeck & Ruprecht [i960], 338 S. gr. 8° = Studien z. Kirchengeschichte
Niedersachsens, hrsg. v. H. Dörries, 11. Lw. DM 32.—.

Das vorliegende Buch hat eine 50jährige Vorgeschichte
(S. 5 f.); denn bereits 1910 beschloß die Gesellschaft für niedersächsische
Kirchengeschichte auf Antrag eines so bedeutenden
Mannes wie F. Cohrs, die Arbeit an der Zusammenstellung der
Kirchenheiligen Hannovers aufzunehmen. Entscheidenden Anteil
an den daraufhin eingeleiteten Forschungsarbeiten gewann in
der Folgezeit E. Hennecke, der auch schon mehrfach mit Teilergebnissen
an die Öffentlichkeit treten konnte. Verwiesen 6ei
hier nur auf die drei 1941 — 53 unter dem Titel „Die Pastoren
der Landeskirchen Hannovers und Schaumburg-Lippes seit der
Reformation" erschienenen Bände, in denen unter Mitwirkung
E. Henneckes bei den Kirchen, soweit bekannt, auch die Kirchenheiligen
angegeben wurden. Dieses von Ph. Meyer herausgegebene
Werk dürfte inzwischen wohl für jeden, der sich mit der
Kirchengeschichte Niedersachsens ausgiebiger zu beschäftigen
hat, zum unentbehrlichen Handbuch geworden sein, mag es auch
hier und da durch Erschließung neuer Quellen ergänzt werden
können.

Das nunmehr unter Benutzung der Vorarbeiten E. Henneckes
von dem Herausgeber H.-W. Krumwiede und einem Team von
Mitarbeitern wesentlich seit 1953 in Angriff genommene (S. 6),
1960 vorgelegte Patrozinienverzeichnis berücksichtigt erfreulicherweise
nicht nur die Kirchen-, sondern auch die Altarheiligen. Die
Gliederung des Buches folgt den alphabetisch aufgeführten Diözesen
, denen das niedersächsische Gebiet im Mittelalter angehörte
(Bremen bis Verden); angefügt sind die ehemals dem
Landkreis Lüneburg zugehörigen, nunmehr in der DDR liegenden
Kirchorte der Diözese Ratzeburg. Die Kirch- und Kapellorte
jedweder Diözese sind auch wieder alphabetisch verzeichnet,
wobei neben den Kirchen- oder Kapellen- und gegebenenfalls
den Altarheiligen dankenswerterweise auch der Archidiakonat,
dem der genannte Ort zugeteilt war, angegeben ist. Wir haben
in dem vorliegenden Buch also über das Patrozinienverzeichnis
hinaus ein Nachschlagewerk über Diözesan- und Archidiakonats-
zugehörigkeit der einzelnen Kirch- und Kapcllorte.

Der Herausgeber bezeichnet das Patrozinienverzeichnis als
ein vorläufiges. Den Bearbeitern war es grundsätzlich nicht auferlegt
worden, eigene Quellenstudien zur Vervollkommnung
ihres Materials zu betreiben. Es sollte im allgemeinen auf das
durch die Literatur und durch gut zugängliche Nachschlagewerke
bekannte Material zurückgegriffen werden (S. 9). Eine erhebliche
Rolle spielen dabei die gedruckten Urkundenbücher und
Geschichtsquellen; hinsichtlich der Sekundärliteratur sind besonders
hervorzuheben die verschiedenen Werke über die Bau- und
Kunstdenkmäler. (E. Henneckes Sammlungen beruhen weitgehend
auf Umfragen bei den Pfarrgemeinden; vgl. S. 5,18.) Die
Quellen bzw. die Gewährsliteratur ist jeweils den Patrozinien-
angaben hinzugefügt. Dabei darf man dann feststellen, daß
häufig doch auch auf ungedrucktes, archivalisches Material zurückgegriffen
ist. Daß künftige Neuentdeckungen noch Ergänzungen
bringen, u. U. auch Korrekturen notwendig machen werden,
wird wohl niemand, der mit der Materie auch nur einigermaßen
vertraut ist, anders erwarten. Oft stößt die Ermittlung eines
Patroziniums auf erhebliche Schwierigkeiten, oft scheint die
Frage danach nicht zu beantworten. So ist dem Patrozinienverzeichnis
jeder Diözese eine Liste solcher Kirch- und Kapellorte
angefügt, deren mittelalterliche Patrozinien unbekannt sind.

Aufs Ganze gesehen ist das Patrozinienverzeichnis nicht
nur ein nützliches Hand- und Nachschlagebuch, sondern auch
ein Aufgabenbuch für die Forschung. Eine Vielzahl von Fragen
drängt sich auf, auf die e6 in der bis jetzt vorliegenden Literatur
noch keine schlüssige Antwort gibt, und die zu beantworten
auch nicht im Plan des Herausgebers lag. Erst einmal die Heiligen
selbst! Wer sind sie eigentlich, deren Namen dort in so
langen, bunten Reihen erscheinen? Abgesehen von der legendären
Überwucherung der Märtyrerakten und Heiligengeschichten
— an welche Heiligengestalt, ob nun mehr oder weniger
legendär, ist jeweils gedacht? Das Vorwort zum Heiligenregister