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1964

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Altes Testament

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Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 8

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aufbrächte, sich an eine so komplizierte Aufgabe zu wagen. So sind
wir P. dankbar, daß er, der gewiß von seinen Kritikern zu lernen bestrebt
ist, sich nicht an der Weiterarbeit hat irre machen lassen, wofür
dieser Band ein erfreuliches Zeugnis ablegt, und wir erhoffen von
ihm baldige Fortsetzung und dereinst glücklichen Abschluß der großen
Sammlung. Ein Einzelner wäre künftig sowieso zu ihrer Bewältigung
nicht mehr imstande; machten sich aber mehrere daran, so würden
wir, wie die Erfahrung ähnlicher Unternehmungen lehrt, allesamt die
Beendigung nicht mehr erleben.

Tübingen Hildebrecht Ho m m e l

Sourccs Orientales V.: La Lüne. Mythes et Rites. 374 S.,
9 Abb., 2 Ktn. VI.: Les Danses Sacrees. Anthologie. 49 5 S., 4 Ktn.
Paris: Editions du Seuil 1962/63. 8°

Es ist äußerst begrüßenswert, zwei weitere Editionen der
religionswissenschaftlichen Publikationsreihe „Sources Orientales"
ankündigen zu können, auf deren vier vorhergehende Bände in
ThLZ 1962, Sp. 260 — 261 und Sp. 832 hingewiesen werden
konnte. Denn die vorliegenden Bände gleichen den früheren in
Anlage und methodischer Konzeption wie hinsichtlich der wissenschaftlichen
Akribie der Darstellung, und auch sie sind wiederum
wichtigen Themen der Religionswissenschaft gewidmet. Ziel der
in dem Bande über die mythische und kultische Rolle des Mondes
zusammengefaßten Einzeldarstellungen aus den verschiedensten
orientalischen Bereichen ist es, Antworten aufzuzeigen, die
auf Fragen nach dem Ursprung des Mondes und den Ursachen
seiner zyklischen Wandlungen gegeben worden sind, nach dem
Sinn seiner kultischen Verehrung, dem Charakter seiner numino-
sen Personifikationen und nach seiner Rolle im Seelen- und
Wiedergeburtsglauben. Gerade bei derartigen Themenstellungen
bewährt sich die Methode strenger fachwissenschaftlicher Begrenzung
der einzelnen Beiträge, die Vergleiche und Ableitungsversuche
ausschließt, wie sie sich früher einmal besonders
auf dem Gebiet der Astralmythologie so verhängnisvoll ausgewirkt
haben. Es ist selbstverständlich, daß sich das Interesse
des Lesers in bevorzugter Weise den Darstellungen aus jenen
religiösen Bereichen zuwendet, über die bislang monographische
Abhandlungen der Mondmythen und -kulte fehlten; in diesem
Zusammenhang ist der ägyprologische Abschnitt von Philippe
Derchain besonders interessant. Die Autoren der anderen Beiträge
sind Maurice Lambert (Sumerer), Marcel Leibovici (Baby-
lonien), Emmanuel Laroche (Hethiter und Churriter), Madeleine
Petit (Kanaan und Israel), Maxime Rodinson (Araber und Islam
), Marijan Mole (Altiran), Jean Varenne (Indien), Eveline
Poree-Maspero und Solange Thierry (Kambodscha), Michel Soymie
(China), Rene Sieffert (Japan) und Evelyne Lot-Falck (Sibirien
und Eskimos).

An dem Band über die Sakraltänze sind nur teilweise die
gleichen Autoren beteiligt; für den ägyptischen Bereich zeichnet
hier Henri Wild verantwortlich, für den israelitischen Andre
Caquot, für schamanisrische Tänze Jean-Paul Roux, für die indischen
Albertine Gaur, die balinesischen Jeanne Cuisinier und
die chinesischen Max Kaltenmark. Höchst bemerkenswert ist die
Einführung aus der Feder von Jean Cazeneuve, die den Abriß
einer Phänomenologie des religiösen Tanzes bietet. Der Verfasser
sondert sich von der Ansicht, daß der Ritus und mit ihm
seine tänzerischen Bestandteile allein der Reproduktion eines
mythischen Geschehens dienten;' er sieht den Sinn des sakralen
Tanzes generell in dem Bestreben zur Mobilisierung kosmischer
Kräfte, das sowohl dem imitativen als auch dem ekstatischen
Tanz zugrunde liege. Sehr wesentlich sind die Ausführungen
über den kollektiven Charakter der Tänze, über deren offizielle
Duldung oder Verdammung. Phänomenologisch äußerst wichtig
ist auch der Hinweis auf das zähe Festhalten an traditionellen
Formen des Sakraltanzes, die selbst einen Religionswechsel
überdauern.

Heidelberg Gunter Lan cz ko w s k i

Hommel, Hildebrecht: Das Apollonorakel in Didyma — Pflege
alter Musik im Spätantiken Gottesdienst. (Festschrift für Friedrich
Smend. Berlin: Verlag Merseburger 1963 S. 7—18).

ALTES TESTAMENT

Anderson, George W.: A Critical Introduction to the Old Testament
. London: Duckworth 1959 (1960). VIII, 261 S. 12 s. 6 d.
Innerhalb der Reihe „Studies in Theology", die auf dem
Gebiet des Alten Testamentes Gelehrte vom Rang eines Th.
R. Robinson, H. W. Robinson und G. E. Wright zu ihren Mitarbeitern
zählt, hat nun der Edinburgher Kollege Anderson
eine Einleitung vorgelegt, die das gleichbetitelte, erstmalig 1912
erschienene Werk von G. B. Gray zu ersetzen bestimmt ist. Der
Verfasser stellt sich die doppelte Aufgabe, sowohl die bedeutendsten
Theorien über Eigenart und Entstehung der einzelnen
alttestamentlichen Bücher kritisch zu referieren als auch einen
Eindruck vom Inhalt und Aufbau derselben zu vermitteln
(S. V). Es ist bewundernswert, mit welcher Sachkenntnis und
welchem Geschick er sich dieser angesichts des beschränkten
Raumes überaus schwierigen Aufgabe entledigt hat. Nachdem
er in einer Einleitung (S. 1-9) die Rechtfertigung der Disziplin
mit einem geschichtlichen Überblick über ihre Hauptentwicklungsstufen
verbunden und in einem zweiten Kapitel (S. 10—18)
das Werden des Kanons einschließlich der Entstehung der Versionen
behandelt hat, folgt er weiterhin (S. 19-223) der Anordnung
und Klassifizierung des hebräischen Kanons, um mit
einem Kapitel über „Literary Forms and Literary History"
(S. 224—234) und einem über „The Old Testament as Christian
Scripture" (S. 23 5-239) zu schließen. Eine aus praktischen Gründen
auf englischsprachige Werke beschränkte Bibliographie und
die üblichen Indices runden das kleine Buch ab.

Da die Dinge auf dem Gebiet der alttestamentlichen Einleitung
durch die traditionsgeschichtliche Forschung sowie durch
die zumal von Seiten skandinavischer Gelehrter vorgebrachten
grundsätzlichen Einwände gegen die bislang als Basis der ganzen
Disziplin dienende literarkritische Methode in den Fluß geraten
sind oder sich doch mindestens weithin eine gewisse Unsicherheit
verbreitet hat, dürfte es von allgemeinem Interesse
sein zu erfahren, wie sich die damit aufgeworfenen Probleme
in der Arbeit eines britischen Sachkenners spiegeln. M. E. kann
man Anderson nur dankbar sein, wenn er mit aller Entschiedenheit
feststellt, daß trotz alles dessen, was zugunsten der Bedeutung
mündlicher Tradition vorgebracht worden ist und vorgebracht
werden kann, der Pentateuch nun einmal als geschriebenes
Dokument gegeben ist, für das als solches die Literar-
kritik Basis aller weiteren Fragestellungen bleiben muß (,,We
must argue back to the stage of oral tradition primarily on
the basis of our written documents", S. 54).

Von diesem gesunden Grundsatz aus hält er bei der Analyse
des Pentateuch an der Graf-Wellhausenschen Theorie fest (J, E, D, P).
Für die Bücher Deuteronomium bis 2. Könige schließt er sich in seinem
Urteil im wesentlichen Noths Theorie von dem einen großen
deuteronomistischen Geschichtswerk an. Eine Fortsetzung von I und E
im jetzigen Bestand des Buches losua wird, abgesehen von Jos. 24 (E).
nicht angenommen. Im Blick auf die Landnahmesagen Jos. 1—12 wird
konstatiert: "All that we can say with any confidence is that in this
part of the book we have old traditions from more than one source,
which have been used by a Deuteronomic writer, and that minor
additions (P) were made later" (S. 60). In der Beurteilung der Quellenlage
für Kap. 13—22 stimmt A. im wesentlichen mit Alt und Noth
überein. — Das Richterbuch ist "in the main a Deuteronomic produet
in which older materials have been used. There is no strong evidence
for the view that it existed in a pre-Deuteronomic form..." (S. 69).
Die Samuelis- und Königsbücher sind demgegenüber von dem Deu-
teronomisten unter Verwendung verschiedener Quellen komponiert
worden (S. 74 ff., 82 ff.). In ähnlicher Nähe zur deutschen alttestamentlichen
Wissenschaft sieht A. Esra, Nehemia und Chronik als ein
ursprünglich einheitliches Geschichtswerk an, das er in das 4. Jahrhundert
datiert (S. 222 f.). — Ein Blick auf Andersons Stellungnahme
zu einigen umstrittenen Fragen der Prophetenforschung mag den Eindruck
seines Buches abrunden: Jes. 56—66 sind in seinen Augen, und
wie mir scheint, mit Recht weder als das Werk Deuterojesajas noch
eines einzelnen Tritojesaja zu beurteilen, sondern als eine Sammlung
von Prophezeiungen, die etwa den Zeitraum von 586—400 umspannen
(S. 120). Die Quellenfrage des Buches Jeremia sucht er mittels
der Annahme zu erklären, daß "two processes of oral and literary
transmission continued for ssveral generations", wobei mit einer
deuteronomistischen Umformung und Erweiterung in der Mitte oder
der zweiten Hälfte des 6. lahrhunderts zu rechnen ist (S. 127). Eze-