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Ausgabe:

1964

Spalte:

34-35

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Kähler, Else

Titel/Untertitel:

Die Frau in den paulinischen Briefen 1964

Rezensent:

Hegermann, Harald

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Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 1

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Diese Aufteilung des Stoffes und das damit dem Leser sich darbietende
Satzbild sind durchaus erfreulich.

Wirklich gelernt habe ich von der Einleitung in § 3
(„Karakter en doel"). Hier hält der Verfasser die These durch,
daß wir es durchaus mit einem wirklichen Brief zu tun haben
und keiner literarischen Einkleidung allgemeiner Gedanken.
Man sollte auch den Begriff des Kerygma formgeschichtlidi
nicht isolieren: Paränese, Didache, Anamnese (Rom. 15, 15)
sollten daneben unterschieden werden. Dabei beruft sich der
Verfasser auch auf N. A. Dahl, Anamnesis (Studia Theologica
I 1948). Einer Anregung von J. Jeremias zufolge (in Studia
Paulina 1953) wird das Motiv der lebendigen Diskussion stärker
in den Vordergrund gerückt. Lebendig ist das Bild einer
jnngen heidenchristlichen Gemeinde, die vom Diasporajudentum
und den Mächten des Heidentums umringt ist. Ein wenig kurz
kommt vielleicht die Auseinandersetzung mit A. Feuillet und
J- Dupont (Anm. 31 auf S. 19) weg - hier wird noch einiges
aufzuarbeiten sein.

In den religionsgeschichtlichen und theologischen Fragen
bleibt der Verfasser vorsichtig, auch in exegetischen Einzelfragen
(vgl. z. B. S. 34 die Bestimmung der „Gerechtigkeit
Gottes"). Die ganze Not in dieser Begriffsbestimmung wird
hier offenbar und auch dargelegt. Das eschatologische, dynamische
Handeln Gottes wird grundsätzlich erkannt und das Unzulängliche
im Eigenschaftsbegriff durchaus gesehen — und doch
fehlt hier die religionsgeschichtliche und durchschlagende theologische
Weiterführung. Das spezifisch Paulinische wird auf
S. 38 doch nicht durchgehalten.

Im allgemeinen wird die Textkritik und die grammatische
Sicherung (Blass - Debrunner wird sorgfältig zitiert) ausführlich
durchgeführt (gut S. 262). Die Einzefentscheidungen (z. B. die
Auseinandersetzung mit dem keßoc rüunc in Rom. 13, 8)
sind durchsichtig und durchweg begründet. In der theologischen
Fragestellung von Rom. 5, 12 ff. wird auf B. Murmelstcin und
H. Wheeler Robinson verwiesen, aber dem Gedanken eines
„gnostischen Mythos" gegenüber Zurückhaltung geübt (S. 114
-116). Die selbständige Verantwortlichkeit des Einzelnen wird
klar gesehen; aber das korporative Denken, dessen Wurzeln im
Alten Testament liegen, herausgestellt. Die Unterscheidung
zwischen iv yoiato') und lv xvgicp wird gut gesehen, könnte
aber noch ausführlicher durchgeführt werden (vgl. 16, 22 =
5. 352, wo etwas mehr gesagt werden sollte).

Der Kommentar sollte auch in der deutschen Situation
nicht übersehen werden.

Tübingen Otto Michel

Eich holz. Georg: Glaube und Werk bei Paulus und Jakobut.

München: Kaiser 1961. 45 S. gr. 8° = Theologische Existenz heute,
hrsg. v. K. G. Steck u. G. Eichholz, NF 88. Kart. DM 2.90.

Eichholz hat bereits 1953 in Heft 39 der „Theol. Existenz
heute" das klassische Problem Paulus und Jakobus, das auch im
letzten Jahrzehnt heftig diskutiert wurde, aufgegriffen. In dem
vorliegenden Heft, das eine Gastvorlesung wiedergibt, bemüht
er sich in einer meditativen Exegese, die vielfach an K. Barth erinnert
, aber mehr als er die historische Diskussion berücksichtigt,
vor allem die kerygmatische Absicht herauszuarbeiten. Das Ergebnis
faßt er in dem Satz zusammen: „Paulus hat seine Front, wenn
er den Glauben akzentuiert, die Front einer illusionären spätjüdischen
Werkgerechtigkeit. Jakobus hat seine sehr andere
Front, die mit der des Paulus nicht verwechselt werden darf,
die Front einer gefährlichen Inkonsequenz christlicher Existenz."
Beide sind „in ihrem theologischen Akzent inkommensurabel'
(S. 44 f.), aber sie können und sollen je in ihrer „Gezieltheit"
miteinander gehört werden! Diese Lösung des Problems arbeitet
eine zweifellos beachtliche Grundlinie heraus, aber man muß
fragen, ob darüber nicht doch dreierlei zu kurz gekommen ist:
1) Paulus redet Rm 3,28 von „Gesetzeswerken", nicht nur von
„illusionärer spätjüdischer Werkgerechtigkeit" und dem Israel
zugewandten Wort (Eichholz scheint mir Rm 3, 1 f. im Rahmen
von Rm 2 f. zu stark zu betonen). 2) Eichholz' Exegese ergibt
zurecht, daß Jakobus nicht Glaube und Werke addiert, sondern

das Werk, d. h. die Gehorsamstat, als Korrelat des Glaubens
fordert (S. 37—44), und daß für Paulus der Glaube einfach kraft
seines Inhaltes, Jesus der Herr, zugleich Gehorsam ist (S. 16
— 24). Nicht deutlich wird jedoch, daß das Bedenkliche an der
Forderung des Jakobus die Aussageweise ist: Er will das Werk
analytisch neben dem Glauben feststellen, während es nur
kerygmatisch vom Inhalt des Glaubens her geboten werden
kann. 3) Die Spannung zwischen Paulus und Jakobus im Kanon
löst Eichholz durch folgende Gesichtspunkte, die er an Paulus
entwickelt: Paulus läßt eine große Mannigfaltigkeit theologischer
Konzeptionen miteinander gelten, „wenn nur Christus
verkündigt wird", und zugleich läßt er seine Verkündigung je
von dem Hörer „mitformen" (S. 7—15). Diese Gesichtspunkte
reichen jedoch in der nachpaulinischen Zeit nicht mehr aus;
hier erscheint zwischen theologischer Mannigfaltigkeit und Häresie
eine dritte Möglichkeit, die man mit dem Schlagwort
„Frühkatholizismus" gekennzeichnet hat, die „konfessionelle
Differenz". Paulus kennt diese Möglichkeit noch nicht, aber sie
kann aus der Diskussion um Schriften aus nachpaulinischer Zeit
und um die Grenze des Kanons nicht mehr ausgeschaltet werden
, — wenngleich der Jakobusbrief nach den ausführlichen
Nachweisen G. Kittels diesseits dieser Grenze steht. Auch wenn
man die genannten Gesichtspunkte vermißt, bleibt Eichholz'
zentral auf die theologische Intention und das kerygmatische
Ziel ausgerichtete Exegese ein beachtlicher Hinweis auf das
Eigentliche.

Himburg Leonhard Goppoll

Kähler, Else, Dr. theo!.: Die Frau in den paulinisdien Briefen.

Unter besonderer Berücksichtigung des Begriffes der Unterordnung.
Zürich - Frankfurt/M. : Gotthelf-Verlag [i960]. 311 S. 8". Kart
«fr./DM 18.-.

Es handelt 6ich hier um eine überarbeitete Kieler Dissertation
(1956), die unter weitgehendem Einfluß von Heinz-
Dietrich Wendland neutestamentliche Exegese mit sozial-ethischer
Fragestellung und Anwendung verbindet. Auffallend und
manchmal beschwerlich ist die überreichliche Zitierung und
Kommentierung der neueren Literatur sowohl im Text als auch
in den ein volles Drittel (trotz Kleindruck) des Werkes füllenden
Anmerkungen, die aber dem Werk nach der Absicht der
Verf. den Charakter eines offenen Gesprächs gibt (S. 9). Das
Anliegen der Verf., das diese auch u. a. in ihrem Aufsatz in ZEE
1959, S. 1 ff. vertritt, ist der Nachweis, daß Mann und Frau
bei Paulus in echter Partnerschaft gesehen werden, und daß der
Begriff der Unterordnung in diesem Zusammenhang ein spezifisch
christliches Gepräge hat (S. 11). Kapitel I behandelt nacheinander
l.Kor.7; 11,3-16; 14,33-38 (S. 14-87), Kapitel II
Eph. 5,21-33 (S. 88-140), Kapitel III 1. Tim. 2,8-15; 5,2
-16; Tit. 2, 3-6 (S. 141-171) und Kapitel IV Rom. 13, 1-7
und I. Kor. 1 5,23-28 (S. 172-197). Auf die Anmerkungen
(S. 203—301) folgt ein Lit.-Verz. (S. 303—310), das i. a. mit
1956 abschließt.

Zu l.Kor. 7 macht eine Tabelle (S. 17—21) anschaulich,
wie bewußt Paulus seine Ermahnung an beide Ehepartner richtet
; inhaltlich ist für Mann und Frau eine „gleichwertige Gegenseitigkeit
" (S. 22) angezeigt. „Mann und Frau begegnen einander
in dienender Funktion" (S. 23). Verrät schon diese zutiefst
christliche Zeichnung der Ehe des Paulus Hochschätzung
derselben, 60 fügen sich auch sehr nüchterne Aussagen (7, 2. 5c)
in dieses Bild ein: Paulus will nachdrücklich warnen vor einem
unbedachten Eheverzicht, für einen solchen Weg muß ein besonderes
Charisma vorliegen (7, 7b), und dieses äußert sich
darin, daß etwa der Mann „in seinem Herzen feststeht und
keine Not hat (nicht unter einem Zwange steht), sondern Gewalt
über seinen eigenen Geschlechtstrieb hat" (60 übersetzt
Verf. nach Schrenk die wichtige Stelle 7, 37, S. 39). Bei Vorliegen
des Charisma gibt Paulus der Ehelosigkeit klar den Vorzug
, aber nicht deshalb, weil ..das Geschlechtliche befleckt"
(S. 26), sondern weil der Verheiratete im Hereinbruch des Ende«
weniger frei ist zum Dienst für den Herrn und stärker den
kommenden Drangsalen ausgesetzt ist (S. 33—3 5 u. ö.). — Die
beiden anderen Texte des Kap. I bereiten der Verf. mancherlei