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Ausgabe:

1964

Spalte:

31-32

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Lohmann, Theodor

Titel/Untertitel:

Der Ausschließlichkeitsanspruch Jesu und des Urchristentums 1964

Rezensent:

Lohse, Eduard

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Seite 1

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II

Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 1

32

dung geht er eigene, manchmal seltsame Wege, so bei der Analyse
des Gleichnisses vom guten Hirten (S. 67 ff.), wenn er das Kommen
des Hirten Am xijq ifvga; mit Mk 13,29 („that Jesus himsclf comes
«i» iWpaic" sie!) zusammenstellt. Mit Hilfe des vierten Evangeliums
sucht er die Hypothese der „realisierten Eschatologie" zu stützen.
Wie weithin in der neueren Apologetik werden die grundlegenden
Unterschiede zwischen dem Johannes - Evangelium und den Qumran-
Schriften bagatellisiert. Im übrigen sollte man nicht immer wieder betonen
müssen, daß Motiv- und Begriffsanalogien niemals die Zuverlässigkeit
eines Geschichtsberichtes stützen können.

Die eine und andere dieser Veröffentlichungen hätte sich
der Verfasser ersparen können, wenn er sich besser in der nicht-
englischen Literatur umgesehen hätte (vgl. Nr. 11 über I Kor
16, 20 — 24: eine nachgetragene Anm. verweist auf G. Bornkamms
früher erschienene Arbeit).

Geismar b. CSttingrn Hans Conzelmann

Loh mann, Theodor: Der Ar.ssdilicßlichkeitsanspruch Jesu und des
Urchristentums. Berlin: Evang. Verlagsanstalt [1962]. 212 S. gr. 8°.
Lw. DM 19.50

Mit der Erörterung der Frage nach dem Ausschließlichkeitsanspruch
Jesu und des Urchristentums möchte der Verf. in seiner
Abhandlung, die 1957 in Jena als Habilitationsschrift angenommen
worden ist, einen Beitrag zum Problem der sog.
Absolutheit des Christentums leisten, mit dem sich seit
E. Troeltsch die evangelische Theologie beschäftigt hat. Der
Verf. betont eingangs mit Recht die Notwendigkeit, daß durch
eine neutestamentliche Untersuchung eine Grundlage zur Lösung
der Probleme der Moderne gewonnen werden muß. Um
sich dabei nicht von Begriffen abhängig zu machen, die in der
bisherigen Diskussion belastet und abgenutzt worden sind,
wählt der Verf. statt des Terminus „Absolutheit" den Ausdruck
„Ausschließlichkeit" und versteht darunter den Anspruch
auf Offenbarung, eschatologische Vollendung, Einzigartigkeit und
Mission. Nacheinander werden unter diesen Überschriften in
vier Abschnitten die einschlägigen neutestamentlichen Belege
zusammengestellt und besprochen. In einem fünften Teil wird
nach dem Anspruch gefragt, den Jesus und das Urchristentum
auf Kriterien und Beweise erheben. Am Ende wird das Ergebnis
knapp zusammengefaßt: während bei Jesus ungeheures Selbstbewußtsein
auf der einen Seite und bescheidene Demut auf der
anderen Seite dem Offenbarungsanspruch das Gepräge geben,
tritt schon in der apostolischen Zeit der Anspruch auf Besitz
möglichst vieler Offenbarungserlebnisse stärker hervor. Die Naherwartung
Jesu und der ersten Christenheit wurde später infolge
der Parusieverzögerung zu einer Fernerwartung. Sowohl
in der Verkündigung Jesu als auch in der späteren christlichen
Predigt wird der Anspruch auf Einzigartigkeit festgehalten, daß
das Heil allein an die Nachfolge Jesu gebunden ist. Aus dem
Anspruch Jesu und des Urchristentums auf Offenbarung, eschatologische
Vollendung und Einzigartigkeit ergab sich der An-
sprudi auf Mission, die sich bei Jesus freilich allein auf die verlorenen
Schafe de6 Hauses Israel bezog. Kriterien und Beweise
für die Wahrheit und Überlegenheit des Evangeliums — wie der
Weissagungsbeweis, der Schriftbeweis oder die Betonung der
Zeichen und Wunder — sind schon von Jesus, vor allem aber
im Urchristentum geltend gemacht worden.

Es liegt auf der Hand, daß man bei einem so weit gespannten
Aufgabenbereich billigerweise nicht die Erörterung
weiterer Probleme verlangen kann, die auch in denselben
Fragenkreis hereinreichen — so sehr man es auch bedauern mag,
daß religionsgeschichtliche Zusammenhänge nur gelegentlich am
Rande gestreift werden. Wohl aber ist zu prüfen, ob die unter
systematisch-theologischen Gesichtspunkten gesammelten Belege
immer zutreffend exegesiert und bewertet worden sind.
Hier ist zunächst zu bemerken, daß zwischen Jesus, der
synoptischen Tradition und dem Urchristentum durchweg nicht
scharf genug unterschieden wird. Es ist doch z. B. nicht angängig
, Matth. 11, 27 für den historischen Jesus in Anspruch
zu nehmen, indem erklärt wird: „Bricht man dieses Wort aus
der Verkündigung Jesus als unecht heraus, so nimmt man damit
auch seiner Sendung jegliche Begründung" (S. 29). Und es
ist sicherlich unhaltbar zu behaupten, in der Verkündigung Jesu

sei das Reich Gottes eine gegenwärtige Größe, und daraus zu
folgern, die Gleichnisse von der Saat, vom Senfkorn und Sauerteig
handelten von einem Wadistumsprozeß (S. 60 ff.). Unscharf
sind verschiedene Ausführungen zum Begriff der Offenbarung
, zu dem bekanntlich im Neuen Testament ein genau
entsprechendes Äquivalent fehlt. Warum zum Vergleich zwischen
Gal. 2, 2 und Act. 15, 2 bemerkt wird, zur Frage nach dem
Historischen müsse der Bericht der Apostelgeschichte bevorzugt
werden (S. 22 f.), bleibt unverständlich, wie es überhaupt miß-
lidi ist, Paulus in der Weise gegen Jesus abzuheben, wie es der
Verf. tut, wenn er Paulus vorwirft, daß er im Unterschied zu
Jesus als typischer Vertreter des apostolischen Zeitalters besonderen
Wert auf Offenbarungserlebnisse lege (S. 21 ff.). Der
Satz, daß das Urchristentum Anspruch auf Weltmission erhob
(S. 129), bedarf im Blick auf die palästinische Urgemeinde einer
einschränkenden Berichtigung. Allzu sehr wird harmonisiert,
wenn es S. 140 heißt: „Jesus hat die Mission der Jünger nur
zunächst, für einige Zeit, auf Israel beschränkt. Denn Israel,
so wird auch hier der heilsgeschichtliche Missionsweg deutlich,
soll zunächst bekehrt werden. Dann aber in späterer Zeit —
gleichgültig ob schon zu Jesu Lebzeiten oder erst nach seinem
Tode — sollen die Jünger getrost den Weg auch zu den Heiden
nehmen." Im letzten Kapitel müßte stärker hervortreten, daß
Jesus die Zeichentorderung zurückgewiesen und damit das Ansinnen
abgelehnt hat, Beweise für die Wahrheit seiner Verkündigung
und seines Wirkens zu erbringen. Mit diesen Bemerkungen
sind nur einige der Fragen notiert, die man zu
manchen exegetischen Ausführungen des Verf. stellen möchte.
Am geschlossensten wirkt der dritte Teil des Buches, der vom
Anspruch auf Einzigartigkeit handelt und richtig hervorhebt,
daß es für Jesus und das Urchristentum nicht verschiedene
Möglichkeiten und Wege gibt, um zum Heil zu gelangen, sondern
daß vielmehr tatsächlich ein absoluter Anspruch erhoben
wird, nach dem es nur ein Evangelium und eine Wahrheit
geben kann.

Kiel Eduard Lohso

Kid derb os, Hcrman, Dr.: Aan de Romeinen. Uitgelegd. Kampen:
J. H. Kok 1959. 364 S. gr. 8° = Commentaar op het Nieuwe Testament
, aangevangen door S. Greijdanus u. en F. W. Grosheide. Lw.
hfl. 14.75.

Ein biblischer Kommentar hat zunächst die exegetischen,
historischen und theologischen Fragestellungen aufzuweisen,
die hier ins Gesichtsfeld rücken, muß dann sich durch ein
Dickicht von Lösungsversuchen durcharbeiten, wobei ihm die
vorhandene Literatur nur hier und da helfen kann; vor allem
aber sollte ein eigener exegetischer Wurf versucht werden, der
dem Ganzen eine neue Sicht verleiht. Es kann also keineswegs
die Aufgabe eines Kommentars sein, jeden Aufsatz, jede
Monographie im In- und Ausland aufzuführen — hier muß das
Wichtige und Weiterführende neben dem Nützlichen genannt
werden, aber Überflüssiges muß auch wegfallen können. Da ich
selbst Kommentare schrieb und durchaus bereit war, von Freunden
und Gegnern in ihren Kritiken zu lernen, möchte ich an
dieser Stelle bekennen, daß es ganz dringlich ist, sich und
anderen die Aufgabe eines Kommentars ins Gedächtnis zu rufen.
Ich habe mich auch bei der Lektüre dieses Kommentars gefragt,
was an theologischer Substanz und weiterführender Kraft der
Erkenntnis sich dem Leser eindrücklich macht. Zunächst das allgemeine
Charakteristikum: der Verfasser verarbeitet einen
großen Teil der vorhandenen Literatur, wenn auch mit verschiedener
Akzentuierung; die eigene holländische Tradition
kommt nicht zu kurz, sondern schlägt sich, wie zu erwarten war,
vor allem in der Behandlung von Rom. 9—11 (Gottes Heilshandeln
an Israel) betont nieder. Der Kommentar gibt einen
durchlaufenden theologischen Gedankengang von Vers zu Vers
(der auch weit gedruckt ist), fügt aber dann, begriffliche Einzelheiten
aufnehmend, Unterabschnitte ein (eng gedruckt), in
denen notwendige Auseinandersetzungen und Klärungen erfolgen
. Wieder selbständig sind grundsätzliche und zusammenfassende
Exkurse, die den Gedankengang nach den verschiedensten
Seiten absichern und vertiefen (wie z, B. S. 227—231).