Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1964

Spalte:

30-31

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Robinson, John A. T.

Titel/Untertitel:

Twelve New Testament studies 1964

Rezensent:

Conzelmann, Hans

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

29

Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 1

30

Das Bemühen um wörtliche Erhaltung des Textbcstandes wird
etwa in der z. T. nicht seltenen Auwendung von runden Klammern für
kurze verdeutlichende Zusätze (Hilfsverb usw.) sichtbar — z. B.
Mt. 5,12: die Propheten, (die) vor euch (waren); 5,19: wer es
aber (selbst) tut und (so) lehrt; l. Kor. 4,3: (Gerichts)tag,
Ag. 10,39: (Kreuzes)holz. Daß übersetzen interpretieren heißt, wird
natürlich auch dabei häufig deutlich. Das Bemühen um Wörtlichkeit
wird vielleicht gelegentlich etwas zu weit getrieben; so etwa Mt. 10,21:
Bruder wird Bruder in den Tod lieiern und Vater (sein) Kind;
auch sonst ist die Berücksichtigung des Fehlens des Artikels nicht
immer einleuchtend; merkwürdig Joh. 4,24: Gott ist ein Geist.
Tatsächlich wörtlich und sinngemäß zugleich — sofern nämlich .wörtlich
' die Fülle der möglichen Verwendungen eines Wortes im Griechischen
einschließt und eine auch nur annähernd konkordante Übersetzung
ausschließt — sind zahlreiche .freie' Wiedergaben, wie etwa
iycvezo stammt Rom. 1,3, stand auf Joh. 1,6. Das Bemühen um
Lesbarkeit wird erfolgreich sichtbar z.B. in der Auflösung der dem heutigen
Leser leicht monoton erscheinenden Anreihung von Sätzen durch
die gleiche Partikel usw. So wird xcd mitunter weggelassen oder etwa
durch dann wiedergegeben, entsprechend U übergangen oder durch
und bzw. da ersetzt; das er (sie) sagt(e) in Joh. 4, 13. 16. 19 wird
durch daraul angedeutet (V. 17: erwiderte) U6w. Hinsichtlich der
Verbindung der Sätze bzw. Satzteile ist auch sonst das deutsche
Sprachempfinden besonders sorgfältig beachtet. Lange Sätze werden
öfters in mehrere aufgelöst, nicht nur Heb. 1, 1 ff.; Lk. 1, 1 ff. —
Volkstümliche Wendungen fehlen nicht: Ag. 12,20 er hatte einen
gewaltigen Zorn. Glücklich finde ich unteT vielen anderen folgende
Übersetzungen einzelner Wörter: tXaotrjmnv Sühnemal Rom. 3,25
(anders Anm.: Sühneopier }, yoyyvaiing laute Unzufriedenheit
Ag. 6,1, doyri Zorngericht Rom. 13, 4 f. Nicht ganz textgemäß ist
m. E. Xnyoi Erzählungen Lk. 1,4, nicht begründbar das Wortspiel
.-rooofjAuroc Überläufer Mt. 23,15. — Gelegentlich kann man fragen,
ob eine Fußnote eine gewisse Korrektur der Übersetzung andeuten
soll: Mk. 10,45 Übersetzung für viele, Note „besser . . . ,für die
Vielen'"; Joh. 3,3 Übersetzung wiedergeboren, Note von oben;
Lk. 17,21 Übersetzung inwendig in euch, Note zu V. 21 f.: mitten
unter euch; Rom. 5, 20 Übersetzung damit die Übertretung voll
werde, Note: und demzufolge steigerten sich nur noch die
Übertretungen (entsprechend damit —und so Joh. 17,12); Rom. 6,3
Übers., m.E. richtig, auf seinen Tod getauft (entsprechend Gal. 3,28
auf Christus getauft), Note: „wörtlich ,in den Tod hineingetaucht'"
(das ist natürlich nicht dasselbe; entsprechend Ag. 19,3; die bildräumliche
Interpretation des tk auch zu Ag. 2, 38); vgl. auch l.Kor.
16,22 Text Maran atha, Note: unser Herr, komm!

Den Abschnitten ist jeweils eine Überschrift vorangestellt;
häufig ist in ihnen in den Fußnoten eine zusammenfassende
Deutung gegeben. Im übrigen werden zahlreiche Einzelheiten
vor allem zeitgeschichtlich und biblisch-theologisch erläutert,
weithin zutreffend zumal in der Verwertung des Ertrags der
neueren Arbeit am NT.

Sie geschieht auch in Sätzen wie diesen: Lk. 18, 1—8 ist „nur als
Ganzes, nicht in den Einzelheiten" zu deuten (ähnlich zu Mt. 25, 1—30),
zu Mt. 8,28—34: „Wieviel von Volksanschauungen in diese Erzählung
eingegangen ist, kann nur eine sorgfältige religionsgeschichtliche Forschung
feststellen". Zu Mt. 13,42 heißt es:„Jesus spricht hier in der
Sprache des damaligen Volkes, das sich . . . den Zustand . . . der Gottesferne
auf kindliche Weise auszumalen pflegte"; zu Mt. 19, 3 ff.: bei
dem „Zusatz" (Ehebruchsklausel) hier und Mt. 5. 32 handelt es sich
„um Rücksicht auf judenchristliche Leser" — zu Mt. 5, 32 freilich:
„Durch den Ehebruch wird wohl die Trennung, nicht die Scheidung zulässig
". Abstimmungen auf katholische Auffassungen begegnen vor
allem zu den Aussagen über Maria („die in ihrem ganzen Leben am
vollkommensten dem Willen Gottes entsprach", zu Mt. 12,46 — 50;
„Aufnahme der Gottesmutter in den Himmel" als Ausnahme von der
„Auferstehung des Fleisches erst am Jüngsten Tage", zu Mt. 27, 51—53,
usw.) und, z. T. von daher, über die Brüder Jesu (die — um der bleibenden
Jungfräulichkeit Marias willen — entfernte Verwandte Jesu
sind, zu Mt. io, 3 u. ö.) 60wie über Petrus: sie klingen auch in der
Interpretation von Aussagen über die Kirche (selbst zu Joh. 11,52:
„Hier wird die universale, die katholische Aufgabe der Kirche bezeichnet
"), die Gnade usw. (Erbsünde in Rom. 5, 12 ff. „eindeutig, obschon
mittelbar", dazu im Register: „im Ansatz"; auf 1. Kor. 3, 11 — 15
„stützt sich die katholische Lehre von der Läuterung nach dem Tode")
an (vgl. etwa auch zu Joh. 21.25: ..Schon die mündliche Lehre und
Predigt der Apostel, die unter dem Beistand des Hl. Geistes durch die
Tradition in der Kirche fortlebt, war inhaltsreicher als die Heilige
Schrift"; zu Ag. 8. 17: „Daß diese Handauflegung sakramental gemeint
war, lehrt uns die Kirche"). — Zu den Evangelien wird öfters
auf Unterschiede in der Berichterstattung hingewiesen: Versuche, sie
zu harmonisieren, fehlen nicht.

„Die Übersetzung basiert auf dem griechischen Urtext, berücksichtigt
aber auch den Text der Vulgata . . . auf unsichere Lesarten ist
in den Anmerkungen verwiesen" (S. 4). So werden nur in diesen 6olche
Stellen wiedergegeben wie Mt. 18, 11; Mk. 11, 26; Lk. 17, 36; Ag. 8, 37
(Note: „älteste Bestandteile der Liturgie"), das sog. Komma Johanne-
um, ebenso z.B. der Zusatz im Reichstext usw. zu Lk. 9, 55, während
der zu V. 54 bzw. 56 überhaupt nicht beachtet ist (V. 54 fehlt er in
Vulg.). Zu Joh. 5, 3b. 4 wird bemerkt: „ . . . fehlen in einigen Handschriften
und 6ind unecht"; das Stück ist aber in den Text aufgenommen
. Im Text von Mk. 9, 29 ist und Fasten in Klammern gesetzt
und in einer Fußnote bemerkt: „Der Zusatz ... fehlt in vielen Handschriften
". Zu Lk. 3, 22 wird in einer Note die Fassung nach Ps. 2, 7
angeführt, zu Rom. 5, 1 der Indikativ (fyourv). Zu Lk. 2, 5 verlobte
Gattin wird gesagt, daß die richtige Lesart „nicht mit Sicherheit festzustellen
" ist — usw.

In einem Anhang werden zuerst Einleitungsfragen zu den
einzelnen Schriften kurz erörtert (S. 773—792). Die weiteren
Beigaben „wurden von Paul Hoffmann zusammengestellt"
(S. 4): zunächst ein Verzeichnis der „Lesungen und Evangelien-
perikopen im Kirchenjahr", sodann eine synoptische Tabelle,
in der die Abfolge der Texte in jedem der Synoptiker durch
Fettdruck der Stellen gekennzeichnet ist; die Synopse von
Huck-Lietzmann-Opitz hat hier wohl Anregungen gegeben;
die Perikopen sind öfter zu Gruppen zusammengeordnet.
Schließlich hat Hoffmann ein eingehendes „Bibeltheologisches
Register" erarbeitet (S. 825—901), durch das dem Leser das
NT unter den wichtigsten Stichwörtern (es sind immerhin
außer den reinen Verweiswörtern rund 135) erschlossen wird,
in ziemlich eingehender Bearbeitung des Materials, das mehrfach
in größeren Gruppen geordnet ist. Spezifisch Katholisches
tritt m. E. hier wenig hervor, selbst in dem Artikel Simon
Petrus, der freilich als einziger einem Apostel gewidmet ist.
Wir können hier nicht hervorheben, was uns (etwa sub
Glauben, Leben, Werk) sachgemäß gefaßt zu sein scheint.

Das letzte gilt auch von den Erläuterungen zum Text.
Meinten wir, daß hier zu Einzelheiten mehrfach Kritisches
bemerkt werden könnte, so ist zu dem Ganzen zu sagen, daß
es methodisch gut angelegt und auch in der Ausführung weithin
gelungen ist. Besondere Beachtung kommt, wie angedeutet,
m. E. der ausgewogenen, weder eigentlich feierlichen, etwa
archaischen, noch künstlich modernen, etwa gar journalistischen
Übersetzung zu, die offenbar großen- bzw. größtenteils auf
Tillmann zurückgeht. Vorausgesetzt ist in allen Teilen ein Leser
des NTs, der Ansprüche stellt und an den auch solche gestellt
werden können, jedenfalls hinsichtlich seines Willens zu arbeiten
— auch das scheint mir ein Vorzug einer modernen deutschen
Ausgabe des NTs zu sein.

Halle/Saale Gerhard D c 11 i n s

Robinson, John A. T.: Twelve New Testament Studies. London:
SCM Press [1962]. 180S. 8° = Studies in Biblical Theology, No. 34.
13 s. 6 d.

Die Aufsätze dieses Bändchens sind bereits in verschiedenen
Zeitschriften veröffentlicht. Als Motiv seiner Schriftstellerei
bezeichnet der Verfasser, jetzt Bischof von Woolwich (London),
Neugier angesichts eingewurzelter Hypothesen und strittiger
Probleme. Er schreibt in englischem Konversationsstil, schlägt
teils aus der Mode gekommene, teils gängige, teils neue und
merkwürdige Lösungen mit konservativer Tendenz vor. Methodische
Skrupel beschweren ihn nicht. Seine Probleme entstehen
oft aus dem unbefangenen Historismus, mit dem er die Evangelien
als Geschichtsquellen ausforstet.

Eine kurze Inhaltsangabe (in Auswahl) genügt:
Ein Aufsatz über das Verhältnis des Täufers zur Qumran-Gruppe
betont m. R. die Schwierigkeiten, die sich der Ableitung seiner Taufe
aus der jüdisdien Proselytentaufc in den Weg stellen. Zum Verhältnis
zwischen lohannes und Jesus: Dieser hielt sich zunächst für den Elia
der Endzeit. Dann revidierte er jedoch sein Selbstbewußtsein, was den
Täufer zur Frage veranlaßte: „Bist du, der da kommen soll?" Die
Elia-Prädikation übertrug Jesus von sich auf den Täufer. In AG 3,
12—26 glaubt der Verfasser noch die Spuren dieser urtümlichen Elia-
Christologie, die auch nach Jesu Tod nicht sofort verweht wurden,
zu entdecken. Dem Johannes-Evangelium traut er einen hohen Geschichtswert
zu und weiß sich dabei in Übereinstimmung mit Tendenzen
, die durdi die Qumran-Funde angefacht wurden. In der Begrün-