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Ausgabe:

1964

Spalte:

462

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Titel/Untertitel:

Heirmologion katabasiōn tu holu heniautu argon te kai syntomon Iōannu Prōtopsaltu 1964

Rezensent:

Onasch, Konrad

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 6

462

tragende liturgische Reformen in Angriff genommen hat;
andererseits zeige sich auch im Protestantismus, daß Liturgie
und liturgische Erneuerung heute ein gemeinchristliches Anliegen
sind. Aus dieser Situation ergibt sich für Kl. die Aufgabe,
,,unser liturgisches Erbe zu überprüfen und die uns gestellten
Zukunftsaufgaben ins Auge zu fassen" (S. 13). Diese Überprüfung
geschieht im ersten kleineren Teil der Vorlesung auf dem
Wege eines geschichtlichen Rückblicks, der die Entwicklung
seit Aeneas Silvius Piccolomini, also seit dem Ausgang des
Mittelalters, überschaut. Kl. stellt zunächst dem frühchristlichen
Gottesdienst, in welchem die Einheit von Bischof und feiernder
Gemeinde die Einheit des Leibes der Kirche und seine Einheit
mit dem himmlischen Herrn widerspiegelt, die spätmittelalterliche
Messe gegenüber, in der die Gläubigen von der ursprünglichen
aktiven Beteiligung ausgeschlossen sind und ihrer privaten
Devotion nachgehen. Die gleichzeitige Fülle der „Privatmessen
" ist das deutlichste Signum dieses Zustandes. Es wird
aufgezeigt, wie es zu dieser Entwicklung gekommen ist und
wie sie sich bis hinein in den Kirchbau, den gotttesdienstlichen
Gesang, ja, die Gestaltung der liturgischen Kleidung ausgewirkt
hat. Veranlaßt durch die Kritik der Reformatoren hat das
Trienter Reformkonzil wohl alle Einwendungen gegen die überliefe
rte Liturgieform und alle Reformideen gesammelt, aber
dann doch nur einige grobe Mißbräuche untersagt. Die Gründung
der Ritenkongregation hat die geltende Praxis weiter
verfestigt (1 5 8 8), indem die neue Behörde die liturgischen Vorschriften
als Rechtsordnung betrachtete und nach juristischen
Methoden auslegte. Gegenüber einer weiteren Entfremdung der
Liturgie von ihrem ursprünglichen Sinn und Zweck durch die
Gegenreformation haben sich die Aufklärer auch darin besser
als ihr Ruf gezeigt, daß sie die Richtigkeit des herkömmlichen
liturgischen Gefüges in Zweifel zogen. Demgegenüber bedeutet
die kritiklose Bewunderung aller aus dem Mittelalter überkommenen
Formen durch die Romantik einen Rückschritt.
Immerhin weckte sie den historischen Sinni, und 60 erwachte
allmählich bei Geistlichen und Laien die Frage nach der ursprünglichen
Bedeutung jeder liturgischen Handlung. Den Wendepunkt
bezeichnet aber erst die Forderung Pius. X., den liturgischen
Gesang, und zwar in Form des gregorianischen Chorals,
dem liturgischen Geschehen einzuordnen, und die Empfehlung
öfterer, ja, täglicher Teilnahme am eucharistischen Opfermahl
. Als Auswirkungen der liturgischen Bewegung unseres
Jahrhunderts haben zu gelten: das aktive Mitopfern der Gläubigen
bei der Messe als deren erneute Pflicht — infolgedessen
können Gemeinden den jahrhundertelang von Ministranten geübten
Part übernehmen, ja, sogar die liturgischen Gesänge wie
in der Frühzeit —, die Predigt als Auslegung der liturgischen
Lesungen oder als „Feierrede" in bezug auf das Kirchenjahr,
die regelmäßige Kommunion vieler Gläubigen. Dem in neuen
Gotteshäusern in den Mittelpunkt gerückten Altar muß freilich
erst noch die Zelebration durch den hinter dem Altar stehenden
Priester entsprechen, um der Gemeinde zu ermöglichen, der
liturgischen Handlung am Altar mit den Augen folgen zu können
. In der Sakramentenliturgie sind die bewußte Gestaltung
der Taufe als Aufnahmeritus und die Möglichkeit, die Sakramente
zu einem wesentlichen Teil in der Volkssprache zu spenden
, hervorzuheben. Von hier aus ergibt sich im Teil II der
Vorlesung die Frage: „Was ist heute und in der nächsten Zukunft
zu tun?" Vor jedem heute oft geforderten radikalen
Bruch mit der liturgischen Tradition warnt der große Gelehrte
als vor einer Torheit; „denn eine jeweils neue, völlig auf die
Zeitbedürfnisse zugeschnittene Liturgie wäre — abgesehen davon
, daß die Meinungen über das, was zeitgemäß ist, weit auseinandergehen
würden — nicht von heute auf morgen zu
schaffen. Liturgie wächst, Liturgie wird nicht gemacht" (S. 28).
Dies wird nun nachgewiesen, um zu der Frage zu veranlassen:
■ .Warum sollen nicht auch wir ergänzen und weiterbauen
dürfen?" Die Erkenntnis der einstigen Grundlinien der liturgischen
Riten wird gleichzeitig zu deren Umbau Mut machen
müssen. Zugleich wird man die missionarische Wirkungskraft
des liturgischen Geschehens von Hemmungen freizumachen nahen
. Von da aus weist Kl. Schwerpunkte künftiger Arbeit an
der Liturgie auf. Er will sie, ohne einer Beurteilung durch die

Autorität der Kirche damit vorgreifen zu wollen, als Diskussionsgrundlage
verstanden wissen: Erstens wird die Frage der Liturgiesprache
zu lösen sein. Hier bekennt sich Kl. zu einer bereits vor
zwanzig Jahren geäußerten Erwartung A. Baumstarks: „Am
Ende der liturgischen Bewegung wird das Ende der lateinischen
Liturgie stehen". Nach Jahrzehnten intensiver Liturgieforschung
wird (zweitens) eine Erneuerung des Meßritus unumgänglich;
die kritischen Punkte werden aufgezeigt. Als drittes scheint
dem Forscher eine Reform selbst des Canon missae notwendig.
Viertens lassen die Lesungen im Meßbuch viel zu wünschen
übrig. Man sollte zu neuen Perikopenreihen kommen, die in
etwa drei Jahren alle wesentlichen Stücke des Neuen Testamentes
bringen und auch das Alte Testament wieder zu seinem
Recht kommen lassen. Das Kirchenjahr bedarf (fünftens) in der
Periode nach Pfingsten einer inneren Durchgestaltung. Sechstens
muß der Taufritus, der heute die Riten der einstigen Erwachsenentaufe
als eines zeitlich gestreckten Geschehens zusammenfaßt
, im Zeitalter der Kindertaufe weiter gekürzt und umgebaut
werden. Erwachsenentaufen sollten wieder ihren Ort in
der Feier der Osternacht finden. Die Taufe sei mit frischem,
womöglich fließendem Wasser zu vollziehen. Kritik und Forderungen
ergeben sich heute gegenüber (siebentens) dem Kirchbau
. Ein achter Abschnitt wendet sich auch der Paramentik zu,
die Kl. „im großen und ganzen auf gutem Wege" glaubt. Das
der Reformation so anstößige Problem (neuntens) der Privatmessen
hält Kl. heute für „weitgehend von selbst erledigt".
„Der Gemeinschaftsgedanke hat sichtbar über den religiösen
Individualismus gesiegt" (S. 46). Zusammenfassend gilt trotz
der Notwendigkeit, unter diesem Thema wesentlich von Mängeln
der gegenwärtigen Liturgie zu sprechen, für KL: „Wenn
wir uns forschend, pflegend, schützend und auch reformierend
um diese Liturgie bemühen, dann geschieht es, weil wir 6ie bewundern
und lieben, und weil wir sie gerne wieder in ihrem
alten Glänze leuchten sähen" (S. 46).

Diese bedeutende Vorlesung erscheint mir geeignet, dem
nicht mit der Materie Vertrauten zu Bewußtsein zu bringen,
welche bedeutsamen Vorgänge sich heute im liturgischen Leben
der römischen Kirche vollziehen. Dem Kenner vermittelt das
Gebotene nicht nur eine zusammenfassende Überschau von
hohen Graden, sondern dank ausgedehnter Nachweise in den
Fußnoten empfängt er wertvolle Anregungen zu weiterer
Detailforschung.

Greifswald William Nagel

Protopsalti s, Joannis: Eig/ioXöytov. [Heirmologion]. Neapolis/
Kreta: Polychronakis o. J. [1960], VI, 719 S. 8°.

Aus einer Reihe von griechischen Veröffentlichungen zur
Liturgie, die von der Redaktion dieser Zeitschrift für einen größeren
Sammelbericht angefordert war, erreichte uns leider nur
die vorliegende Publikation. Es handelt sich dabei um ein
„Heirmologion", d. h. jenes orthodoxe Kultusbuch, das die
Hirmoi, oder Leitverse, der ihnen folgenden Troparien des im
Morgengottesdienst gesungenen Kanons enthält. Die auch für
wissenschaftliche Zwecke benutzte beste Ausgabe des griechischen
Heirmologions von S. Eustratiades erschien 1932 in Chennevieres
sur Marne. Die vorliegende Ausgabe soll vornehmlich praktischen
Zwecken dienen. Sie enthält neben den Hirmen und Ka-
nones noch eine Fülle anderer Hymnenstücke, wie den berühmten
Akathistos die Hymnen des Totenoffiziums ( NexQmat/nog
axoXovßia), Kathismata, Proshomoia, Stichera, Katabasiai u. a.
Den Texten sind Neumen, nicht moderne Notenschrift, übergedruckt
, so daß der Leser leicht z. B. die melismatische Ausschmückung
und Zerdehnung der Vokale studieren kann.

Halle/Saale Konrad O n a sc h

Jungmann, Josef Andreas, S. J.: Die Stellung Christi im liturgischen
Gebet. 2. Aufl. Photomedianischer Neudruck von Liturgiegeschichtliche
Forschungen H. 7—8 mit Nachträgen des Verfassers. Münster/W.:
Aschendorff [1962]. XXIV, XVI, 256 S. gr. 8° = Liturgiewissenschaftliche
Quellen und Forschungen, hrsg. v. O. Heiming, H. 19/20.
Kart. DM 23.50.

Es ist sehr zu begrüßen, daß J. A. Jungmann's Habilitationsschrift
aus dem Jahre 1925 nun mit Nachträgen in photo-