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Ausgabe:

1964

Spalte:

446-449

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Sartory, Thomas

Titel/Untertitel:

Mut zur Katholizität 1964

Rezensent:

Kühn, Ulrich

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Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 6

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Introductio von J. Alberigo sowie die jeweils 2—3 Seiten umfassenden
Prolegomena zu den einzelnen Konzilien sind in
lateinischer Sprache abgefaßt. Das Buch versteht sich als Quellenbuch
mit primär philologischer Zielsetzung. Für die ersten vier
ökumenischen Konzilien stützen sich die Herausgeber auf die
von E. Schwartz edierten Acta Conciliorum oecumenicorum
' (1927 — 32). Für das 5. und 7. Konzil muß Mansis Ausgabe
herangezogen werden, das 6. Konzil wird nach Labbäus (1671)
zitiert, während für das 8. Konzil teils auf die Editio Romana
zurückgegriffen wird, während anderenteils die seit 1962 erscheinenden
Canons des conciles oecumeniques (ed. Joannou)
schon benutzt werden konnten. Die Beschlüsse der ersten acht
Synoden werden zweisprachig abgedruckt. So läßt sich bequem
erkennen, wie etwa die griechischen Begriffe Hypo6tasis und
Ousia (Nicäa 325) in der lateinischen Überlieferung mit
Subsistentia sive substantia oder nach anderer Lesart mit sub-
stantia sive essentia wiedergegeben wurden (S. 4/5). Die Unterscheidung
des 2. Nicänjums von 787 zwischen Proskynesis der
Heiligenbilder und Latreia Gottes wird in der lateinischen
Übersetzung korrekt wiedergegeben mit der Unterscheidung
von adoratio und latria (S. 112). Der Kanon 2 des Frankfurter
Konzils 794 gegen die Heiligenbilder erscheint bei dem hier
vorgelegten lateinischen Text schwer begreiflich. Zweisprachige
Texte erscheinen später noch beim Florentiner Konzil: Die
Union mit den Armeniern 1439 (S. 510—35 unter Rückgriff auf
A. Balgy, Historia doctrinae catholicae inter Armenos unio-
nosque eorum cum Ecclesia Romana in Concilio Florentino,
1878), sowie die Union mit den Kopten 1442 (S. 543—59 unter
Rückgriff auf E. Cecconi, Studi storici sul concilio di Firenze,
1869). Alle übrigen Beschlüsse liegen nur in lateinischer Sprache
vor. Für das 2. und 4. Laterankonzil konnten die Herausgeber
auf die Editio Romana zurückgreifen. Für das 1. Laterankonzil
wird ein neuer Text geboten, der besonderes Interesse beanspruchen
darf, da er vom Text der Monumenta Germaniae
historica bewußt abweicht (S. 165). Für das dritte Lateranense,
die Konzilien von Lyon 1245 und 1274 sowie das Konzil von
Vienne 1311 — 12 klagen die Herausgeber über mancherlei
Schwierigkeiten in der Textüberlieferung, denen sie in zum
Teil etwas eigenwilliger Weise begegnen. Die neueren Konzilien
boten weniger Schwierigkeiten: H. v. d. Hardt bot 1700
den noch heute gültigen Text des Konstanzer Konzils (S. 380),
die Baseler Beschlüsse werden nach Mansi zitiert, für das
Florentiner Konzil kann auf eine seit 1940 in Rom erscheinende
Edition verwiesen werden (S. 430). Für das 5. Laterankonzil,
das Tridentinum und das erste Vatikanum bestehen vollends
keine größeren textkritischen Probleme. Als Quellenband wird
man das vorliegende Buch neben den altbewährten Denzinger
einordnen können.

Sachfragen, wie sie gerade im Anschluß an neuere Darstellungen
der Konzilsgeschichte (ThLZ 1962, Sp. 721—30) auftauten
, will der Band nicht erörtern. Ausdrücklich formuliert
Jedin: „Disputariones de vi et pondere textuum, de theologicis
et juridicis quaestionibus, omnino esse omissas" (S. VIII). Dennoch
drängen sich bei solchem Quellenband Probleme auf:
Warum bezeichnet man gerade diese Synoden als „ökumenisch"
und grenzt sie damit von anderen Synoden ab? Das Buch verschweigt
diese Problematik nicht: „Sine dubio autem quaestio-
num de conciliorum oecumenicitate ut quaestionum omnium
summam et gravissimam perpendimus usque ab praeparatoriis
hujus operis investigationibus; neque tarnen rem hic exsolvi
posse clare patet" (J. Alberigo, S. XVI). Im Zusammenhang
damit stellt sich die Frage nach dem Verhältnis zwischen Papst
und Konzil. Es wird gleich in der Praefatio von H. Jedin angerührt
unter Hinweis auf die Rolle Petri auf dem Apostelkonzil
Apg. 15 (S. IX). Die Prolegomena zu den ersten 8
Konzilien lassen klar erkennen, daß es sich fast nur um ostkirchliche
Angelegenheiten gehandelt hat. Gerade der Abdruck
des Briefes der ostkirchlichen Synode von 382 an die gleichzeitig
in Rom tagende abendländische Synode unterstreicht
diese Eigenständigkeit der Ostkirche nur noch (S. 21—26). Obwohl
Papst Leo d. Gr. auf die Entscheidungen der Ostkirche
relativ großen Einfluß genommen hat, wird er von den Synodalen
in Chalkedon doch nur als „archiepiskopos" bezeichnet

(S. 61). Der Kanon 28 von Chalkedon „Votum de primatu
sedis Constantinopolitanae" wird abgedruckt (S. 75/76). Die
Vergewaltigung des Papstes Vigilius 553 durch die 5. ökumenische
Synode des Kaisers Justinian wird zwar möglichst harmlos
erwähnt (S. 81), läßt aber immer noch Einiges von den
Spannungen jener Epoche erkennen. Zur Verurteilung des Papstes
Honorius durch die 6. ökumenische Synode wird in einer
Fußnote bemerkt: „Haec damnatio . . . magnam famam habuit
et multas oppositiones suscitavit" (S. 101). Vom 2. Nicänum
wird offen gesagt: „Pontificis legati praefuerunt ac primi acta
subscripserunt; re autem Tarasius praefuit" (S. 107). Bezüglich
des 8. Konzils liest man, daß es in der kirchenrechtlichen Tradition
des Ostens nicht anerkannt wird: „Ejus acta et canones
ab ipsis prorsus ignorantur" (S. 133). Das ist eine Mitteilung,
die auch den aufhorchen läßt, der die Problematik der Zählung
dieses Konzils nicht kennt. Für das 1. und 2. Laterankonzil
gilt: „De ejus oecumenicitate non sine causa dubitatur"
(S. 163 bzw. 171). Selbst das glanzvolle 4. Laterankonzil wird
mit der Feststellung belastet: „Nullus autem Graecus interfuit"
(S. 204). Das Konzil von Vienne 1311/12 stand so unter dem
Druck des französischen Königs, „ut totius ecclesiae res ad
6uum nutum movisse videatur" (S. 309). Die Problematik des
Konstanzer Konzils wird nicht verschwiegen; der damalige
Papst Johannes 23., der jenes Konzil einberief, wird in der
Eröffnungsbulle als rechtmäßiger Papst genannt (S. 381), die
Herausgeber nennen ihn „Pontifex Pisanus" (S. 379). Das Dekret
Frequens wird abgedruckt (S. 414/15). Das Baseler Konzil
gilt als ökumenisch bis zu seiner 25. Sitzung (S. 429). Die
päpstliche Bulle Dudum sacrum, die der konziliaristischen Strömung
weithin entgegenkommen mußte, wird erwähnt (S. 452).
Es wird deutlich, wie sich auch die Baseler Konzilsväter um
eine Union mit der Ostkirche bemühten (S. 454, 486/88). Es
wird zugegeben auf S. 488, daß 1437 nur eine Minderheit Basel
verließ, aber auf S. 489 folgt die Sessio I von Ferrara. Bezeichnend
ist die Gesamtüberschrift jenes Kapitels: „Concilium
Basileense-Ferrariense-Horentinum-Romanum — 1431/45". Vom
5. Laterankonzil wird offen gesagt: „Constat episcopos num-
quam frequentes concilio interfuisse . . . ita ut de oecumenicitate
concilii ipsius saepe disputatum sit" (S. 569). Die Abneigung
der Päpste gegen das Konzil in der Reformationszeit
wird in den Prolegomena zum Tridentinum nur vorsichtig gestreift
(S. 633/34); hier war Jedin in seiner Geschichte des
Konzils von Trient (I, 1950) deutlicher gewesen. Dafür wird in
den Prolegommena zum 1. Vatikanum klar ausgesprochen, daß
die Annahme des Unfehlbarkeitsdogmas „accerrimas gravissimas-
que controversias excitavit, quo factum est ut, praesertim apud
Germanos, quidam ab ecclesia recesserint, qui ,veteres catho-
Hci' (Altkatholiken) dicuntur" (S. 777). Andererseits kann man
gerade das 1. Vatikanum als wirklich ökumenisch bezeichnen:
„Tunc primum etiam episcopi ex regionibus extra Europae fines
adfuerunt" (S. 777). So wird man den vorliegenden Band nicht
nur als Quellensammlung schätzen, sondern auch die sachliche
Art der Kommentierung begrüßen, die uns die jeweiligen
Probleme erkennen läßt.

Rostock Gert Haen die r

Sartory, Thomas, OSB: Mut zur Katholizität. Geistliche und theologische
Erwägungen zur Einigung der Christen. Salzburg: O.Müller
[1962]. 475 S. 8° = Reihe Wort und Antwort, Oekumenisches Gespräch
, hrsg. v. Th. Sartory, Bd. 29. Kart. öS 89.—.

Thomas Sartory ist Mitte des vergangenen Jahres (1963)
mit dem Einverständnis seiner Oberen aus der Abtei Niederaltaich
und aus dem Benediktinerorden ausgeschieden, um sich in
neuem Rahmen an der Universität Salzburg, an der er inzwischen
Professor wurde, und im priesterlich-6eelsorgerlichen Dienst,
sowie wie bisher durch Publikationen und Vorträge ganz der
ökumenischen Aufgabe zu widmen. Gleichwohl ist sein Name
noch untrennbar mit Niederaltaich verbunden, wo er im „Haus
der Begegnung" seit 1957 regelmäßig geistliche Einkehrtage für
Glieder verschiedener Konfessionen durchführte. Das vorliegende
Buch, noch vor dem Ausscheiden aus dem Orden geschrieben
und schnell und mit großer Freude innerhalb und außerhalb
der katholischen Kirche aufgenommen, darf in besonderer Weise