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Ausgabe:

1964

Spalte:

441

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Meyer, Gerhard

Titel/Untertitel:

Johann Conrad Weiz 1964

Rezensent:

Kantzenbach, Friedrich Wilhelm

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441

Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 6

442

Meyer, Gerhard: Johann Conrad Welz. Ein Beitrag Herrnhuts zum
sdiwäbischen Pietismus im Anfang des 19. Jahrhunderts. Wuppertal:
Brockhaus [1962]. 168 S. 8° = Aus der Welt der Erweckung, hrsg.
v. E. Beyreuther, Bd. II. Lw. DM 9.80.

Johann Conrad Weiz (5. 6. 1780 — 2. 4. 1857) wird von dem
früheren Bibliotheksdirektor G. Meyer anschaulich vorgestellt.
Dazu dienen eingestreute Texte, die weniger einen selbständigen
pietistischen Laientheologen Herrnhuter Prägung als einen
originellen volkstümlichen Prediger und dessen Lebensarbeit
beleuchten können. Wertvoll sind besonders Reiseberichte von
Weiz, die im Unitätsarchiv Herrnhut aufbewahrt werden. Von
der umfangreichen Korrespondenz sind leider nur geringe Reste
erhalten geblieben (159). Obwohl Weiz ein vielgereister Mann
war — er lernte auch Rußland genauer kennen —, blieb er doch
geistig ganz in der Herrnhuter Brüdergemeine verwurzelt, der
er 1809 beitrat. In der Königsfelder Brüdergemeine stieg Weiz
bald nach 1811 zu einer angesehenen Stellung auf, wenn auch
seine Buchbinderwerkstatt zunächst noch Ort seines beruflichen
Wirkens blieb. Seit 182 3 arbeitete er in verschiedenen Zweigen
der „Inneren Mission" mit; seine besondere Liebe gehörte der
Judenmission. Als württembergischer Diasporaarbeiter hat Weiz
1831 schon 119 Plätze besucht, an denen eine oder mehrere
Gemeinschaften bestanden. Meyer teilt zahlreiche Einzelheiten
über das württembergische Gemeinschaftsleben mit und regt
damit zugleich eine völlige Neubearbeitung des veralteten Werkes
von Palmer an. Neben den Altpietisten standen dem
Herrnhuter Weiz die Michelianer am nächsten. Den Mitteilungen
Meyers über die seelsorgerliche Arbeit Weizens sind wertvolle
personengeschichtliche Nachrichten aus der Zeit der Erweckung
zu entnehmen. Chr. A. Dann, die Brüder Hofacker, Chr. Gottlob
Barth, Albert Knapp u. a. württembergische Erweckungstheologen
begegnen in alten und neuen Beziehungen; ausführlich wird
erstmals Weizens enges Vertrauensverhältnis zur Herzogin
Henriette von Württemberg dargestellt. (Unter Verwertung der
Quellen bei Ledderhose, Weiz, Gnadau 1876.) Meyers Arbeit
müßte auch noch für andere Persönlichkeiten im Zeitalter der
Erweckung geleistet werden. Für den Baron von Kottwitz und
seinen Kreis, der eine norddeutsche Parallele zu dem württembergischen
Diasporakreis darstellt, ist sie bereits getan. Die Bedeutung
der Erweckungsbewegung für das kirchliche Leben
Deutschlands wird auf solche dokumentarische Weise eindrucksvoll
klargestellt.

Ncuendeüolsau Friedrich Wilhelm Kantzenbach

Härder, Günther, u. Wilhelm Niemöller [Hrsg.]: Die Stunde
der Versuchung. Gemeinden im Kirchenkampf 1933—1945. Selbstzeugnisse
. München: Kaiser 1963. 472 S. 8°. Lw. DM 16.80.
Die meisten bisherigen Veröffentlichungen zur Geschichte
des Kirchenkampfes haben diese nach bewährter Art „von
oben" gesehen dargestellt. Wir wissen viel, wenn gewiß auch
nicht alles, von den Bruderräten, von den Synoden, haben
,,Worte", „Erklärungen" und ähnliche Kundgebungen zu lesen
bekommen, dabei auch manches von den nicht immer erbaulichen
inneren Kämpfen erfahren, an denen es bekanntlich
nicht gefehlt hat, aber wie es „unten", in den „bekennenden"
Gemeinden aussah, wo es doch um die eigentliche Bewährung
ging, von der das brüderliche Führungskorps letztlich getragen
wurde, davon hat man nur gelegentlich, in den bekannten
größeren Darstellungen so gut wie gar nichts vernommen.
Kirchengeschichte lernt man aber nur sehr unzulänglich aus den
Papieren von Leitungsgremien kennen, zumal wenn es sich um
Zeiten handelt, in denen die Existenz ganzer Gemeinden auf
dem Spiele steht. Auch theologische Bekenntnisse haben da
allenfalls die Rolle von Bordkanonen auf einem havarierten
Schiff; man möchte aber doch gern wissen, wie es im Bauch
desselben aussieht. Hier war man bisher weithin auf private
Einzelkenntnisse angewiesen, die vereinzelt durch LokaldaT-
stellungen eine Ergänzung fanden. So kann man es den beiden
Herausgebern des oben gen. Sammelbandes nicht genug danken,
daß sie schon vor mehreren Jahren daran gingen, in Gemeinden
alles das zu sammeln, was hier an Aufzeichnungen vorlag, bzw.
solche, die den Kirchenkampf nicht im Generalstab, sondern
an der Front miterlebt haben, um Niederschrift ihrer Erinnerungen
zu bitten. Die Frucht dieser Bemühungen ist der vorliegende
Band, der nun aus jedem deutschen Land einen für
diesen charakteristischen Bericht enthält. Daß die Stimme der
Nichttheologen nicht so zum Erklingen kommt, wie man es
gewiß wünschen möchte, wird einfach mit realen Gegebenheiten
zusammenhängen. Aber das ist doch an diesen, keineswegs
uniformen, Berichten das Schöne, daß in jedem die jeweilige
Gemeindesituation zu Worte kommt. Man vernimmt nirgends
die „führende" Stimme eines Amtsträgers, sondern sieht Gemeinde
im Kampf des Alltags. Dabei gibt es dramatische Szenen,
denen gegenüber die Vorgänge auf der „klassischen" Räubersynode
von 449 zu verblassen scheinen. Manches liest sich wie
ein spannender Kriminalroman, in anderen Berichten geht es
gedämpfter, wenn auch nicht weniger entscheidungsreich zu.
Weil diese Berichte den Erdgeruch der kirchlichen Wirklichkeit
tragen, wird auch nirgends die Posaune des Triumphes geblasen
. Man weiß, daß man von Tag zu Tag von* der Barmherzigkeit
Gottes leben mußte, und daß die menschliche Schwäche oft
stärker zu ihrem Recht kam als die Tat des Glaubens. So fehlt
es auch nicht an Tönen der Resignation, wie etwa in dem
Bericht aus Elberfeld, in dem besonders nachdrücklich nach dem
gefragt wird, was denn der Kirchenkampf für die Kirche nach
1945 erbracht habe. Genug: die Bilder sind so mannigfaltig und
zugleich so von Leben gesättigt, daß eine auch nur bescheidene
Wiedergabe des Inhaltes dieses Buches den mir gesetzten Raum
sprengen würde. Ein kleineres Versehen möchte ich anmerken.
Auf S. 312 wird der Niemöller-Empfang bei Hitler als nach
der Dahlemer Synode, im Januar 1935 stattgefunden, dargestellt
. Er ist schon Ende Januar 1934 erfolgt. — Im übrigen:
ich glaube, keine künftige Darstellung des Kirchenkampfes,
auch nicht im akademischen Unterricht, sollte an diesem guten
Sammelband vorübergehen.

Berlin Kar! K u p i s c h

Nembach, Ulridi: Die Stellung der evangelischen Kirche und ihrer
Presse zum ersten vatikanischen Konzil. Zürich: EVZ-Verlag
[1962]. 129 S. 8°. DM 8.80.

Der Schrift Ulrich Nembachs liegt eine Doktordissertation
vor der Universität Basel zugrunde. Der Verfasser untersucht
das erste Vatikanum, wie es sich in einer evangelischen Fachzeitung
spiegelt. Er wählt dafür die „Neue Evangelische Kirchenzeitung
" (NEK). Für die Untersuchung hat er die beiden Jahrgänge
1869 und 1870 herangezogen. In sechs Kapiteln versucht
der Verfasser sein Thema unterzugliedern. Das erste Kapitel
stellt dem Leser die Zeitung vor. Sie wurde 1857 in Berlin anläßlich
der dritten Hauptversammlung der „Evangelischen
Allianz" gegründet. Aufschlußreich ist das zweite Kapitel, das
sich mit den Nachrichtenquellen der Zeitung ausführlich beschäftigt
. Der Leser, der unwillkürlich Parallelen zu dem zweiten
Vatikanum zieht, ist überrascht, zu hören, daß den Beteiligten
des ersten Konzils strengstes Stillschweigen auferlegt worden
war. „Wegen dieser Geheimhaltung waren genaue Nachrichten
über das Konzil nur soweit zu erhalten, als sie amtlich herausgegeben
wurden oder die Öffentlichkeit gelegentlich zu Sitzungen
zugelassen wurde. Alle anderen Nachrichten waren nur
mehr oder weniger zuverlässig." Konzilsbeamte, die gegen dieses
Verbot verstießen, wurden abgesetzt; Korrespondenten
wurden teilweise ausgewiesen.

Der Autor läßt die Quellen der von ihm untersuchten
Zeitung ausführlich zu Wort kommen. Auf diese Weise hat der
Leser Gelegenheit, immer wieder Vergleiche zu dem heutigen
Konzil anzustellen. Der Verfasser selber verzichtet allerdings
auf jeden Seitenblick. Die letzten Kapitel befassen sich mit der
Art der Darstellung, mit den Stilmitteln und journalistischen
Hintergründen. Ein besonderer Abschnitt ist der theologischen
Haltung der NEK in ihrer Berichterstattung über das Konzil
gewidmet. Die NEK verfolgte einen Mittelweg, ohne sich jedoch
als Vermittlungstheologie zu verstehen. „Es galt ihr
vielmehr jede wahre Theologie als Vermittlungstheologie, die
die ganze und volle Gotteswahrheit des Evangeliums zu vermitteln
sucht mit der ernsten Wissenschaft und den sittlichen
Interessen der evangelischen Welt."