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Ausgabe:

1964

Spalte:

21

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Noth, Martin

Titel/Untertitel:

Die Welt des alten Testaments 1964

Rezensent:

Jeremias, Joachim

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Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 1

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ALTES TESTAMENT

Noth, Martin. Prof. D. Dr.: Die Welt des Alten Testaments. Einführung
in die Grenzgebiete der Alttestamentlichen Wissenschaft.
4.. ncubearb. Aufl. Berlin: Töpelmann [1962]. XVI. 355 S., 1 Tab.
gr. 8° = Sammlung Töpelmann. 2. Reihe: Theol. Hilfsbücher, Bd. 3.
Lw. DM 28.—.

Bücher, deren Bedeutung in der umfassenden und zuverlässigen
Information über ein weites Gebiet besteht, behalten
ihren Wert nur dann, wenn der Autor den Stoff von Auflage
zu Auflage gewissenhaft ergänzt. M. Noths Die Welt des Alten
Testaments erfüllt dieses Desiderat, wie schon das äußere
Wachstum zeigt ('1940: XVI, 268 S.; a1953: XV, 314 S. =
'1957: erweitert um 6 Seiten Nachträge; *1962: XVI, 355 S.), in
vorbildlicher Weise.

Die erete und zweite Auflage dieses inhaltreichen, klar geschriebenen
und allenthalben exakte Einzelangaben bietenden
Handbuchs der Randgebiete der alttestamentlichen Wissenschaft
hat der Rezensent in dieser Zeitschrift 66 (1941) Sp. 315 und 81
(1956) Sp. 155 besprochen. So kann er sich hier damit begnügen
, den Zuwachs der vierten Auflage an Hand von Beispielen
zu kennzeichnen. Diese wollen nur auf das Wichtigste hinweisen
; ausdrücklich sei vermerkt, daß fast jede Seite die Weiterarbeit
des Verfassers erkennen läßt; besonders dankenswert ist
es, daß die Literaturverweise überall auf den neuesten Stand
gebracht sind.

Der Abschnitt über „Die kartographische Aufnahme
des Landes" (S. 2 f.) hat eine sehr wichtige Ergänzung
erfahren durch die Beschreibung der in der britischen Mandatszeit
hergestellten, auf genauer Vermessung beruhenden Karte.
Diese Karte kommt heute in erster Linie als kartographische
Grundlage für die Geographie Palästinas in Betracht (für Jordanien
: „ 1 : 100000 South Levant Series ", für Israel: „ 1 :
100000 Palestine"). — Neu hinzugekommen ist ein Abschnitt
§ 10,3: „Die Verkehrswege des Landes im Altertum
" (S. 76—8 5), der lehrreiche Erwägungen über den Verlauf
der Nord-Süd-Verbindungen, der Querverbindungen zwischen
ihnen und der Fernstraßen anstellt. Trotz der beklagenswerten
Spärlichkeit der alttestamentlichen Nachrichten über die Verkehrswege
läßt sich mit Hilfe von Rückschlüssen vor allem aus den
Geländeformen, z. T. auch aus dem Verlauf der Römerstraßen
ein Bild entwerfen, das hohe Wahrscheinlichkeit beanspruchen
kann. — In § 22 „Die Heiligtümer" wird über den
1957 nahe der Nordecke der Unterstadt von Hazor gefundenen
Tempel aus der Mittelbronzezeit berichtet, der deshalb besonders
wichtig ist, weil seine Anlage (ein Hintereinander dreier
Räume auf einer Achse) unmittelbar an diejenige des salomonischen
Tempels erinnert (S. 160). — In dem Abschnitt über
die Welt des südlichen Z w e i 6 t r o m 1 a n d e s
(S. 212—214) wird jetzt die Frage gestellt, ob die Akkader des
dritten Jahrtausends eine einheitliche Größe gewesen sind,
weil Beobachtungen W. v. Sodens an ihrer Sprache und ihren
Personennamen vermuten lassen, daß im Laufe des dritten Jahrtausends
eine wesentliche Zuwanderung neuer semitischer Elemente
ins Zweistromland stattgefunden hat. Was die große Zuwanderung
(west-)semitischer Gruppen anlangt, die nach Ausweis
vor allem der Mari-Texte zu Beginn des zweiten Jahrtausends
stattgefunden hat, so wird die Bezeichnung der Neuankömmlinge
als „Ostkanaanäer" (Th. Bauer) oder „Amoriter"
(englischsprachige Forscher) als „wenig sachgemäß" abgelehnt
und stattdessen auf Grund sprachlicher Indizien die Bezeichnung
„Proto-Aramäer" vorgeschlagen (S. 213). — Daß in dem Abschnitt
..Religionen" die Darstellung der ugaritischen
Mythologie ausgebaut (S. 264) und in dem Kapitel über die
Überlieferung des hebräischen Bibeltexte6 den Funden
von Qumran größerer Raum eingeräumt worden ist (S. 276—280),
bedarf kaum besonderer Erwähnung. - Nachträge (S. 323 f.)
berichten u. a. kurz über die neuesten Ausgrabungen in
Ramat Rahel und am Ophel.

Dem Verfasser gebührt Dank dafür, daß er dieses vortreffliche
Handbuch so sorgfältig auf den neuesten Stand gebracht
hat.

Göttingen Jondiim Jeremias

Noth, Martin: Die Ursprünge des alten Israel im Lichte neuer
Quellen. Köln-Opladen: Westdeutscher Verlag [1961]. 42 S. gr. 8°
= Arbeitsgemeinschaft f. Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen,
Geisteswissenschaften, H. 94. Kart. DM 4.50.

Die verschiedenen und teilweise sehr umfangreichen Textfunde
, die in Syrien und im Zweistromlande im dritten und
vierten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts gemacht wurden und
deren Erschließung zu einem guten Teile heute noch im Gange
ist, haben unsere Vorstellungen von der Geschichte des Alten
Orients grundlegend erweitert und — bei allen gleichwohl noch
vorhandenen Lücken — so vertieft, daß die Forschung laufend
vor die Frage gestellt ist, ob und wieweit ältere Thesen mit
oder ohne Modifikation fortgesetzt werden können, oder ob sie
revisionsbedürftig sind. Wenn von neuen Quellen zur altorientalischen
Geschichte die Rede ist, so kann es nicht ausbleiben
, daß auch die Frage aufgeworfen wird, welche Möglichkeiten
sich aus dem neuen Material ergeben, um die noch
immer stark umstrittene Vor- und Frühgeschichte des Volkes
Israel in dem einen oder andern Sinne zu erhellen.

Verf. hat 6ich in vorliegender Abhandlung, die am 21. 12.
1960 vor der „Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes
Nordrhein-Westfalen" vorgetragen wurde, die Aufgabe gestellt,
die Beziehungen aufzuzeigen, die zwischen den aus dem 18. Jh.
v. Chr. stammenden Mari-Texten und der israelitischen Überlieferung
bestehen. Abgesehen von einigen Seitenblicken auf
die Personennamen von Mari, auf Soziologie, Recht und Kult,
legt er den Nachdruck auf die nicht-akkadischen Elemente, die
im Altbabylonischen von Mari begegnen.

Nach einer „Allgemeinen Orientierung" (S. 9—12) wird
unter dem Thema „Die Texte von Mari" an Hand einer Anzahl
von Beispielen gezeigt, daß die in den Tontafeln von
Mari verzeichneten nicht-akkadischen Bildungen zu den nicht-
akkadischen Personennamen, wie sie hier ebenfalls belegt sind,
in Korrespondenz stehen (S. 12—22). Das Hauptgewicht der
Abhandlung dürfte auf dem nächsten Abschnitt „Das Problem
der Einordnung und Benennung der ,Mari-Leute'" (S. 22—31)
liegen. Abgeschlossen wird das Ganze durch „Schlußfolgerungen
zum Thema der Ursprünge des alten Israel" (S. 31—33), einen
„Anhang", der eine Anzahl nicht-akkadischer Wörter innerhalb
des Idioms von Mari enthält (S. 34—40), sowie ein englisches
und ein französisches Resümee.

Bei der Näherbestimmung der nicht-akkadischen Elemente,
wie sie im Mari des 18. Jh.s v. Chr. — übrigens schon um
2500 v. Chr. ein Mittelpunkt de6 Semitentums! — begegnen,
stellt Verf. zunächst fest, daß die bisher hierauf angewendeten
Kategorien „westsemitisch", „ost-kanaanäisch" oder „amori-
tisch" bzw. „amurritisch" nicht nur unsachgemäß, sondern darüber
hinaus 60gar irreführend seien. Man dürfe daher auch
nicht die Träger dieser Sprache, die durch das altbabylonischc
Idiom der Urkunden hindurchschimmert, als „Westsemiten",
Ost-Kanaanäer" oder „Amoriter" bzw. „Amurriter" bezeichnen
. Stattdessen greift er auf seine „Proto-Aramäer"-Hypothese
vom Jahre 1928 zurück1, die er seinerzeit in bezug auf die
Personennamen der den Mari-Semiten stammverwandten Ham-
murabi-Leute geprägt, aber in der Folge — m. E. mit gutem
Grunde — wieder aufgegeben hatte.

Es sei gern zugegeben, daß die Frage nach der Benennung
der einzelnen semitischen Sprachen und der mit ihnen mehr
odeT weniger ursprunghaft verbundenen Völkerschichten und
-bewegungen alles andere als endgültig geklärt ist; man denke
z. B. an die Kritik, die S. Moscati. I Predecessori d'Israele",
zum Kanaanäer- und Amurriter-Problem anmeldet. Andererseits
aber sollte man auch bedenken, daß wir ohne konventionelle
Begriffe auch in der Sprach- und Allgemeingeschichte nicht auskommen
. Belastet man Begriffe wie „westsemitisch", „kana-
anäisch" oder „amurritisch" nicht allzusehr mit theoretischen
Hypotheken, so scheinen mir hier noch immer durchaus brauch-

') M. Noth. Die israelitischen Personennamen im Rahmen der
gemeinsemitischen Namengebung. 1928, S. 11 ff. = BWANT III. 10.

') Rom 1956, S. 42 Pf.: 75 ff. = Universitä di Roma. Studi orien-
taU pubbl. ä cura della Scuola Orientale, IV. Vgl. hierzu auch meine
Anzeige in: OLZ 56, 1961, Sp. 144—148.