Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1964

Spalte:

424

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Alt, Albrecht

Titel/Untertitel:

Kleine Schriften zur Geschichte des Volkes Israel 1964

Rezensent:

Mowinckel, Sigmund

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

423

Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 6

424

Frömmigkeit in Gebet und Liturgie zu eigen machen könnte.
Die fromme Erfahrung weist in die eigene Gegenwart. Die
Leiden und Verfolgungen sind Zeichen der Endzeit, des escha-
tologischen Gerichts. Aber zugleich ist die Gemeinde als Inhaberin
der Offenbarung schon im Besitze des Heils, das in
einem letzten Kampf, in dem auch die vom Tode Erstandenen
mitkämpfen, um die Gottlosen zu vernichten, sich voll offenbart
. Eine persönlich bestimmte messianische Vorstellung liegt
auch III 7 ff., einer Stelle, die am ersten dafür im Anspruch genommen
werden könnte und tatsächlich als Beleg dafür herangezogen
worden ist, nicht vor. Es geht um die Heilsgemeinde.
Für den einzelnen beruht das Heil auf seiner Zugehörigkeit
zu ihr.

Mit all ihren Vorstellungen knüpft die Qumrangemeinde an das
Alte Testament an. Psalmen und Propheten bieten vor allem das
Material. Es geht dabei um die Erfüllung der alttestamentlichen Verheißungen
an der Gemeinde. Die Qumranpsalmen können also als
originale Dichtung in alttestamentlichem Stil betrachtet werden. So
erscheinen die Stichworte als Bildworte und Symbole, aber nicht als
Andeutungen einer bestimmten Situation des oder der Dichter oder
der Gemeinde. Die Darstellung des Elends, in dem sie lebt, ist an
den Klage- und Danksagungspsalmen des Alten Testaments orientiert,
während der Sprachgebrauch der Hymnen und hymnischen Stücke von
der entsprechenden Gruppe der alttestamentlichen Psalmen abhängig
ist. Von den Propheten ist es namentlich Jesaja 40— 55, der einwirkt
. Doch kommt die Gestalt des Knechtes Jahwes so wenig zur
Geltung, daß der Verfasser gerade im Anschluß an die Qumranpsalmen
die Frage auf wirft, ob überhaupt das Knecht-Jahwe-Problem im späteren
Judentum eine besondere Rolle gespielt hat, ob es nicht vielmehr
erst durch das Neue Testament aufgekommen ist. Andere Schriften
des Alten Testaments haben nur soweit Einfluß ausgeübt, als sie
der psalmischen und prophetischen Überlieferung entsprechen. Die
Intensität des Einflusses ist sehr verschieden. Während z. B. Psalm 5
= III 3 ff. 6ehr stark mit alttestamentlichen Stichworten durchsetzt
ist, läßt sich in andern Psalmen kaum eine Abhängigkeit feststellen.
Die beiden Psalmgruppen, die der Verfasser unterscheidet, zeigen auch
darin in sich eine gewisse Gleichmäßigkeit, sind aber voneinander
deutlich zu unterscheiden. Die Dichter haben einen ganz freien Gebrauch
vom Alten Testament gemacht. Das wird besonders deutlich,
wenn man nicht nur die Abhängigkeit in bestimmten Wendungen und
Stichworten, sondern auch die Anklänge und Anspielungen an alt-
testamentliche Texte berücksichtigt.

Diese und andere Beobachtungen weisen auf mehrere Verfasser
der Psalmen hin. Auch das Ich der Psalmen ist kein Hinweis
auf einen Dichter, etwa den Lehrer der Gerechtigkeit. Die
Psalmen sind überhaupt nicht so uniform, als es zunächst scheint.
Aber die alttestamentliche Bestimmtheit läßt die Individualität
einzelner Dichter so wenig hervortreten, wie das beim alttestamentlichen
Psalter der Fall ist. Eine genauere Betrachtung des
Sprachgebrauchs zeigt ebenfalls charakteristische Unterschiede.
Die Heranziehung der übrigen Qumranschriften trägt für die
Verfasserfrage und die Entstehungsgeschichte der Psalmen nichts
aus. Nach dem Zeugnis der Psalmen selbst ist das sprechende,
betende Ich mit geringen Ausnahmen kollektiv zu deuten, wenn
auch die Aneignung durch das einzelne Glied der Gemeinde
immer möglich war.

Zuletzt wird die Frage nach dem Sinn und Zweck der
Qumranpsalmen behandelt. Verfasser klärt zunächst die Begriffe
worship, cult und lirurgy. Worship ist dabei der Oberbegriff
In der dänischen Zusammenfassung wird von gudsjenstlig brug,
also von den gottesdienstlichen Gebräuchen der Gemeinde gesprochen
. Dabei ist an die persönliche Frömmigkeitsübung wie
vor allem an den liturgischen Gebrauch der Psalmen in den
Gemeindegottesdiensten zu denken.

Das Urteil des Verfassers ist in allen Einzelfragen wie im
ganzen zurückhaltend und wohl abgewogen. Seine Ergebnisse,
die gewiß den Zusammenhang mit der skandinavischen Forschung
nicht verleugnen, sind gut begründet und einleuchtend.
Das Werk ist gut ausgestattet. Ein Stellenregister erlaubt die
Übersicht über das verwendete alttestamentliche Material. Die
Arbeit fordert zu eingehender Beschäftigung heraus und wird
der weiteren Forschung auf dem Gebiet der Hodayot wie der
Qumranschriften überhaupt auf lange hinaus ein unentbehrliches
Hilfsmittel sein.

Gießen Georg Bertram

Alt, Albrecht: Kleine Schriften zur Geschichte des Volkes Israel.

Auswahl in einem Band. Mit einem Vorwort von Rudolf Meyer.
Berlin: Evangelische Verlagsanstalt [1962]. 344 S. gr. 8°. DM 17.—.
(Lizenzausgabe für die DDR mit Genehmigung der C. H. Beck'schen
Verlagsbuchhandlung München.)

Diese gekürzte Ausgabe der Kleinen Schriften wird gewiß
von vielen jüngeren Fachgenossen begrüßt werden. Wenn auch
eine räumliche Beschränkung notwendig geworden war, so gehören
doch unter allen Umständen die aufgenommenen Aufsätze
zu denen, die der Fachgenosse sehr ungern vermissen möchte.

Zu den anerkennenden Worten, mit denen ich das Erscheinen
der Kleinen Schriften I—III (in ThLZ 1955,4 und 1960, 12)
begrüßt habe, habe ich nichts hinzuzufügen und habe nichts von
ihnen wegzunehmen. Meinen Dissens in der Deuteronomium-
frage habe ich dort ausgesprochen. Dieser einzige Aufsatz, „Die
Heimat des Deuteronomiums" hätte vielleicht durch einen anderen
und wichtigeren ersetzt werden sollen.

Zu dem wichtigen Beitrag „Die Ursprünge des israelitischen
Rechts" möchte ich auf den Aufsatz von Erik Mörstad,
„Wenn du der Stimme des Herrn, deines Gottes, gehorchen
wirst —", Oslo 1960, aufmerksam machen. Mörstad weist hier
auf öffentliche hethitische und nordsyrische Texte (Staatsverträge
u. dgl.) hin, wo die „apodiktische" Form nicht selten
benutzt wird, und setzt daher ein Fragezeichen bei der scharfen
Unterscheidung Alts zwischen den beiden vorherrschenden Formelementen
und den daraus erschlossenen verschiedenen Quellen
des israelitischen Rechts. Mörstads Beobachtungen sind sehr beachtenswert
. Ich habe aber Alt nie dahingehend verstanden, daß
jedes konkrete „apodiktische" Gebot des israelitischen Rechts
dem priesterlich-prophetischen Milieu entstamme. Alt würde
gewiß zugeben, daß sowohl dieses wie jenes apodiktische Moralgebot
anderswoher, z. B. aus der Weisheitsschule stammen wird
oder kann. Das verwundert aber nicht, daß die apodiktische
Form für die israelitische Priestertora besonders charakteristisch
gewesen ist. Nichts verhindert aber die Möglichkeit, daß etwa
auch der israelitische, bzw. der judäische König in Erlassen auch
die apodiktische Form benutzt haben kann. Zu vergessen ist
aber dabei nicht, daß der davidische König von Jerusalem von
Rechts wegen und ideologisch der rechtmäßige Erbe des jebu-
sitischen Priesterkönigs war, der zugleich der Priester des El
Eljon war.

Oslo Sigmund M ow i n r k el

O ß w a 1 d, Eva: Das Bild des Mose in der kritischen alttestamentlichen
Wissenschaft seit Julius Wellhausen. Berlin: Evang. Verlagsanstalt
[1962]. 370 S. 8° = Theologische Arbeiten, hrsg. v. H. Urner,
Bd. XVIII. HIw. DM 19.50.

Es ist höchst erfreulich, daß diese Jenaer Habilitationsschrift
aus dem Jahre 1955 jetzt durch den Druck allgemein zugänglich
geworden ist. Niemand kann es mehr begrüßen als der Rezensent
, dessen 1959 erschienenes „Mosebild von Heinrich Ewald
bis Martin Noth" (vgl. die Rezension von E. Oßwald, ThLZ
1960, Sp. 279 f.) die Arbeit von Fräulein Oßwald schon voraussetzte
.

Sie unterscheidet sich von der seinen durch ihren chronologischen
Aufbau und, besonders vorteilhaft, durch ihre ungleich
größere Ausführlichkeit und Gründlichkeit. Die Verfasserin bietet
mehr, als der Titel sagt, nämlich weitgehend auch eine
Geschichte der Pentateuchkritik einerseits und der Anschauungen
von Israels ältester Geschichte anderseits. Durch die Ausführlichkeit
und Sorgfalt ihrer Referate erspart sie dem Leser die Lektüre
einer Unmenge von Büchern; 6ie belegt jede einzelne ihrer
Angaben sehr genau und läßt die Autoren ausführlich zu Worte
kommen, ohne sich gleich mit einem eigenen Urteil einzumischen
.

Dieses eigene Urteil ist aber durchaus vorhanden. Es wird
einerseits in der Zusammenordnung der verschiedenen Meinungen
über Mc*e und ihrer im allgemeinen sehr behutsamen
Herleitung aus allgemeinen geistesgeschichtlichen Voraussetzungen
, anderseits in zahlreichen selbständigen kritischen Bemerkungen
deutlich. Dahinter steht eine eigene Sicht des Moseproblems
, die man zusammenhängend auf S. 3 38 ff. dargelegt
findet; vgl. vorher etwa S. 224, 295 f., 332 f. und E. Oßwald,