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Ausgabe:

1964

Spalte:

421-423

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Holm-Nielsen, Svend

Titel/Untertitel:

Hodayot 1964

Rezensent:

Bertram, Georg

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Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 6

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Murabba'ät und der Chirbet Mird, sondern auch die 1960 und
1961 von israelischen Gelehrten in mehreren zwischen Engedi im
Norden und Masada im Süden liegenden Höhlen gemachten
Funde, die damals nicht vorauszusehen waren, berücksichtigt,
und ihr folgen „Antike Nachrichten zur Geschichte des zweiten
jüdischen Aufstandes gegen die Römer" (S. 97—110) und „Literaturverzeichnis
" (S. 111—113) sowie „Herkunft der Abbildungen
und Karten" (S. 113) und „Verzeichnis der Abkürzungen"
(S. 114). Überall beruht die Darstellung auf Vertrautheit ihres
Verfassers mit den hier in Betracht kommenden Texten sowie
der Literatur über sie und entspricht damit dem gegenwärtigen
Stande der Forschung. Belebt wird sie durch die ihr beigegebenen
16 Abbildungen, darunter drei farbige, die auf Aufnahmen des
Verfassers selbst zurückgehen, und zu ihrem Verständnis tragen
die am Schluß des Bandes stehenden, von Pfarrer Hans Seidel in
Leipzig gezeichneten drei aufschlußreichen Kartenskizzen wesentlich
bei. Diesen Dienst würden die letzteren noch mehr tun,
wenn auf ihnen der Verlauf der israelisch-jordanischen Grenze
angegeben wäre.

Halle/Saale Otto EiBf eldt

Holm-Nielsen, Svend: Hodayot. Psalms from Qumran. Aarhus:
Universitetsforlaget 1960. 366 S. gr. 8° = Acta Theologica Danica,
cdenda curaverunt: T. Christensen, E.Nielsen, J. Munck, R. Prenter,
Vol. II. Dän. Kr. 50.-.

Die Erforschung der Qumrantexte geht in einer Fülle von
Einzeluntersuchungen, meist Zeitschriftenaufsätzen, aber auch
mehr oder weniger umfangreichen selbständigen Veröffentlichungen
vor sich, die entweder Einzelprobleme der Überlieferung
behandeln oder aber von einem Thema aus das gesamte
Material der Qumrantexte, wie die Editionen es bieten,
kritisch untersuchen. Daneben kommt der zusammenhängenden
Bearbeitung der einzelnen Schriften von Beginn der Qumran-
forschung an besondere Bedeutung zu.

Sie ist von dem Verfasser der vorliegenden Arbeit in diesem
Umfang und mit dieser eingehenden Berücksichtigung der
Vielfältigkeit der strittigen Fragen für die Qumranpsalmen
erstmalig unternommen worden, wenn auch der Verfasser in
der Literaturübersicht am Schluß (4 Vi Seiten) und in den Anmerkungen
auf eine Fülle von Vorarbeiten verweisen kann, an
die er anknüpft und mit denen er sich oft recht ausführlich
kritisch beschäftigt. Der Stoff ist mit großer Umsicht behandelt.
Eine Einführung geht von der Überlieferung und dem z. T.
sehr schlechten Erhaltungszustand der Psalmenrolle, der Beobachtung
zweier Schreiberhände und Unterschieden der Rechtschreibung
aus, ohne dabei zu bestimmten Resultaten zu kommen
. Auch die Frage der Anordnung der 18 Kolumnen und der
Fragmente ist zum mindesten vorläufig nicht zu lösen, wenn
auch der Verfasser eine Reihe von bedeutsamen Beobachtungen
zu diesen Themen machen kann. So ist auch die Zahl der erhaltenen
oder nachweisbaren Psalmen nicht endgültig festzustellen
. Der Anfang der Psalmen ist nur da deutlich, wo eine
einleitende Redewendung, vor allem die Dankesformel, die der
Sammlung den Namen gegeben hat, vorliegt. Eine besonders
schwierige Aufgabe ist die Ergänzung der kleineren und größeren
Lücken. Sie ist mit aller Vorsicht unter Berücksichtigung
der Zusammenhänge und Analogien in Angriff genommen. Allzu
phantasiereiche Wiederherstellungsversuchc, die neue Inhalte
schaffen würden, sind abgewehrt.

Das Schwergewicht der Arbeit liegt auf der Darbietung der
Psalmen in einer, soweit möglich, flüssigen Übersetzung, in der
dazu notwendigen textlichen Bearbeitung und d«r formalen und
sachlichen Untersuchung der Texte. Die Übersetzung wird ergänzt
durch eine Wiedergabe des Inhalts, die dem Gedankengang
der Dichtungen folgen möchte. Es schließen sich Einzeluntersuchungen
an, die in Auseinandersetzung mit der bisherigen
Forschung die Textergänzungen des Verfassers begründen, den
Wortschatz nach Sinn und Herkunft behandeln und eine sachliche
Deutung im einzelnen und im Zusammenhang versuchen.
Dabei wird auf die alttestamentliche Bestimmtheit der Formulierungen
— eigentliche Zitate fehlen — sowie auf Parellelen
in andern Qumranschriften wie überhaupt in der spätjüdischen
Literatur hingewiesen und die Frage der Verwendung des alt-

testamentlichen Materials für jeden Psalm in einem besonderen
Abschnitt behandelt. Den Abschluß bei jedem Psalm bilden
Bemerkungen, die die grundsätzlichen Fragen betreffen. So
werden Stil und Rhythmus, Parallelismus membrorum und
andere Stilmittel, die gattungsgeschichtliche Einordnung als
Hymne, Dank- oder Klagepsalm, Eigenart, Verfasser und Sitz
im Leben als Lehrpsalm oder als kultische bzw. liturgische
Dichtung behandelt.

Der Reichtum der Einzelergebni6se für die Qumranforschung und
die Weiterführung der wissenschaftlichen Diskussion läßt sich hier
nur andeutungsweise zeigen. In III 3—18, Psalm 5 nach der Zählung
des Verfassers, begegnet in 7 ff. das aus dem Alten Testament wohlbekannte
Bild von den sdimerzensvollen Wehen der gebärenden Frau,
das neben andern Bildern des Dichters eigene Not darstellen soll.
Aber das Bild scheint ein Eigenleben zu gewinnen. Es ist von der
Geburt eines Knaben die Rede und dann von der Geburt einer
Schlange (eines Drachens? vgl. Apk 12) durch eine andere Frau. Hier
setzen religionsgeschichtliche Deutungen ein; die Stelle wird auf die
Geburt des Messias bezogen, sei es, daß eine gegenwärtige geschichtliche
Persönlichkeit, etwa der Lehrer der Gerechtigkeit, gemeint sei,
sei es, daß ein zukünftiger Messias erwartet würde. Unser Verfasser
aber steht mit der Mehrheit der Forscher auf dem Standpunkt, daß
es das messianische Zeitalter ist, das hier geboren wird. Die Wehen
sind die Leiden, die die Gemeinschaft in ihrer irdischen Existenz erdulden
muß; sie sind Vorboten der hereinbrechenden Heilszeit. Vielleicht
müssen schon im vorliegenden Text verschiedene Schichten der
Glaubensvorstellungen unterschieden werden. In anderen Qumranschriften
sind die Vorstellungen anders, und man darf nicht mit einer
einheitlichen Qumrantheologie rechnen. Die Auslegung wird erschwert
durch die Doppeldeutigkeit mancher Ausdrücke, die der Verfasser
wohl mit Recht für beabsichtigt hält. Schiff und Klage, Wogenbrecher
und Muttermund, Todesbande und Todeswehen sind in der hebräischen
Konsonantenschrift kaum voneinander zu unterscheiden. So
bleibt es an unserer Stelle und vielleicht schon im alttestamentlichen
Psalm in der Schwebe, was eigentlich gemeint ist. Das Spiel mit der
Doppeldeutigkeit der Vokabeln ist eine Eigenart dieser Überlieferung,
deren Beachtung auch für die Exegese des Alten Testaments von
Wichtigkeit sein dürfte. Der Verfasser hat für die verschiedenen
Deutungsmöglichkeiten die entsprechenden Aussagen der spätjüdisdien
Überlieferung bis zur Apk Esra 4, 41 f. und Joh 16,21 herangezogen.
In den Grundzügen bestätigen sich die Einzelergebnisse der Exegese
immer wieder, und der Verfasser dringt so allmählich zu einem einheitlichen
Gesamtverständnis vor, das er in den Schlußabschnitten
noch einmal zusammenfassend darlegt und begründet.

Er weist in den Kolumnen I —XII 19 Psalmen nach, während
in XIII — XVIII und bei den zuletzt behandelten Fragmenten
eine Einteilung höchstens im Ansatz versucht wird. Die
Zusammenfassung in den Schlußabschnitten behandelt zunächst
die theologischen und anthropologischen Vorstellungen. Die
Sündhaftigkeit des Menschen, seine Unfähigkeit von sich aus
Gottes Werke zu erkennen, ist in seinem Wesen begründet, das
wohl mit dem Begriff der Erbsünde sich beschreiben ließe. Doch
ist vom Sündenfall nicht die Rede, und die persönliche Verantwortlichkeit
und Schuld ist nicht aufgehoben. Wenn von der
Schöpfung die Rede ist, so nicht von der Gottesebenbildlichkeit
des Menschen, sondern von der Größe und Erhabenheit Gottes,
von seiner Präscienz und Prädestination, die seine allgewaltige
Herrschaftsmacht bedingen. Diese offenbart sich in seiner Gerechtigkeit
und seiner Barmherzigkeit gegenüber dem zur Umkehr
bereiten Sünder. Die Annahme der Offenbarung begründet
das Heil. Der neue Bund ist nicht universal; er bleibt auf Israel
beschränkt, soweit es sich bekehrt und an dem Neuen Bund
mit Gott, seinen Heiligen, Engeln und himmlischen Heerscharen
festhält. Für das Heil ist das Schriftverständnis entscheidend,
das der Gemeinde in der Offenbarung zuteil wird. Die Gerechten
sind die Armen und Geringen; die sozialen Begriffe bekommen
wie im Neuen Testament religiöse Bedeutung. Die Frommen
sind Kinder der Gnade Gottes, denen die Gottlosen schroff
gegenüberstehen. Das Ich der Psalmen läßt sich trotz mancher
Andeutungen, die eine konkrete historische Situation und bestimmte
persönliche Erfahrungen vor allem von Leiden und
Verfolgungen vorauszusetzen scheinen, nicht mit dem Dichter
und zugleich dem Lehrer der Gerechtigkeit identifizieren. Es
bleibt wohl keine Aussage in den Psalmen übrig, die sich nicht
jedes Glied der Gemeinde als Ausdruck seiner persönlichen