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Ausgabe:

1964

Spalte:

413-418

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Drower, Ethel S.

Titel/Untertitel:

The coronation of the Great Šišlam 1964

Rezensent:

Macuch, Rudolf

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Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 6

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abgesehen werden, daß dieser Jesus von Nazareth nur deshalb
der lebendige Herr heißt, weil Gott ihn dazu gemacht hat. Gott
hat ihn gesandt und Gott hat sich zu ihm bekannt — die traditionelle
Christologie spricht hier von Inkarnation und Auferstehung
und Erhöhung. Auf diese Aussagen kann nicht verzichtet
werden.

Noch eine letzte Frage sei kurz erörtert. Wir haben soeben
dargelegt, daß uns im Kerygma der lebendige Herr begegnet
und daß wir von da aus das Ja gewinnen zu einem Ostergeschehen
, auch wenn die Aussagen darüber konzentriert werden
müssen auf jenes Ja Gottes zu Jesus. Wir wollen jetzt nicht
weiter darauf eingehen, welche Konsequenzen sich daraus für
unsere Osterverkündigung ergeben. Diese hat vor allem die
Heilsbedeutung des lebendigen Herrn zu verkündigen, sie darf
sich nicht in einer Ausmalung der Einzelheiten der Osterberichte
verlieren. Aber wir wollen die kritische Überlegung
an einem anderen Punkt noch ein Stück vorantreiben. Wir sprachen
vom erhöhten, lebendigen, gegenwärtigen Herrn. Aber ist
denn ein Umgang mit dem erhöhten Herrn überhaupt möglich?
Hatte nicht Ritsehl recht, wenn er erklärte, daß der Erhöhte für
uns verborgen ist und daß die Redeweise vom erhöhten Herrn
entweder inhaltlos ist oder Anlaß zu allerhand Schwärmereien
gibt, d. h. zu Spekulationen über die himmlische Seinsweise
Christi verführt? Ritsehl wollte deshalb den Glauben an der geschichtlichen
Lebenserscheinung Jesu orientieren. Das ist insoweit
richtig, als das Bekenntnis zum lebendigen erhöhten Herrn
nicht davon abstrahieren kann, daß es der Herr ist, den wir
aus den Evangelien als irdischen Herrn kennen. Gewiß steht
dieses Bild der Evangelien im Lichte des Glaubens an den Erhöhten
, das Bild des irdischen Herrn ist von Ostern her gezeichnet
. Aber es gilt auch das andere, daß durch die Evangelien
das Bild des erhöhten gegenwärtigen Herrn konkretisiert,
vergcschichtlicht wird.

Aber wie wird der lebendige Herr für uns gegenwärtig,
welches ist das Medium der Vergegenwärtigung? Hier würde ich
nun durchaus Bultmann zustimmen, daß die Vergegenwärtigung
durchs Wort geschieht, durchs Wort der Verkündigung, welche
die Botschaft des NTs, das Christuszeugnis der Evangelien und
der apostolischen Briefe, uns zuspricht. Hier könnte man sagen:
Hinter das Kerygma gibt es kein Zurück, nämlich in dem Sinn,
daß es uns versagt ist, über das Kerygma hinaus in die Geheimnisse
der himmlischen Seinsweise des erhöhten Herrn bei
Gott eindringen zu wollen. Die Frage, wo denn der lebendige
erhöhte Herr zu finden ist, wo denn die Rechte Gottes ist, zu
der er sitzt, ist einfach dahingehend zu beantworten: halte dich
ans Wort, da begegnet er dir. — Dennoch darf das Wort nicht
einfach an die Stelle des lebendigen Herrn gesetzt werden. Das
Je und je 6ich ereignende Kerygma darf nicht den Platz einnehmen
, den sonst nach christlicher Lehre der lebendige erhöhte
Herr einnimmt. Der Satz, daß Christus ins Kerygma hinein auferstanden
sei, ist sehr mißverständlich, zumal wenn man auch
noch hervorhebt, daß es die Kirche mit ihrem Kerygma sei, die
•nn vertritt. Zwar kann die Kirche im NT als der Leib Christi
bezeichnet werden, aber Christus ist auch ihr Haupt und steht

ihr als der Herr gegenüber. Ebensowenig darf Christus mit dem
Wort einfach identifiziert werden. Er ist im Wort, wenn das
Wort geschieht und die Herzen trifft. Im Betroffenwerden vom
Wort begegnet er uns, es gibt kein Zurück hinter das Wort, es
gibt keine unmittelbare, d. h. nicht durch das Wort vermittelte
Verbindung mit ihm, weder in einem ekstatischen oder mystischen
Erlebnis, noch auf dem spekulativen Weg einer Erforschung
seiner himmlischen Seinsweise. Auch das Bild seiner irdischen
Existenz wird uns durchs Wort vermittelt. Aber der im Wort
uns begegnet, ist auch jenseits des Worts, er ist der Herr des
Worts, auch beim Wort hat er sich vorbehalten, wann und wo er
in ihm begegnen will. Gerade weil im je und je sich ereignenden
, die Herzen treffenden und überwindenden Wort Gegenwart
des Herrn geschieht, kann der Herr nicht einfach mit dem
Wort identifiziert werden. Denn das würde bedeuten, daß der
lebendige Herr sich in eine Fülle von Akten auflöste. Der Herr
steht wie zur Kirche so auch zum Wort in einem dialektischen
Verhältnis, das nicht zu Gunsten einer Identität preisgegeben
werden darf; auch dann nicht, wenn das Wortgeschehen so
aktualisiert wird, daß es unverfügbar zu sein scheint. Der Herr
tran6zendiert die Kirche und das Wort, so gewiß er sich ihrer
zu seiner Selbstvergegenwärtigung bedient.

Wir kommen zum Schluß: Wie in der Frage des Oster-
geschehens an einem Ja Gottes zu Jesus, an einer Erhöhung Jesu
zum Herrn festgehalten werden muß, so muß auch daran festgehalten
werden, daß der erhöhte gegenwärtige Herr das Wortgeschehen
, in dem er sich vergegenwärtigt, transzendiert. Manch
einem mag das, was wir hier festhalten, zu wenig erscheinen. Er
möchte vielleicht aus der Fülle der Aussagen der biblischen
Osterberichte möglichst vieles theologisch gerechtfertigt sehen.
Er möchte außerdem, daß das Bekenntnis zum erhöhten Herrn
zu einem reichen System innergöttlicher Relationen in Beziehung
gesetzt oder entfaltet werde. Es soll jetzt nicht entschieden
werden, inwieweit das geschehen kann. Wo wir in den Osterberichten
auf geschichtliche Daten stoßen, besteht kein Anlaß,
sie geringschätzig zu behandeln. Wo wir Legende und Mythologie
am Werk sehen, besteht kein Anlaß, sich ängstlich daran
vorbeizudrücken. Es soll auch nicht bestritten werden, daß man
in der Aus6chöpfung des Symbolgehalts mythologischer, legendärer
und spekulativer Aussagen sehr weit kommen kann. Aber
je umfassender man sich in solcher symbolischen Deutung ergeht
, umso unverbindlicher wird auch das Gesagte. Das, was wir
festhalten möchten, strebt danach, theologisch verbindliche Aussage
zu sein. Wem das hinsichtlich des Ostergeschehens Festgehaltene
zu spärlich erscheint, der achte darauf, daß er nicht
einem falschen theologischen Reichtum verfalle. Was das Bekenntnis
zum erhöhten Herrn anbetrifft, so kann man freilich
nicht einfach dabei stehenbleiben, daß er der erhöhte Herr ist,
sondern muß auch etwas darüber sagen, was dieses Herr-Sein
bedeutet. Das wird aber umso angemessener geschehen, je mehr
man ins Auge faßt, was die Herrschaft dieses Herrn für uns bedeutet
, und je weniger man in den Bereich einzudringen versucht
, der unserer Erkenntnis entzogen ist.

kann als ein eindrucksvolles Beispiel zur Illustrierung des wohl-

KELIGIONSWISSENSCHAFT bekannten Sprichwortes „Habent sua fata libelli" angeführt

Dm«, r c t-, ^ . . ^ *-•«. „ ™ werden. Doch war die Erwerbung der Handschrift der Agenda

crinriH' i L d° Cor?nat'on °f Creat SiSUin. Boing i Des- der mandäischen Priesterkonsekration, die als letzte zu Lady

cription of the Rite of the Coronation of a Mandacan Priest n „_...._, „ ,. £.. . , , . ,

According to the Ancient Canon. Translation from Two Manuscripts Prowers Handschr.ftenkollektion hinzugefügt wurde, noch viel
Entitlcd "The Coronation of Sislam-Rba" DC 54 Bodleian Library, dramatischer als die anderen Erwerbungen dieser gewissenhaften
Oxford (1008 A. H.) and Or. 6592. British Museum (1298 A. H.) Handschriftensammlerin und Forscherin. Bei ihrer Untersuchung
with Discussion of the 'Words Written in the Dust'. Leiden: Brill mandäischer Texte im British Museum hat sie schon vor vielen
'962. XVIII. 48 S. gr. 8". hfl. io.-. Jahren diese im Katalog als Or. 6592 bezeichnete Rolle be-
Auch bei diesem neuen Werke der verdienten Erforscherin merkt, die damals in ihrer eigenen Sammlung fehlte. Eine zweites
Mandäismus Lady E. S. Drower ist der unermüdliche Fleiß mal vorkommende enigmatische Phrase uamur bil mikal ubil
und der unvergleichliche Enthusiasmus der Verfasserin zu bc- mistia ulh bil mirmia riha (Z. 650, ähnlicherweise 726) hat
wundern, und uneingeschränkt können die Forscher auf den sie aber von einer baldigen Veröffentlichung dieses Dokuments
«•bieten der Mandäistik, des Gnostizismus und der Religions- und seiner Übersetzung abgehalten. Zuerst verstand sie den
Wissenschaft ihrer Dankbarkeit Ausdruck geben. angeführten Satz als „und sage: Bei zu essen und Bei zu trinken
Die Erwerbung jeder einzelnen mandäischen Handschrift und Bei Duft zu spenden". So mußten jene Worte auch von