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Ausgabe:

1964

Spalte:

405-414

Autor/Hrsg.:

Graß, Hans

Titel/Untertitel:

Zur Begründung des Osterglaubens 1964

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Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 6

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T.s gehaltreiches Buch, das jedem Theologen zur Lektüre
empfohlen werden kann, hat überdies vorzügliche Liteiatur-
übersichten, bringt zu den einzelnen Lehrpunkten gute Überblicke
über die dogmatische Tradition und ist offen für die
praktisch-theologischen Fragen, die sich aus den dogmatischen
Entscheidungen ergeben. Der Leser findet hier reichen Gewinn.

Errata (in Auswahl): Seite 15, Zeile 10 lies: verfahrende statt
verfahrene; S. 33, Z. 28 1. generis st. generes; S. 35, Z. 12: Wahrheiten
werden nicht „fide divina et catholica" zu Dogmen erhoben, sondern
Dogmen sind „fide d. et c." zu glauben; S. 109, Z. 32 1. essen-
tiae st. essentia; S.271, Z. 4 1. 431 St. 433; S.291, Z. 13 1. Con-
venienztheologie st. Connivenztheologie.

Zur Begründung des Osterglaubens

Von Hans Graß, Marburg

Rudolf Bultmann schließt seine 1960 erschienene Schrift Es legitimiert sich - wie gesagt - ^J^^f^ ^
„Das Verhältnis der urchristlichen Christusbotschaft zum histo- aussprechende, uns ansprechende Ex*tenzverstandnis Fragt man
rischen Jesus", in der er sich mit seinen Schülern auseinander- aber noch über die Bedeutung des Ostergeschehens für die Entsetzt
, welche die Frage nach dem historischen Jesus wieder auf- stehung des Kerygmas hinaus nach einer theologischen
genommen haben, mft folgenden Worten: „Wenn es richtig ist, Bedeutung dieses Geschehens überhaupt, dann wittert Bult-
daß die Kirche in ihrem Kerygma den historischen Jesus ver- mann einen falschen He.lstatsachenglauben. Solch ein Glaube
tritt, wenn der Glaube an Christus zugleich der Glaube an die will sich auf wunderbare Tatsachen gründen, die außerha b des
Kirche ist bzw. der Glaube an den Heiligen Geist, den sie als WortgesAehens und des gläubigen Hörens aufs Wort als ob-
nachöster iche Gabe empfangen hat (Bibelstellen), dann kann jektive Tatsachen behauptet werden. Er verletzt damit auch das
man sagen Der Glaube an die Kirche als Trägerin des Keryg- Wesen des Glaubens als eines paradoxen Wagnisses. Das aHes
mas ist der Osterglaube, der eben in dem Glauben besteht, daß heißt: ein Ostergeschehen ist nach Bultmann für den Glauben
2 Kerygma Jesus Gidstus präsent ist. Mehrfach und meist als irrelevant. Ein spezieller Glaube an ein solches Geschehen wird
Kritik W geigt, d ß nach meiner Interpretation des Keryg- abgelehnt „An den im Kerygma präsenten ^"f^/^1'^'
mas Jesus in? Kerygma auferstanden sei. Ich akzeptiere diesen ist der Sinn des Osterglaubens . Oder wie eineand rebe-
Satz. Er ist völlig richtig vorausgesetzt, daß er richtig ver- kannte Formulierung aus Bultmanns Aufsatz „Neues Testament
standen wird. Er fetzt vofäus, daß'das Kerygma selbst eschato- und Mythologie" lautet: „Der A^-jgge Jt
logisches Geschehen ist; und er besagt, daß Jesus im Kerygma anderes als der Glaube an das Kreuz als He.lsere.gnis (K M
wirklich gegenwärtig ist daß es sein Wort ist, das den Hörer I, 50). Das besagt: Wer das Kreuz recht versteht d.h. das Kreuz
im Kerygma trTflt Ist das der Fall, so werden alle Spekulationen Christi als das eigene übernimmt, sich mit Christus kreuzigen
über dfe Seinsweise des Auferstandenen, alle Erzählungen vom läßt in der Preisgabe ,-iner selbst und i- Of nse'n für den im
leeren Grabe und alle Osterlegenden, welche Momente an Wort je und je auf ihn zukommenden Herrn, wer das Wagnis
historischef Fakten sie auch enthalten mögen, und so wahr sie vollzieht wider den Augenschein zu glauben, der hat Aufer-
in ihrem symbolischen Gehalt sein mögen, gleichgültig. An den stehungsglauben. _
im Kerygma präsenten Christus glauben, ist der Sinn des Oster- Wir haben jetzt nicht zu würdigen, welche Bedeutung -
glaubens " und zwar positive Bedeutung - es hat, wenn Bultmann den

In diesen Sätzen kommt zunächst Bultmanns bekannte Glauben ans Wort und immer wieder an^Wo^
Stellung in der Frage „historischer Jesus, kerygmatischer Chri- uns h.er und jetzt in unserer eigenen Existenz betrifft Man hat
stus" erneut zum Ausdruck. Der historische Jesus ist für ihn nicht mit Unrecht auf die Verwandtschaft mit Luther hinge-
der Christus kata sarka, der uns nichts angeht. Hinter das Keryg- wiesen. Für unsere Frage nach der Begründung des Osterglau-
ma gibt es kein Zurück, und zwar nicht nur, weil die Quellen bens" erhebt sich jedenfalls von Bultmann her der Einwand, ob
nicht ausreichen zu einem Bild des historischen Jesus; nicht nur, sie sich nicht erübrigt, ja, sogar abwegig ist. Nach Bultmann
weil dieser Jesus nach Bultmann im wesentlichen ins Judentum kann man allenfalls noch vom Glauben an den präsenten Chn-
gehört, weil sein Auftreten, seine Verkündigung bestenfalls stus sprechen. Ja, im Grunde tritt das Kerygma, das anredende,
eine Christologie implizieren, sondern weil allein das Christus- fordernde, verheißende Wort der Verkündigung, an die Stelle
kerygma, das die Heilsbedeutung Christi verkündet, der Be- des lebendigen Herrn.

Ziehungspunkt des Glaubens sein kann. Dieses Kerygma kann Die von Bultmann abgelehnte Frage nach dem historischen

und soll nicht vom historischen Jesus her legitimiert werden. Jesus ist heute wieder sehr aktuell geworden, vor allem auch in
E« legitimiert sich selbst, allerdings nicht durch seine mytholo- seinem Schülerkreis bei E. Käsemann, G. Bornkamm, t-Fuchs,
gischen Vorstellungen in die es gekleidet ist, sondern durch das G. Ebeling u. a. Dabei ergeben sich für unsere Frage nach dem
in ihm sich aussprechende menschliche Existenzverständnis, das Osterglauben ebenfalls bestimmte Aspekte, auf die wir kurz
«ns fragt, wie wir uns verstehen, und in die Entscheidung für eingehen müssen. Wenn ich recht sehe, sind es zwei Fragen, von
das rechte Selbstverständnis ruft. Indem sich dieses ereignet, denen das Interesse am historischen Jesus geleitet ist, ohne daß
und zwar hier und jetzt ereignet in der Verkündigung der diese Fragen immer deutlich auseinandergehalten werden. Die
Kirche, die das neutestamentlichc Kerygma interpretierend ver- eine Frage ist die nach der Kontinuität zwischen dem historischen
kündet, wird Christus präsent, ereignet sich Glaube. Auf diese Jesus und dem verkündigten, dem kerygmatischen Christus. Die
Relation von geschehendem Kerygma und Glaube, von Wort andere ist die nach der Bedeutung des historischen Jesus für den
und Glaube, will Bultmann sich theologisch beschränken, so ge- Glauben. Zunächst die erste Frage. Die Frage nach der imphziten
wiß er natürlich als historisch-kritischer Forscher auch Vieles und Christologie beim historischen Jesus, die Bultmann auch am
Bedeutendes zur Erforschung der Jesusüberlieferung und zur Rande beschäftigte (vgl. die eingangs genannte Schrift S. 16,
Geschichte des neutestamentlichen Kerygmas zu sagen hat. So aber auch S. 17), wird aufgegriffen, aber nun so gestellt, inwie-
kann er sich dann auch rasch über die Fragen hinwegsetzen, was fern in der impliziten Christologie bei Jesus die Wurzel der
ein Ostergeschehen für die Entstehung des Kerygmas bedeutet expliziten Christologie des Kerygmas hegt, bzw. inwieweit das
habe und welche Bedeutung überhaupt ein solches Ostcrge- Christuskerygma die legitime Explikation dessen ist, was bei
schehen habe. Gewiß betont auch Bultmann, daß es Christus- Jesus schon implizit vorhanden war. Bultmann konnte diese
kerygma erst seit Ostern gibt. Von da an wurde aus dem Ver- Frage deshalb nicht in dieser Weise stellen, weil er es ablehnt,
kündiger des unmittelbar bevorstehenden Gottesreichs, Jesus, überhaupt nach der Legitimation des Kerygmas zu fragen, bzw.
der sich selbst nicht für den Messias hielt, der verkündigte weil für ihn diese Legitimation allein in der Relation zwischen
Christus. Aber wie diese Wendung sich vollzog, und welche unserem und dem biblischen Existenzverständnis liegt. Wenn er
Rolle dabei die Ereignisse um Karfreitag und Ostern spielen, davon spricht, daß auch die Verkündigung des historischen Jesus,
ist belanglos. Das Christus-Kerygma kann und soll auch durch soweit sie uns noch erkennbar ist, uns in die Entscheidung
Osterereignisse und ihre Erforschung nicht legitimiert werden. stellt, und wenn er in diesem Rufe Jesu zur Entscheidung so