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Ausgabe:

1964

Spalte:

375-377

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Robert, Jean-Dominique

Titel/Untertitel:

Approche contemporaine d'une affirmation de Dieu 1964

Rezensent:

Holm, Søren

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Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 5

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auch in der protestantischen Theologie wieder sehr gepflegt.
Aber man sollte sich ein Bewußtsein darum bewahren, daß
.Wort' und .Sprache' zu formale Kategorien sind, als daß von
ihnen aus Wesen und Kern theologischer Arbeit erreicht werden
könnten, die darin bestehen müssen, nach dem Inhalt des
.Worts' und dem W a h r s e i n des Gesprochenen zu fragen.
Beide Probleme sind von (relativen) Formfragen bzw. von
bloßer Hermeneutik aus nicht zu bewältigen, so wertvoll
es sein kann, daß besondere Abhandlungen hierüber erscheinen,
von denen daß Büchlein von Söhngen in vorderster Reihe zu
stehen verdient, zumal ihm gewiß geglückt ist, auf beschränktem
Raum zu einer gewissen systematischen Geschlossenheit
zu gelangen.

Berlin Hans-Georg Fritzsche

Robert, Jean-Dominique, O. P.: Approche contemporaine d'une
affirmation de dieu. Essai sur le fondement ultime de l'acte scienti-
fique. Preface de Dominique Dubarle, O. P. Bruges: Desclee de
Brouwer [1962]. 250 S. gr. 8° = Museum Lessianum section philo-
sophique No. 50. Lw. bfr. 210.—.

Der Verfasser ist Dominikaner, er wurde 1910 in Lüttich
geboren, seine literarische Produktion umfaßt eine Anzahl
Bücher, z.B. L'existentialisme, Espoirs et craintes und Existence
de Dieu et conscience moderne, und er ist dabei, eine Introduc-
tion ä la metaphysique zu schreiben. Im vorliegenden Werk ist
das Problem: Ist es der Wissenschaft und dem philosophischen
Denken möglich, einen Ausgangspunkt zu finden, von dem
aus wir zur Annahme der Existenz Gottes geführt werden können
? Die Frage ist, ob ein esprit scientifique zum Esprit Divin
oder zu der Notwendigkeit, Gottes Sein anzunehmen, hinführt.
In einem Vorwort zu dem Buch schreibt der Dominikaner
D. Dubarle, die Gottesvorstellung habe an Erhabenheit und
Reinheit durch die Arbeit des menschlichen Gedankens mit ihr
gewonnen, doch könne nicht in derselben Weise davon die
Rede sein, daß die Gottesvoretellung dadurch an Sicherheit gewonnen
habe. Die Katholiken arbeiten indessen beständig mit
dem Problem, und dazu sind sie genötigt, weil das Vaticanum
dekretiert hat, daß derjenige Anathema sei, der leugne, daß
Gott durch das natürliche Licht des menschlichen Verstandes
sicher erkannt werden könne. Um jedes Mißverständnis zu
vermeiden, ist zu bemerken, daß dort cognosci steht und nicht
demonstrari (bewiesen werden). Dieser Ausdruck kommt dagegen
in dem Antimodernisteneid von Papst Pius X. vor, aber —
wie ich mir von katholischer Seite habe sagen lassen — mit
zweifelhaftem Recht.

Ob Gottes Dasein mit objektiver Sicherheit und Gültigkeit
erkannt werden kann, wird sicher der Gegenstand von Uneinigkeit
sein. Man kann wohl höchstens untersuchen, welche
Folgen es hat, je nachdem, ob man Gottes Existenz annimmt
oder 6ie ablehnt; aber auf diese Weise kommen wir sowohl von
der Erkenntnis als auch vom Beweis ab, und beides, sowohl
cognosci als auch demonstrari, setzt voraus, daß Gott Gegenstand
des Denkprozesses ist. Er wird terminus ad quem, während
er rechtmäßig als terminus a quo oder als das Apriori von
Gültigkeit überhaupt angesehen werden muß (Vgl. meine
,,Religionsphilosophie", deutsche Übersetzung, 1960, S. 69-71).
Es zeigt sich denn auch, daß die Erwägungen immer mehr in
diese Richtung gehen, auch in Pater Roberts Buch, wenn er von
Einheit und von etwas Unbedingtem hinter allen Relationen
spricht, die ihre Gültigkeit nicht in sich selbst haben können.
Die Wissenschaft ruht auf einem Postulat, denn sie kann nicht,
ohne ihre eigenen methodologischen Rahmenfassungen zu überschreiten
und aufzuhören, Wissenschaft zu sein, sich selbst ihre
letzten Gründe und „la justification authentique" geben. Das
Universum des Wissenschaftlers ist eine Welt von Wahrheiten,
die durch unpersönliche und universelle Gesetze bestimmt
wird, welche „des lois de l'esprit" sind oder de l'Esprit, wie
einige es lieber schreiben wollen. Aber hier scheint sich ja ein
Weg zur Transzendenz hin zu öffnen. Es liegt etwas wie ein
Mysterium darin, daß unsere Gedanken sich sowohl mit dem
Kontingenten als auch mit dem Notwendigen beschäftigen.
Haben wir hier nicht einen Gedanken, der mit großem Anfangsbuchstaben
zu schreiben ist, une Pensee unique, der kein Suchen
nach der Wahrheit, sondern ein sie-Besitzen ist? Haben
wir hier nicht eine Wahrheit, die la Verite mesurante, und
nicht bloß mesuree, ist, also etwas, das mißt, ohne selbst
Gegenstand des Messens zu sein? Oder wie es von Einstein
und de Broglie formuliert worden ist: Das wirklich Mysteriöse
ist, daß das Universum Gegenstand des Denkens werden kann.

Wenn Pater Robert von einem „Beweis" für das Dasein
Gottes spricht, so will er das Wort in Anführungsstriche gesetzt
haben — im Gegensatz zu dem demonstrare des Anti-
modernisteneides. Es darf unter keinen Umständen von so
etwas die Rede sein, was man in der Wissenschaft „einen
zwingenden Beweis" nennt, und überhaupt nicht von der Art,
wie wir sie in der Geometrie und der Arithmetik antreffen.
Linter den vielen Philosophen, die Pater Robert zitiert, ist auch
Gabriel Marcel, der gesagt hat, daß die metaphysische
Forderung nach Gott untrennbar begleitet wird von der Anrufung
Gottes. Man kann nicht seine Zuflucht zu ihm nehmen
als zu einem einfach-verständlichen, abstrakten Erklärungsprinzip
, sondern nur als zu einer Person, mit der der Dialog
sich mit Notwendigkeit verpflichtend einläßt. Hiermit ist indessen
einem anderen Problem vorgegriffen, das seine Beantwortung
finden muß. Dieses wurde vor 300 Jahren von Pascal
zur Sprache gebracht, als er von dem Gott Abrahams, Isaaks
und Jakobs sprach im Gegensatz zu dem Gott der Philosophen
und Gelehrten, und die Frage ist, ob hier von einer Identität
gesprochen werden kann oder ob der Gott der Bibel und der
geschichtlichen Offenbarung ein ganz anderer ist als derjenige,
zu dem die Philosophen durch einen logischen Gedankenprozeß
gelangen. Der dänische Philosoph Rasmus Nielsen beantwortete
die Frage vor 100 Jahren mit einem Ja, und andere
haben seitdem dasselbe getan. Das gilt z.B. für Leon Brunschwieg
und Henri Bergson, von denen der erstere sich am ehesten für
den Gott der Philosophie einsetzte, der letztere am ehesten für
den Gott der Religion.

Hier muß Robert aber unbedingt protestieren. Die beiden
Größen sind identisch, und Christenmenschen sollen nicht scheiden
, was Gott selbst vereint hat, nämlich Vernunft und Glauben
, raison et foi. Ein gesunder theologischer Realismus — was
auch etwa später eindeutig darunter verstanden werden soll —
weiß nur allzugut, daß diese beiden Formen von Licht im gleichen
Grade von Gott kommen, und daß der wahre Gott der wahren Religion
nicht im Gegensatz stehen kann zu dem wahren Gott der wahren
Philosophie. Diese Worte dürften die schwächsten des ganzen
Buches sein. Ob sie der Ausdruck für einen „gesunden theologischen
Realismus" sind, darüber kann man streiten; aber über
allen Zweifel erhaben ist es, daß sie von einer bestimmten
theologischen Richtung einer bestimmten geschichtlichen Periode
hergeholt sind. Es handelt sich hier um die Behauptung der
Scholastik vom Ursprung des Glaubens und Wissens aus derselben
göttlichen Quelle; aber diese „zufällige historische"
Auffassung kann man nicht als Argument in einer philosophischen
Abhandlung gebrauchen, die in ihrem Verfahren zeitlos
sein will. Ein Zitat aus Etienne Gilson, das die Behauptung
stützen soll, geht denn auch längst nicht so weit; denn Gilson
sagt nur, daß die Unterscheidung zwischen der natürlichen Vernunft
und dem übernatürlichen Glauben es erlaube, daß derselbe
Intellekt in der Philosophie wissen kann, was die Philosophen
von Gott wissen, und als Christ glauben kann, was die
Christen von Gott glauben.

Das Ziel ist überall, vom Kontingenten zum Notwendigen
und von der Vielheit zur Einheit zu kommen, die dahinter
liegt. Es gilt auch, von deiner und meiner Wahrheit, die von
der Zeit, in der wir leben, geprägt ist, zu der Wahrheit, la
Verite, zu kommen, die Gott ist, der eine Existenz „omni-tem-
porelle et surtemporelle" ist und alle Einzelwesen und Einzelgedanken
transzendiert. Er ist notwendig, im Gegensatz zu
allen kontingenten Einzeldingen, die nur faktisch sind; aber es
läßt sich nicht machen, die Notwendigkeit auf die reine Fakti-
zität zu gründen — ein Ausdruck, der gut aus Sören Kierkegaards
Philosophie stammen könnte. Robert richtet daher seinen
„Beweis" auf der Grundlage eines doppelten Gegensatzes