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1964

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Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 1

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tion unbedingt ernst nimmt, und drittens muß sie von dem
Neuen Sein in Jesus Christus zeugen, aus dem heraus jenes
Wort in Vollmacht gesprochen werden kann.

Der Auswahlband wird mit Aufsätzen sehr verschiedenen
Inhaltes — mit 2 Ausnahmen aus neuerer Zeit — abgeschlossen.
Wenigstens die Aufzählung der Titel mag ein Bild von dem
weitgespannten Radius der Arbeiten Tillichs vermitteln: Das
christliche Menschenbild im 20. Jahrhundert (1955), Das christliche
Verständnis des modernen Menschen (1959), Kairos und
Utopie (1959), Christentum und Marxismus (1960), Moralismen
und Moral (1959), Philosophie und Theologie (1941), Der
Widerstreit von Zeit und Raum, Humanität und Religion
(1958), Ist eine Wissenschaft von den Werten möglich? (1961),
Die technische Stadt als Symbol (1928), Zur Theologie der
bildenden Kunst und Architektur (1961).

Es ist nur selbstverständlich, daß bei einem so originalen
und universalen Theologen und Philosophen, der die Probleme
abseits von traditionellen Denkschablonen neu zu klären versucht
, kritische Fragen und Bedenken nicht ausbleiben. So wird
beispielsweise die Verhältnisbestimmung von Philosophie und
Theologie im Sinne der Korrelation von philosophischen Fragen
und theologischen Antworten sowohl den Theologen wie den
Philosophen zu kritischen Rückfragen, vielleicht sogar zum
Widerspruch reizen. Gleiches gilt für die Interpretation der
Christologie durch den unpersonalen Begriff des „Neuen Seins".
Überhaupt bedient sich Tillich in einer ungewöhnlichen Weise
nicht - personaler Begriffe (Vgl. dazu den kritischen Aufsatz von
Otto Wolff „Paul Tillichs Christologie des .Neuen Seins'
Neue Zeitschrift für Systematische Theologie, 1961, S. 129
—140). An diesen Punkten wird der kritische Dialog mit Tillich
geführt werden müssen. Für solche innertheologische Diskussion
aber ist die Basis des im vorliegenden Bande gesammelten
Materials zu schmal. So weist dieser Auswahl-Band über sich
selbst hinaus auf die Hauptwerke Tillichs, auf seine „Systematische
Theologie" und seine „Gesammelten Werke".

]ainz Hermann Fischer

[T11H C h, P.:] Paul Tillidis Werk im Spiegel der Reden und Artikel
zu seinem 75. Geburtstag am 20. August 1961. Mit Aphorismen
Paul Tillidis zum Titel der Festgabe „Der Spannungsbogen". Stuttgart
: Evang. Verlagswerk 1961/62. 47 S. 8°.

Das vorliegende Heft enthält eine Sammlung von Rundfunkansprachen
, Zeitschriften- und Zeitungsartikeln, die aus
Anlaß von Tillichs 75. Geburtstag am 20. August 1961 gehalten
und verfaßt worden sind. Alle diese Ausführungen sind
auf den Ton des Lobes und des Dankes für die großartige und
umfassende Leistung des Theologen und Philosophen Paul
Tillich gestimmt. Die Fragen und Bedenken, die sich gegenüber
dem Lebenswerk mit einer gewissen Notwendigkeit einstellen,
treten verständliclierweise fast vollständig in den Hintergrund.
Nur Hans Walter Wolff macht auf die kritische Stimme Otto
Wolffs mit seinem Aufsatz über „Paul Tillichs Christologie des
.Neuen Seins' " (Neue Zeitschrift für systematische Theologie
1961) aufmerksam.

Das Heft beginnt mit Rundfunkansprachen, gehalten von
Paul Althaus über „Paul Tillich - ein Theologe unserer Zeit",
Heinz-Dietrich Wendland über „Rechtfertigung des Zweiflers"
und Hermann Noack über „Tillich nimmt den Menschen der
Gegenwart ernst". Der 2. Teil bietet Zeitschriftenartikel von
Helmut ThieÜcke, Manfred Plate, Walter Hartmann, Karl Hennig
und Hans Walter Wolff. Der letzte Teil enthält eine Fülle
von Zeitungsartikeln. Abgeschlossen wird dieses Sammel-Heft
mit geistvollen Aphorismen Paul Tillichs zum Thema „Der
Spannungsbogen", mit denen Tillich den Herausgebern und
Mitarbeitern der so betitelten Festgabe für ihn gedankt hat
(„Der Spannungsbogen", Evgl. Verlagswerk, Stuttgart 188 S.).

Die hier vereinigten Vorträge und Artikel unterrichten
über den Lebensweg Paul Tillichs und versuchen darüber hinaus
— soweit das auf dem schmalen Raum möglich ist — eine Deutung
seiner theologischen und philosophischen Arbeit. Hervorzuheben
sind in dieser Hinsicht die ersten beiden Beiträge von
Paul Althaus und Heinz-Dietrich Wendland. So wird d;ese Aufsatzsammlung
als Einführung in die Gedankenwelt Tillichs besonders
für den, dem das Werk Tillichs noch nicht vertraut ist,
ihre guten und nützlichen Dienste leisten.

Mainz Hermann Fischer

Barnard, L. W.: The Church and the Non-Christian Faiths (AThR
45, 1963 S. 264—269).

Barth, Karl: Dank und Reverenz [Rede anläßlich der Entgegennahme
des Sonning-Preises] (EvTh 23, 1963 S. 337—342).

Kupisch, Karl: August Bebel — Zu seinem 50.Todestag am 13. August
1963 (Kirche in der Zeit 18, 1963 S. 335—338).

Toth, Karoly: Bischof D. Albert Bereczky — siebzig Jahre alt (JK
24. 1963 S. 433—436).

Wils, J.: Aspects of Sacral Language (Babel — International Journal
of Translation 9, 1963 S. 36—48).

RELIGIONSWISSENSCHAFT

Merkelbach, Reinhold: Roman und Mysterium in der Antike.

München-Berlin: Beck 1962. XII, 347 S., 6 Taf. gr. 8°. DM 30.— ;
Lw. DM 34.—.

Dieses Buch begann ich mit Spannung zu lesen. Es setzt
Forschungen Kerenyis fort, die einen Zusammenhang zwischen
den griechischen Romanen und den Mysterien herausarbeiten
und erläutern wollen (Die griechisch-orientalische Romanliteratur
in religionsgeschichtlicher Beleuchtung 1927). Diese Arbeit
schien mir damals von den Fachgenossen zu wenig gewürdigt
zu sein. Der reichere Stoff, den uns heute Merkelbach bietet,
schien vielleicht geeignet, Zweifel zu zerstreuen. Das war dann
in der Tat der erste Eindruck, als ich mich in die Sache vertiefte
. Daß in dem großen Romane des Apuleius Psyche ungefähr
dieselben Schicksale erlebt wie Lucius, der Held des Buches
, läßt sich nicht bestreiten usw. Aber alsbald kamen doch
wieder Bedenken.

Sie setzen bereits bei der Arbeitsweise des Verfs. ein.
Wenn man in den Romanen auf Schritt und Tritt Hinweise auf
die Mysterien findet, möchte man zunächst einmal herausarbeiten
, wa6 wir aus anderen Quellen über die Mysterien erfahren.
Dazu gibt es ja allerlei Möglichkeiten. Hier aber beginnt der
Zweifel an des Verfs. Finderglück. Gewisse Bräuche, die in seiner
Arbeit eine große Rolle spielen, treten in der übrigen Überlieferung
zurück; so vor allem der hieros gamos. Wohl ist zu
erkennen, daß Hochzeitssitten und Mysterienhandlungen vielfach
dieselben sind; aber das ergibt sich daraus, daß nicht selten
(vor allem in Eleusis) die Mysterien zunächst die Einführung
in einen Familienkult sind; Bräute (desgleichen eben geborene
Kinder und neu gekaufte Sklaven) unterliegen also dem
Mysterien-Brauchtum. Auch die Erzählung des Josephus von
Mundus und Paulina (S. 17) gehört nicht hierher; das ist eine
wandernde Geschichte, die, wenn sie einen besonderen Sinn hat,
etwa ein Beispiel für Priesterbetrug sein soll (O. Weinreich, Der
Trug des Nektanebos 1911). Ebenso ist die „Züchtigung" des
Mysten selten bezeugt. (Der Ausdruck stammt vom Verf.; ich
würde ein anderes Wort vorziehen; ist die Absicht nicht eher
die, durch Schläge das Böse aus dem Menschen herauszutreiben
? Bei dem Worte Züchtigung denkt man an die Bestrafung
von Sünden; aber ein solcher Gedanke liegt den Griechen im
allgemeinen fern; die bekannten Anekdoten über ein Sünden-
bekennrnis, das in Samothrake verlangt wurde, sind kaum sicher
zu enträtseln.) Einen Rückschluß aus einer Romanerzählung auf
einen Mysterienbrauch würde ich ablehnen, wenn nicht andere
Zeugnisse vorliegen. Es erscheint mir bezeichnend, daß der
Verf. ebenfalls an verschiedenen Stellen unsicher ist; z. B. S. 20,
Anm. 4 und S. 85, Anm. 3. Zuweilen liest er übrigens aus seinen
Texten auch gnostische Gedanken heraus (im engeren Sinne
des Wortes), Gedanken, die für Mysterien nicht bezeugt sind
(S. 227 unten; besonders S. 85, Anm. 3).

Ich würde unserem Verf. eher zustimmen, wenn in den
Romanen Hinweise auf den Mysteriendienst deutlich angemerkt
wären. Dichtungen, die als hieros logos dienen oder einem solchen
nahestehen, bringen solche Anmerkungen; so der homerische
Demeterhymnus V. 205 und die entsprechende Dichtung
Ovids fasti IV 494, 504, 535 f. An derartigen Stellen wird bei
einem hieros logos der „Sitz im Leben" siditbar. Wie stellt sich