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Ausgabe:

1964

Spalte:

363-364

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Melito Sardianus, Vom Passa 1964

Rezensent:

Lohse, Bernhard

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Seite 1

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363

Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 5

364

Würzburger Domprop6t und Generalvikar Dr. Fuchs, dem es
zum 75. Geburtstag als Festgabe dargebracht wird, Ehre macht.

Nürnberg Matthias Si m on

Bohlender, Rolf: Dom und Bistum Speyer. Eine Bibliographie.
Speyer: Pfalz. Landesbibliothek 1963. XVII, 189 S. gr. 8° = Pfalz.
Arbeiten z. Buch- u. Bibliothekswesen u. z. Bibliographie, H. 5.
DM 18.50.

KIRCHEN GESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Meli ton von Sardes: Vom Passa. Die älteste diristliche Oster-
predigt. Übers., eingeleit. u. kommentiert v. ]. B1 a n k. Frei-
burg/Br.: Lambertus - Verlag 1963. 131 S. 8° = Sophia, Quellen
östlicher Theologie, hrsg. v. J. Tyciak u. W. Nyssen, Bd. 3. Lw.
DM 13.60.

Von der erstmalig 1940 herausgegebenen Passa -„Homilie"
Melitons von Sardes1 hat kein Geringerer als F. L Cross gesagt,
sie sei der interessanteste und bedeutendste Fund dieses Jahrhunderts
auf dem Gebiet der Patristik". Bei der umfangreichen
Debatte über diesen Text, die freilich auf seine theologische
Bedeutung bisher nur teilweise eingegangen ist', hat sich in den
letzten Jahren gegen manche anfänglichen Zweifel die Echtheit
der Homilie wohl endgültig bestätigt, vor allem durch die Auffindung
einer weiteren Handschrift4. Um diese wichtige frühchristliche
Schrift breiteren Kreisen bekannt zu machen, zugleich
aber auch um ihre theologische Erforschung voranzutreiben, hat
J. Blank, Assistent am neutestamentlichen Seminar in Würzburg,
eine kommentierte Übersetzung vorgelegt.

Zunächst würdigt Verf. im ersten Teil, „Einleitung und Kommentar
" (S. 11—97), Meliton als einen Bischof des 2. Jhdts., wobei das
einschlägige Material über ihn zusammengetragen wird. Es folgt eine
kurze Skizzierung der „Homilie" sowie eine ausführliche Erörterung
über „Das Passafest der Quartadezimaner ( = Q.) und die Entstehung
des christlichen Osterfestes". Der umfangreichste Unterabschnitt
dieser Einleitung ist dem Aufbau und der Theologie der „Homilie"
(S. 42—97) gewidmet. Der zweite Teil bringt alsdann die Übersetzung
(S. 99—131). Im Folgenden gehen wir in umgekehrter Folge wie der
Verf. zunächst auf die Übersetzung, sodann auf den Kommentar und
die kirchengeschichtliche Einordnung ein.

Was die Übersetzung betrifft, so muß leider konstatiert
werden, daß sie an nicht wenigen Stellen flüchtig, ungenau oder
geradezu falsch ist.

Einige Beispiele seien genannt, die die Arbeitsweise des Verfs.
charakterisieren mögen; sie können leicht vermehrt werden. Zitiert
wird hier nadi §§ und Zeilen innerhalb der §§ nach der Übersetzung
des Verfs.

Die einleitenden Worte der „Homilie" lauten nach A und B:
'H ftsv yga<p>l "7? 'Eßgaixfj; 'E£ööov dveyycoaxai xai zä (jq/*ara xov
ßvarrjQiov öiaasad(ptjTai. Das Wort Scao. hat G. Zuntz, T. W. Manson
und auch mich selbst"' zu der Hypothese veranlaßt, der Text sei zunächst
auf Hebräisch verlesen und dann ins Griechische übersetzt
worden. Nicht nur die synagogale Praxis der Diaspora, sondern auch
die 2. Kolumne von Origenes' Hexapla stützen diese Vermutung. Vor
allem aber läßt sich dtao. schwerlich anders verstehen. Eine der „Homilie
" vorangehende, kurze erste Auslegung ist nicht nur unwahrscheinlich
, sondern würde auch dem Verweis der „Homilie" nur auf eine
Verlesung (§11,3) widersprechen. Verf. erklärt diese Hypothese für
haltlos (S. 45), hilft sich aber mit der ganz unmöglichen Übersetzung
„verkünden" für diao. — § 3,3: A liest hier nicht, wie Verf. anmerkt
, „Gnade". — § 3,4 steht nicht, wie Verf. voraussetzt, xard,
sondern Siä. — § 22, 2 übersetzt Verf. das Futur präsentisch. — § 24,
10—14 übersetzt Verf. die Imperative 2. pers.sing, als Cohort. 3.pers.
sing. — § 3 5, lff. liegt kein Irrealis vor. — § 3 5,3 nqoxivrrjfia heißt
nicht „Vorsatz". Dieser für die heilsgeschichtliche Theologie Melitons

*) ed. Campbell Bonner, Studies and Documents XII, 1940; ed.
B. Lohse, Textus Minores 24, 1958. Im Folgenden ist dieser Text als
„A" bezeichnet.

2) JThSt N. S. 11, i960, S. 162.

*) Sehr wichtig für die Würdigung der Theologie Melitons ist
der Aufsatz von J. Danielou, Figure et Evenement chez Meliton de
Sardes, in: Neotestamentica et Patristica — Festschrift O. Cullmann,
1962, S. 282 ff.

4) ed. M. Testuz, Papyrus Bodmer XIII — Meliton de Sardes,
Homelie sur la Päque, 1960; im Folgenden als „B" bezeichnet.

°) B. Lohse, Das Passafest der Quartadecimaner, 1953, S. 75,
Anm. l.

so wichtige Begriff meint vielmehr den Entwurf, den ein Künstler zunächst
für sein geplantes Kunstwerk anfertigt, also geradezu das-.
Modell (cf. §36). „Vorbild", wie Verf. § 36,4.12 übersetzt, oder
„Absicht" (§40,1), ist ebenfalls zu blaß. — § 69,7/8 ist in der Übers,
eine Zeile ausgefallen. — § 80,10: seit wann heißt xQivea&ai
„schreien"? — § 103,9 liest B Xovtqöv*. Verf. sieht hier einen entscheidenden
Beleg für seine These, daß die Passafeier der Q. mit
einer Taufe verbunden gewesen ist (S. 74 ff., 93). Er verschweigt, daß
A, aber auch die lat. Versionen Ivtqov bzw. redemptio lesen. —
§ 103, 16 —18 hat Verf. die gesamten Futura des „eschatologischen
Ausblicks" präsentisch übersetzt.

Verf. hält den Text B ( = 3. Jh.) durchgehend für besser als A
( = 4. Jh.). Darum will er sich, wie er sagt, an B halten (S. 24), zu-
gleidi aber die wichtigeren Abweichungen von A notieren. An diese
Regel hat er sich keineswegs immer gehalten. Ohne Vermerk hält er
sich z.B. an folgenden Stellen an A statt an B: §§ 9,2.4; 23,5;
44,7; 59,2; 66,4. — Es ist kein Zweifel, daß B an einigen Stellen
Lücken von A füllt und manchmal auch einen besseren Text bietet.
Aber das Umgekehrte gilt ebenso, was Verf. durch seine Verfahrensweise
indirekt zugibt. A und B hätten sorgfältig und detailliert verglichen
werden müssen, bevor pauschale Urteile über den größeren
oder geringeren Wert beider Texte abgegeben werden.

Verf. hat ferner versucht, weitere biblische Zitate nachzuweisen.
An vielen Stellen kann man freilich zweifeln, ob es sich wirklich um
Zitate und nicht vielmehr um bloße Anklänge handelt, da etwa
manche joh. Aussagen ganz in den Duktus der „Homilie" aufgenommen
worden sind. Manche angeblichen Parallelen, die Verf. nennt,
sind geradezu unsinnig. So z. B. § 2,2 ff. (Das Geheimnis des Passa
ist neu und alt), wo Verf. auf Mt. 13,52 verweist.

Was die theologische Würdigung der „Homilie" betrifft,
so ist dem Verf. nicht nur der wichtige, über des Verfs. Auslegung
weit hinausführende Aufsatz von Danielou (s. o. Anm. 3)
entgangen, sondern auch die Bemerkungen von F. L. Cross. Cross
hat, meine eigenen Beobachtungen weiterführend, die begründete
Vermutung geäußert, daß es sich bei diesem Werk Melitons
nicht um eine eigentliche Homilie, sondern um eine christliche
Passa-Haggadha handle7. Statt in der Richtung weiterzufragen,
die die Forschung hinsichtlich der Q. und besonders der Passa-
„Homilie" seit einem Jahrzehnt genommen hat, argumentiert
Verf. von neuem mit der Differenz zwischen synopt. und joh.
Passionschronologie, um dann zu behaupten, daß die q. Passafeier
am Datum des Herrentodes (nach Joh.) orientiert sei
(S. 26; 30; 35). Aus der „Homilie" meint Verf. entnehmen zu
können, daß das Passafest der Q., jedenfalls um 160, eine Feier
des Todes und der Auferstehung war (S. 40); S. 41 heißt es
freilich, daß es „das Osterfest der joh. Überlieferung" sei. Verf.
meint, in der „Homilie" zahlreiche Zitate des Symbols finden
zu können (S. 74 ff.; 94). Das Glaubensbekenntnis soll sogar
dem Aufbau der „Homilie" zugrunde gelegen haben (S. 95). Von
den Schwierigkeiten, die sich jedem Versuch entgegenstellen, zu
so früher Zeit ein genau festgelegtes Symbol nachzuweisen, verrät
er nicht die geringste Kenntnis. Um so eifriger arbeitet Verf.
mit Hypothesen. Bei Meliton sollen Ostern ( ?) und Taufe verbunden
sein; die höchst problematische Textgrundlage (s. o.)
verschweigt er. Wenn er mir vorwirft (S. 95), ich hätte die
„Homilie" fälschlich als Beleg für die eschatologische Erwartung
der Q. herangezogen, so kann er diesen Vorwurf nur erheben,
weil er den Schlußabschnitt (§ 103; s. o.) falsch übersetzt.

Da durch diese Beispiele die Arbeitsweise des Verfs. hinreichend
gekennzeichnet 6ein dürfte, kann ich es mir wohl versagen
, die zahlreichen Unrichtigkeiten, die Verf. in Auseinandersetzung
mit meinem Buch (s. o. Anm. 5) behauptet, einzeln zu
widerlegen. Es scheint, daß Verf. mit seinem Werk eine polemische
Absicht verbunden hat. Durch die heilsgeschichtliche
Theologie der Passa-„Homilie" wird, wie er meint, nicht nur
R. Bultmanns „existentielle Interpretation" des NT (S. 91,
Anm. 61), sondern auch M. Werners Darstellung der Dogmen-
geschichte „restlos erledigt" (S. 96, Anm. 68). Wessen Arbeitsweise
freilich durch die Passa-„Homilie" „restlos erledigt" wird,
mag dem Urteil des geneigten Lesers überlassen bleiben.

Hamburg Bernhard Loh se

6) S. 93 akzentuiert Verf. Xovtqov!

7) JThST N. S. 11, i960, S. 163; The Early Christian Fathers,
1960, S. 104 ff., bes. S. 107.