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Ausgabe:

1964

Spalte:

362-363

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Urkundenregesten zur Geschichte des Zisterzienserinnenklosters Himmelspforten 1964

Rezensent:

Simon, Matthias

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Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 5

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recht zu machen. Damit nicht genug, führten die an Bd. 15 der
Reichstagsakten anknüpfenden Auseinandersetzungen nicht nur
zu einer Reform der Editionsmethoden, sondern auch zu einer
Änderung der allgemeinen Richtlinien und letztlich sogar des
Begriffs, was eigentlich unter „Reichstagsakten" zu verstehen
und in diese aufzunehmen sei. Gewiß kann man die programmatischen
Ausführungen Heimpels in seinem auf S. I erwähnten
Aufsatz, daß man statt der früheren „Beschränkung auf Reichstage
und ergänzende Tagungen . . . Akten zur Reichsgeschichte
überhaupt geben", und die internationale Politik, soweit sie
auf das Geschehen im Reich Bezug nimmt, stärker als bisher
berücksichtigen müsse, nur lebhaft begrüßen und ihnen vorbehaltlos
beipflichten. Allein in die Praxis umgesetzt, laufen sie
doch auf eine neuerliche und wesentliche Erweiterung des zu
verarbeitenden Stoffes hinaus; damit aber wurde die an sich
schon schwierige Frage der Auslese noch problematischer und
ließ sich zugegebenermaßen überhaupt nurmehr durch einen
„Kompromiß zwischen Altem und Neuem" lösen.

Da Kaemmerer eine genaue statistische Übersicht über das
von ihm herangezogene Quellenmaterial gibt, vermittelt ein
Vergleich mit dem vorangehenden Bd. 16 schon rein zahlenmäßig
ein äußerst anschauliches und interessantes Bild. Während
dort unter 331 Nummern das Verhältnis von Textabdrucken
und Regestcn noch 278 zu 53 betrug, bringt Kaemmerer nurmehr
430 Vollabdrucke, hingegen 625 Auszüge oder Teildrucke
und 663 Regesten, wozu noch 59 kollationierte Vorlagen kommen
. Diese insgesamt 1777 Einzelbetreffe seines Bandes werden
in 43 5 Nummern zusammengefaßt, von denen aber nurmehr 296
Einzelstücke sind, denen 125 Sammelnummern und 14 Akten-
referate gegenüberstehen. Das bedeutet also, daß Kaemmerer,
um der mit der Zeit überquellenden Stoffmassen Herr zu werden
, sich in weitgehendem Maße zu Kürzungen der verschiedensten
Art verstand. Damit leitet er eine Entwicklung ein,
deren Grundtendenz offenbar dahin geht, Textabdrucke in vollem
Wortlaut auf ein Mindestmaß zu beschränken zugunsten
mehr oder minder ausführlicher Regesten oder gar zusammenfassender
Referate.

Derartige sachliche Schwierigkeiten, die allerdings nach dem
wechselnden Inhalt und der jeweiligen Quellenlage erheblich
variieren können, so daß jeder Bearbeiter sie gemäß der besonderen
Problematik seines Bandes auf seine eigene Weise zu
meistern hat, sind jedoch keineswegs die einzigen. Zu ihnen
gesellen 6ich vielmehr noch solche personeller und durch die
Zeitumstände bedingter Art. Mußte doch Kaemmerer die gesamte
Arbeit an den Reichstagsakten seit 1928 neben seinem
Hauptberuf als Stadtarchivar in Aachen und zeitweilig noch als
Lehrer verrichten. Das erklärt sowohl den mißlichen Umstand,
daß er für die Fertigstellung seines Bandes volle 40 Jahre benötigte
, als auch die damit zusammenhängenden Unebenheiten
und gewisse technische Mängel, von denen hier nurmehr die
nicht immer dem neuesten Stand entsprechenden Archivsignaturen
erwähnt seien.

Das Ganze ist natürlich ein Unding, da so umfassende und
auf lange Sicht berechnete Quellenforschungen sich heuzutage
keinesfalls mehr nebenher und gleichsam mit der linken Hand
betreiben lassen. Mit vollem Recht hat darum Heimpel (a. a. O.
S- 116) bemerkt, daß die Mitarbeiter der Reichstagsakten häufig
überfordert worden seien, „weil die Wissenschaft des 19. Jahrhunderts
6ich nicht zu dem Typus des hauptberuflichen Forschers
"nd Editors" entschließen konnte. Hier bei allem, was inzwischen
geschehen ist, immer mehr Mittel für Forschungsaufgaben zur
Verfügung zu stellen, ist ein kulturpolitisches Gebot.

Was aber Kaemmerers Arbeit an den Reichstagsakten ihre
eigentliche Größe und tragische Note verleiht, ist die Leidensgeschichte
seines Bandes im zweiten Weltkrieg. Zunächst verbrannten
in Stuttgart die gesamten Verlagsbestände des eben
1939 erschienenen ersten Teilbandes. Dann fielen 1944 fast
gleichzeitig die im Laufe von Jahrzehnten gesammelten Unterlagen
für die Fortsetzung des Bandes mitsamt dem Gebäude der
Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München sowie
das schon weit gediehene Manuskript Kaemmerers in dessen
Aachener Wohnung Luftangriffen zum Opfer. Daß dieser trotz

solcher Schicksalsschläge den Mut nicht verlor und ungeachtet
aller Schwierigkeiten die ganze mühe- und entsagungsvolle
Arbeit ein zweites Mal auf sich nahm, ist nicht nur eine erstaunliche
Energieleistung, sondern zeugt auch von einem nachgerade
selten gewordenen Idealismus. Für beides schuldet ihm
die deutsche Geschichtswissenschaft volle Anerkennung und aufrichtigen
Dank.

Miindien Ernst Bock

Hoffmann, Hermann [Bearb.]: Urkundenregesten zur Geschichte
des Zisterzienserinnenklosters Himmelspforten 1231 — 1400 (Regesta
Herbipolensia IV). Würzburg: Schöningh 1962. VII, 514 S., 2 Taf.,
1 färb. Titelb., 1 Kte. gr. 8° = Quellen u. Forschungen z. Geschichte
d. Bistums u. Hochstifts Würzburg, hrsg. v. Th. Kramer,
Bd. XIV. DM 35.-.

Das Buch erscheint als Band 14 der von Theodor Kramer
herausgegebenen Reihe „Quellen und Forschungen zur Geschichte
des Bistums und Hochstifts Würzburg". Es reiht sich
würdig an die früheren Bände an, wa6 an sich schon etwas
heißen will. Der Titel „Urkundenregesten zur Geschichte..."
möchte weniger erwarten lassen als geboten wird. Was das Buch
enthält, i6t nämlich nicht weniger als die Wiedergabe des gesamten
Klosterarchivbestandes ums Jahr 1400 in Regestenform.

Der Bearbeiter — Staatsarchivrat Dr. Hermann Hoffmann —,
von dem für den Raum der Diözese Würzburg schon eine
Reihe ähnlicher Arbeiten oder historischer Darstellungen vorliegt
, gibt zuerst eine ausführliche Darstellung seines BeaTbei-
tungsverfahrens und schildert dann kurz die Geschichte des
Klosters Himmelspforten, dessen Urkunden er dann bearbeitet.
Es wurde im Jahr 1231 als Frauenkloster für den Zisterzienserinnenorden
in Himmelstadt gegründet, aber schon 1250 unmittelbar
vor die Mauern der Stadt Würzburg verlegt. Trotz
der Kürze, mit der naturgemäß dieser Teil behandelt werden
mußte, fällt dabei nicht wenig neues Licht auf Vorkommnisse
der frühen Klostergeschichte. Auf ein paar Seiten werden dann
Urkunden zur Klostergeschichte gebracht, die sich heute nicht
mehr beim ehemaligen Klosterarchiv, sondern im Hauptstaatsarchiv
München befinden.

Zur eigentlichen Arbeit leiten Berichte über das Klosterarchiv
sowohl nach seinen Originalurkunden wie nach seiner
kopialen Überlieferung, solche über die Klosterangehörigen, bei
denen für die Äbtissinnen vor 1400 eine ausführliche Liste geboten
wird, und kurze Angaben über den Klosterbesitz und
die Klostersiegel. Die beiden letzteren werden durch Abbildungen
von Siegeln bzw. durch eine Karte des Besitzes ergänzt.

Die eigentliche Arbeit bringt von S. 67—396 410 Regesten. Sie
werden in vollendeter Regestierungstechriik geboten, wobei man
höchstens Maßangaben über die Größe der einzelnen Urkunden vermissen
könnte — das aber auch nur deshalb, weil beim Essen gerade
an einer so voll besetzten Tafel der Appetit kommt. Bei der Beschreibung
der Urkunde selbst fehlen natürlich auch nicht die Rückenvermerke
und Archivnotizen. Sorgfältig wird angegeben, wo der Text
gedruckt vorliegt, was nur höchst selten der Fall ist, oder auch, wo
sich bereits Regesten finden, was nicht selten in früheren Veröffentlichungen
des Bearbeiter« der Fall ist.

Von besonderem Wert ist das ganz ausgezeichnete Register
(397—514). Das Orts- und Personenregister ist ineinandergearbeitet.
Ein Wort- und Sachregister schließt sich an. In beiden Registergruppen
6ind die Stichwörter ungewöhnlich reich spezialisiert und mit genauen
Angaben versehen. Diese Anordnung erspart nicht nur vielfach ergebnisloses
Nachschlagen, sondern schenkt auch gleich wieder neue
Gesichtspunkte. Gerade bei diesem Register zeigt sich, daß dieser
Band sehr viel mehr bietet als „Urkundenregesten zur Geschichte des
Klosters Himmelspforten". Er bietet aus dem reichen Schatz der Urkunden
dieses Klosters wertvollsten Stoff für die Geschichte aller
Orte, in denen Himmelspforten Besitze hatte. Das ist in auffällig
geschlossener Weise der Raum zwischen den beiden Maindreiecken —
vom Spessart bis an die Frankenhöhe und von Schweinfurt bis in die
Nähe von Aub.

Nicht weniger aber findet die Kultur- und Wirtschaftsgeschichte
reiche Ergebnisse.

So ist das Buch ein Werk, auf das nicht nur der Bearbeiter
und der Herausgeber stolz sein können, sondern das auch' dem