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1964

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Neues Testament

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Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 5

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fasser die angeblich monarchische, territorial unbeschränkte
Zentralleitung des Apostolats. 1. Kor. 15,11 soll beweisen,
daß die „Altapostel" Jerusalems auch für Paulus oberste Lehr-
und Glaubensinstanz sind, in deren Hand die kirchliche Zentralgewalt
, das Recht der Geistmitteilung und Ordination gelegen
habe. Ganz konsequent wird Paulus in eine geschichtliche Kontinuität
zum Frühkatholizismus gestellt und der Apostolat zur
„Keimzelle der Entwicklung der eigentlichen Kirchenorganisation
und Hierarchie der Folgezeit" erklärt (S. 75).

Der letzte Teil des Buches befaßt sich dann in Sonderheit
mit den Pastoralbriefen, die als paulinisch gelten. Zunächst aber
geht Maier auf Phil. 1, 1 ein, wo der Plural tmoy.onoi das
Vorhandensein einer episkopalen Kollegialverfassung erweisen
soll; aus dem Plural folge jedoch nicht, daß das Episkopen-
kollegium in Philippi der monarchischen Spitze entbehrt hätte
(S. 91 f.). Das sei um so weniger wahrscheinlich, als überall
dort, wo Kollegialverfassungen anzutreffen seien, Zentralisierung
eine selbstverständliche Notwendigkeit werde. Maier weist auf
die Analogie der Magistratskollegien, die eine Tendenz zur
Einsetzung eines Präsidenten zeigten, was seiner Meinung nach
auch die Entwicklung zum monarchischen Episkopalsystem befördern
mußte. Hinzu komme das Vorbild des Apostelkollegiums
mit der monarchischen Spitze in Petrus und das Vorbild
des Jerusalemer Presbyterkollegiums mit der monarchischen
Spitze in Jakobus; Ignatius beweise endlich, daß eine ausgebildete
dogmatische Theorie über die hierarchische Dreigliederung
mit dem monarchischen Bischof an der Spitze kein
Neuprodukt des 2. Jahrhunderts darstellen könne (S. 92 ff.).

Besondere Bedeutung kommt in dieser ganzen Entwicklung
natürlich den Pastoralbriefen zu. Zwar zeigen auch sie zunächst
noch die „primitive Kollegialverfassung", doch handele es sich
im 2. Tim.- und Tit.-Brief um „Zwischenglieder zwischen der
Presbyter-Episkopal-Verfassung und dem monarchischen Episkopat
" (S. 96 ff.). Die entscheidende Entwicklungsphase sei der
Übergang von den aussterbenden Aposteln auf zunächst zeitweilig
, dann dauernd bevollmächtigte Stellvertreter bzw. Nachfolger
. Timotheus und Titus sind für Maier apostolische Delegaten
, deren Amt dem von Metropoliten ähnelt, denen jedenfalls
„völlige bischöfliche Organisations-, Jurisdiktions- und
Disziplinargewalt" zustehe.

Man 6ieht, Maier zeichnet ein eindrucksvolles Gesamtbild;
man sieht freilich sofort auch die Perspektive, aus der heraus
dieses Bild entworfen wurde. Maier ist denn auch überzeugt,
die Organisationsanfänge der katholischen Kirche zu erheben
(S. 11, vgl. auch S. 78). Das wurde ihm dadurch erleichtert, daß
er sein Bild mosaikartig aus echten Paulinen, den Deuteropau-
linen, vor allem den Pastoralbriefen, und der Apostelgeschichte
zusammensetzte. Was sich in dieses Bild nicht recht einfügen
läßt, wird z. B. auf die „exzeptionellen Verhältnisse" in
Korinth zurückgeführt (S. 66) oder sonstwie entschärft. Die
verspätete Publikation des Buches zeigt sich schon daran, daß
z.T. noch Positionen bekämpft werden, die längst geräumt
worden sind, etwa die Anschauung, die Paulus primär als
Visionär, Ekstatiker und Enthusiasten verstehen wollte (S. 54).

Die Theologie des Paulus bleibt ganz im Hintergrund und
scheint für die Lösung der praktischen Fragen irrelevant zu sein.
Gewiß, Paulus ist auch (I) Theologe (= „der Mann der großen
religiösen und sittlichen Ideale"), aber 6eine „Theorie" und sein
„theologischer Optimismus" sind nach Maier eben doch etwas
anderes als „die Wirklichkeiten des Lebens" (S. 40 f.): „Der
praktische Organisator untersteht anderen Geboten und Gesetzen
als der lediglich theoretisierende Idealist" (S. 51). Wo
die paulinische Theologie als Theorie betrachtet und auf ihren
„Erfolg" hin befragt wird („den wirklichen Dauererfolg hat
letzten Endes überall nur der kirchliche Organisator" davongetragen
, S. 40), da darf man sich freilich über die Konsequenzen
nicht wundern.

Die Bedeutung der Mannigfaltigkeit der Charismen kommt
nicht in Sicht; gegen l.Kor. 12,28, wo die xvßegvqoni; zu
den ■xaQionara gezählt werden, wird sogar ausdrücklich festgestellt
, daß die Charismariker „nicht die Träger der Ordnung der

Gemeinde" seien (S. 67). Von der Selbstverantwortung der Gemeinde
und der Tatsache, daß der einzelne nicht dem Apostel,
sondern dem Herrn selbst unmittelbar unterstellt wird, hört
man wenig. Eine monarchische Zentralleitung des Apostels entspricht
ebensowenig den Quellen wie das Bild des Paulus, „der
immer und überall das Kirchenregiment in der Hand behält"
und „immer Herr über seine Gemeinden bleibt" (S. 77). Man
gewinnt fast den Eindruck, als ob Paulus nicht ausgezogen sei,
um die Botschaft von dem gekreuzigten und auferstandenen
Herrn zu verkündigen, sondern um Gemeinden zu gründen,
ihnen eine Organisation und ein Verfassungsrecht zu geben und
sie in die „christliche Großorganisation .Kirche' " (S. 39) einzugliedern
.

Tübingen Wolfgang Sch rage

Borgen, Peder: Observation on the Midrashic character of John 6
(ZNW 54, 1963 S. 232-240).

Brooks, Oscar S.: The Johannine Eucharist (JBL 82, 1963 S. 293
—300).

C a d b u r y, Henry J.: Some Lukan Expressions of Time (JBL 82,
1963 S. 272-278).

Haenchen, Ernst: Judentum und Christentum in der Apostelgeschichte
(ZNW 54, 1963 S. 155—187).

Hoeferkamp, Robert: The Holy Spirit in the Fourth Gospel from
the Viewpoint of Glorification (Concordia Theological Monthly 33,
1962 S. 517—529).

Käser, Walter: Exegetische und theologische Erwägungen zur Seligpreisung
der Kinderlosen Lc 23,29b (ZNW 54, 1963 S. 240—254).

Kam Iah, E.: Wie beurteilt Paulus sein Leiden? Ein Beitrag zur
Untersuchung seiner Denkstruktur (ZNW 54, 1963 S. 217—232).

K e e, Howard C: "Becoming a Child" in the Gospel of Thomas
(JBL 82, 1963 S. 307—314).

Leder, Hans-Günter: Sündenfallerzählung und Versuchungsgeschichte.
Zur Interpretation von Mc 1, 12 f. (ZNW 54, 1963 S. 188—216).

Müller, Hans-Peter: Die himmlische Rat6vereammlung. Motivgeschichtliches
zu Apc 5,1—5 (ZNW 54, 1963 S. 254—267).

Schenk, Wolfgang: „Den Menschen" Mt 9,8 (ZNW 54, 1963
S. 272—275).

U n n i k, W. C. van: Zur Papias-Notiz über Markus (Eusebius H. E.
III 39,15) (ZNW 54, 1963 S. 276/277).

KIRCHENGESCHICHTE: ALLGEMEINES

Kaemmerer, Walter [Hrsg.:] Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser
Friedrich III. 3. Abt.: 1442— 144 5. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
1963. VI, XV1IIS., S. 807 — 897. 4° = Deutsche Reichstagsakten
, hrsg. durch d. Historische Kommission b. d. bayer. Akademie
d. Wissenschaften, 17. Bd. (Schlußlief.) DM 39.—.

Mit der jetzt erschienenen Schlußlieferung liegt Bd. 17 der
Älteren Reihe (vgl. ThLZ 1958, Sp. 511-514 und 1962 Sp. 516
—520) endlich ganz vor. Sie enthält außer einigen Zusätzen und
Verbesserungen, einem Literatur- und chronologischen Verzeichnis
der einzelnen Urkunden und Akten sowie einem alphabetischen
Register1 noch die Vorrede des zuständigen Abteilungsleiters
Hermann Heimpel und das Vorwort Walter Kaemmerers,
des Bearbeiters und Herausgebers dieses Bandes.

Beide machen nochmals deutlich, mit welch ungewöhnlichen
Schwierigkeiten letzterer zu kämpfen hatte. Sie ergaben sich zunächst
aus den etwa um die Mitte des 15. Jahrhunderts zusehends
anschwellenden Stoffmassen, die aber nach dem Auftrag
der Historischen Kommission für das Jahrzehnt 1442— 1452
gleichwohl in 2 Bände zusammengedrängt werden sollten. Infolgedessen
sah Kaemmerer sich vor die mißliche Aufgabe gestellt,
„eine gemäße Auswahl der zu bearbeitenden Stücke" zu treffen.
Da aber bekanntlich jede Generation andere Anforderungen
stellt, und jeder Benützer seine eigenen Wünsche hat, läuft eine
subjektive Auswahl von vornherein Gefahr, es keinem ganz

') Neuartig an diesem Register ist, daß es, veranlaßt durch Kritiken
und Wünsche zu den früheren Bänden, eine beträchtliche Ausweitung
und Umgestaltung „in Richtung auf ein stärker betontes Sachverzeichnis
" erfuhr.