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Ausgabe:

1964

Spalte:

358-360

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Maier, Friedrich Wilhelm

Titel/Untertitel:

Paulus als Kirchengründer und kirchlicher Organisator 1964

Rezensent:

Schrage, Wolfgang

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Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 5

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christologischen Titel lautet also: die Begriffe setzen einerseits
die urchristliche Christologie als bekannt voraus, andererseits
aber sind sie ,,in einmaliger Weise im Neuen Testament alt-
testamentlich bestimmt" (S. 25). Daraus folgt aber, „daß Jo
mit 6eincm Verfahren der Aufnahme alttestamentlich- jüdischer
Tradition in christlicher Interpretation nicht an eine lebendige
Überlieferung anknüpft, sondern daß in diesem Verfahren
schriftgelehrte, jedenfalls erst von Jo in dieser Form geschaffene
Verfahrensweise vorliegt. Der Zweck solcher Arbeit dürfte der
sein zu zeigen, daß in Christus die volle Erfüllung der alttestamentlich
-jüdischen Verheißungen gekommen ist, wie sie sich
vornehmlich im apokalyptischen Schrifttum niedergeschlagen
haben" (S. 25 f.). Damit hat der Verf. einen eindeutig bezeichneten
Weg für den weiteren Gang seiner Untersuchung gewonnen
und eine klare Stellungnahme gegenüber den religionsgeschichtlichen
Problemen vollzogen. Seine Beweisführung ist
so umsichtig und sorgfältig durchgeführt, daß sie uneingeschränkt
überzeugt.

Der Hauptteil des Buches zerfällt in zwei Abschnitte; der
erste handelt von der Gegenwart des Christus (S. 27—165) und
untersucht nacheinander die Inthronisation des Lammes Kap. 5,
die Christusformel 1, 5, die Tat des Christus nach 1, 5 f., den
Tod des Christus in der Apk, die Begründung der kosmischen
Herrenstellung des Christus in seinem Tode und Christus als
erhöhten Herrn über der Gemeinde und dem Kosmos. Der
zweite, kürzere Abschnitt ist „Die Zukunft des Christus" überschrieben
(S. 166—211) und bespricht die Aussagen über die
Parusie des Christus als Aufrichtung seiner Herrschaft in der
Welt, die Heilsgabe des Christus im neuen Aon sowie die Stellen
, die in den Sendschreiben auf die Zukunft des Christus
hinweisen. Von Kap. 5 ausgehend, zeigt der Verf., daß die Apk.
eine Erhöhungschristologie entwickelt, nach der der erhöhte
Christus „der den Augen des Glaubens offenbare Herr der
Welt" ist, wenn auch „sich die Herrschaft des Christus in ihr
erst durchsetzen muß in dem Kampf der Endzeit" (S. 31). Die
mit großer Genauigkeit vorgenommenen Einzelanalysen begründen
den Leitgedanken, der vom Verf. eingangs aufgewiesen
worden ist. Seinem mit Umsicht, methodischer Sauberkeit und
woh labgewogener Argumentation entwickelten Gedankengang
wird man durchweg folgen. Nur an einigen Stellen wären Fragen
anzumerken, um hier und da noch ein wenig genauer zu
präzisieren. So entscheidet sich der Verf. bei der Erörterung des
Titels „Lamm" dafür, diesen als Passalamm zu verstehen und
daher mit dem Tode Christi in Verbindung zu setzen; er weist
jedoch die Möglichkeit ab, auch an den Widder als Bild des
Herrschers zu denken, da kaum mehrere Vorstellungen bei diesem
Titel miteinander verbunden seien (S. 45 f.). Auf diese
Weise wird eine starke Betonung der Bedeutung des Todes
Christi innerhalb der Apk. gewonnen, der nicht nur als die
Sünden sühnender, sondern auch al6 Begründung für die Herrenstellung
Christi bewertet wird. Da jedoch die hier gebotene
religionsgeschichtliche Ableitung des Titels Lamm unsicher bleiben
und doch wohl zumindest als recht einseitig bezeichnet
werden muß, erhalten innerhalb der Christologie der Apk. die
Sätze über den Tod Christi, die doch weitgehend formelhafte
Wendungen urchristlichcr Überlieferung darstellen, zu starkes
Gewicht. Denn daß die Erlösung der Gemeinde gegenwärtige
Wirklichkeit sei (S. 70), kann doch im Blick auf die eschatolo-
gische Spannung, die das ganze Buch durchzieht, nicht uneingeschränkt
gesagt werden. Fraglich erscheint auch die Exegese von
■4i 14, nach der bei der Ernte des Menschensohnes „wahrscheinlich
an die .Sammlung der Glaubenden' zu denken" sein soll
(S. 133). Muß nicht hier doch eine richterliche Funktion des
Menschensohnes anerkannt werden, von der der Seher vorausschauend
spricht?

Das Gesamtergebnis der Abhandlung dagegen hält jeder
kritischen Überprüfung stand. Der Verf. hat aufgezeigt, daß
den christologischen Aussagen der Apk. der leitende Gedanke
zugrundcliegt, „daß alle Verheißungen, die im Alten Testament
und Judentum für die Zeit deT Erfüllung lebendig sind,
auf den Christus und sein Werk bezogen werden können und
auch bezogen werden müssen" (S. 108), daß der Seher Johannes
„den in Jesus erschienenen Christus als den Erfüller der alt-

testamentlich-jüdischen messianischen Hoffnungen darstellen
will" (S. 183). Die 6traff durchgeführte Untersuchung verdient
volle Anerkennung und weist den Verf. als einen tüchtigen
Exegeten aus, von dem man weitere Beiträge zur neutestament-
lichen Wissenschaft erhoffen möchte.

Kiel Eduard I.ohsp

M a i e r, Friedrich Wilhelm: Paulus als Kirchengründer und kirchlicher
Organisator. Aus dem Nachlaß hrsg. von G. Stachel. Würzburg:
Echter-Verlag 1961. 102 S„ 1 Titelb. gr. 8°. Lw. DM 12.80.

Das Buch ist aus dem Manuskriptnachlaß des vor einigen
Jahren verstorbenen katholischen Neutestamentiers entnommen,
der seit 1924 in Breslau und nach dem Kriege in München gelehrt
hat. Maier selbst soll das Manuskript schon in den dreißiger
Jahren als Teil eines großangelegten Paulus-Buches abgefaßt
, die Publikation aber wegen einer während der Niederschrift
eingetretenen Verärgerung über seinen Verleger unterlassen
haben.

Der erste Teil gilt dem „Kirchengründer" Paulus und behandelt
„Die Tendenz zur Gemeinschafts- und Kirchengründung
", die Gründung und Organisation der Einzelgemeinden
sowie die „Hilfsmittel der Organisation". Mit Recht wird dagegen
polemisiert, Paulus als religiösen Individualisten zu verstehen
. Die gemeinschafts- und kirchenbildenden Faktoren, die
Maier bei Paulus wirksam sieht, werden dagegen zu psychologisch
und pragmatisch-soziologisch bestimmt. Der Verfasser erkennt
an, daß von einem organisatorischen Zusammenschluß
der paulinischen Einzelgemeinden nicht geredet werden kann,
aber er macht aus Paulus dann doch einen Vorläufer katholischer
Zentralisationsbestrebungen: Der Apostel habe sich bemüht
, „die Heidenkirchen möglichst eng an die Metropole der
Christenheit, die Urgemeinde zu Jerusalem anzugliedern . . .
Jerusalem war für ihn, was für den Katholiken von heute Rom
ist" (S. 32 f.).

Der zweite Teil („Der Schöpfer der christlichen Gemeinde-
und Kirchenordnung") will zeigen, wie Paulus seinen Gemeinden
in Form fester kirchlicher Ordnungen den eigentlichen
Rückhalt gibt und 60 die Kirche in den Stand setzt, „sich sozusagen
in dieser Welt einzurichten" (S. 39). Als kirchlicher
Organisator, der nicht auf Eintags-, sondern Dauerschöpfungen
aus ist, konnte Paulus nur dann erfolgreich 6ein, wenn er von
der sich immer wieder bestätigenden Erfahrung ausging, daß
keine Gemeinschaft ohne Regulierung Bestand haben kann,
wenn sie nicht den Gefahren des religiösen Subjektivismus und
Separatismus erliegen will (S. 39 f.). Paulus sei jedoch kein Vertreter
einer schematisierenden Organisation, sondern ein Organisator
von unbegrenzter Elastizität und Akkomodationsfähigkeit
(S. 44 f.).

Thema des dritten Teils ist die „Ämter-Organisation",
die Gemeinde- und Kirchenverfassung im engeren Sinn. Dieser
Teil ist besonders problematisch. Hier geht Maier zwar hin und
wieder auch auf die Einwände der kritischen Paulusforschung
ein, doch bleiben deren Erkenntnisse und Bedenken ohne tiefgreifende
Wirkung. Der erste Abschnitt („Kirchenorganisation
und eschatologische Perspektive") begnügt sich im wesentlichen
mit der Polemik dagegen, Paulus als überspannten Parusie-
schwärmer abzustempeln. Mit der Kritik an einem „extremen
Eschatologismus" (S. 58) ist die hier auftauchende Problematik
jedoch nicht zu erledigen. Daß die Gemeinde selbst sich als
Gemeinde der Endzeit weiß und welche Konsequenzen diese
eschatologische Bestimmtheit des Kirchenbegriffs hat, bleibt
völlig im Dunkeln. Der folgende Abschnitt („Die Gemeinden
als .pneumatische Demokratien'. Charismen und Ämterorganisation
") setzt sich mit jener „kritischen Theologie" auseinander,
die das „Amt" durch die überragende Autorität Christi relativieren
oder „nur als einen Dienst" verstehen, alle Gemeindeglieder
als gleichberechtigt ansehen und die Gemeinde selbst
zur Trägerin aller kirchlichen Vollmachten und Rechte machen
will. Maier kann das alles im Grunde nur als „Enthusiasmus"
abtun.

Eine Hauptinstanz gegen die These von der Selbstregierung
der paulinisch-heidenchristlichen Gemeinden bildet für den Ver-