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Ausgabe:

1964

Spalte:

343-345

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Im Dienste des Rechtes in Kirche und Staat 1964

Rezensent:

Liermann, Hans

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343 Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 5 344

Wie das Esdiaton so wird mit Hilfe der beiden Interpreta-
mente auch das geschichtliche Geschehen auf
Christus hin dargestellt und gedeutet. Die Apokalyptik
gibt wieder mehr die weltanschaulichen Umrisse, vor allem die
universale Schau, und die Ausdrucksmittel an die Hand, die
Typologie aber die zentrale theologische Linie83. Paulus geht
im Grunde nicht wie die Apokalyptik von einem geschichts-
theologischen Bild der Menschheitsgeschichte aus, sondern entwirft
mit Hilfe der Typologie Bilder der Erwählungsgeschichte
(Rom. 4; Gal. 3). Diese Erwählungsgeschichte hat für ihn allerdings
schlechthin universale Bedeutung; deshalb ist ihr Vor-
und Unterbau die Adamtypologie. Die Adamtypologie ist gewichtiger
als die apokalyptische Vorstellung von diesem Äon
mit seinen Verderbensmächten. Paulus interessiert im Grunde
nicht der Ablauf des Gesamtgeschehens, sondern Gottes Heilsplan
, nicht die Kontinuität der Geschichte, sondern die Treue
Gottes. Man könnte den Geschehenszusammenhang, von dem
aus er auf Christus hin denkt, Heilsgeschichte nennen
und müßte dann diesen vieldeutigen Begriff für ihn von der
typologischen Betrachtungsweise her definieren. Heilsgeschichte
könnte man jenen allein von Gottes Heilsplan und Erwählen
gesetzten Geschehenszusammenhang innerhalb der Geschichte
nennen, der durch Wortoffenbarung angezeigt und für den
Apostel im Glauben von seinem Ziel, d. h. von Christus her
sichtbar wird.

Nun liegt der Einwand nahe: Wird diese Charakterisierung
der Typologie als Interpretament ihrer Anwendung

von der Ausrichtung auf das Gottesverhältnis, her. Die Anthropologie
ist Folge, nicht Prinzip I

M) Bultmann verteilt die Akzente umgekehrt! Das Geschichtsbild,
von dem Paulus ausgeht, ist für ihn insofern das der Apokalyptik,
„als nach Paulus die vergangene Geschichte die Geschichte der Menschheit
" (keineswegs die Israels) „ist und als sie eine durch die Sünde
bestimmte Geschichte ist, der von Gott ihr Ende gesetzt wird" (ebd.
S. 47).

bei Paulus wirklich gerecht? Dies ist bemerkenswerterweise
der Fall! Paulus verwendet die Typologie nämlich nicht, wie
man zunächst erwartet, als exegetische Methode, um das Alte
Testament fortlaufend auszulegen. Es ist wohl nicht zufällig,
daß wir in seinen Briefen nie einen Midrasch dieser Art finden.
Er gebraucht sie vielmehr als eine heilsgeschichtliche, pneumatische
Betrachtungsweise, um die Heilsgegenwart insgesamt durch
heilsgeschichtliche Aufrisse von Adam oder Abraham her zu
deuten oder das Kreuz, die Kirche, ihre Sakramente, ihre Ämter
und anderes zentral theologisch zu interpretieren.

Daher ist die typologische Betrachtungsweise
für uns in erster Linie wichtig als zentrale theologische
Deutung der Heilsgegenwart bei Paulus wie im übrigen
Neuen Testament. Es ist für unser Verständnis des
Neuen Testaments entscheidend, daß wir diese Deuteweise
in den Blick bekommen, sie in einer unseren Denkformen
entsprechenden Weise gelten lassen und die Erscheinung Jesu
wie seiner Kirche in ihrem Sinn als Erfüllungsgeschehen verstehen
. Sie schließt die apokalyptische Betrachtungsweise nicht aus,
aber sie will ihr in einer dem Denken des Paulus entsprechenden
Weise zugeordnet werden. Beide Betrachtungsweisen haben
eine religionsgeschichtliche und eine theologische Seite, wenngleich
die letztere bei der Typologie überwiegt.

Für das Verstehen des Alten Testaments
kann uns die Typologie einen nicht nur vom Neuen Testament,
sondern auch vom Alten Testament 6elbst her gesetzten Rahmen
geben, der beide Testamente untereinander zusammenschließt
und dem Verstehen beider aufeinander hin die Richtung
weist84.

84) Im Rahmen dieser Gesamtschau 6ind die einzelnen alttesta-
mcntlichen Stellen auf das Christusgeschehen zu beziehen, während
isolierte typologische Einzelauslegungen leicht in Allegorese abgleiten.
Es scheint mir bemerkenswert zu sein, daß G. von Rads Theologie
des Alten Testaments im Gesamtaufriß typologisch denkt, aber nur
sehr wenige typologische Einzeldeutungen entwickelt.

ALLGEMEINES, FESTSCHRIFTEN

[Arnold, Franz:] Im Dienste des Rechtes in Kirche und Staat. Festschrift
zum 70. Geb. von Prof. Prälat Dr. theol. et Dr. jur. Franz
Arnold. Hrsg. v. VV. M. P 1 ö c h 1 u. I. G a m p 1. Wien : Herder
[1963]. IX, 373 S. gr. 8° = Kirche und Recht, Beihefte z. österr.
Archiv f. Kirchenrecht, hrsg. v. F. Arnold u. W. M. Plödil, Bd. 4.
Kart. öS 148.— ; DM 24.—.

Die umfangreiche Festschrift für den hochverdienten und
international anerkannten katholischen Wiener Kirch enrechts-
lehrer Franz Arnold kann mit ihren 26 Beiträgen aus der Feder
namhafter Autoren leider nicht in den Einzelheiten gewürdigt
werden. Das würde den Rahmen einer Besprechung an dieser
Stelle überschreiten. Es mag deshalb genügen, diejenigen Abhandlungen
hervorzuheben, welche für die Leser dieser Zeitschrift
von besonderem Interesse sind. Die Festschrift enthält,
wie es dem Arbeitsgebiet Arnolds entspricht, in der Hauptsache
Aufsätze, die Fragen der katholischen Kanonistik behandeln. Sie
können hier nicht näher erörtert werden, wobei jedoch ausdrücklich
betont werden soll, daß auch ihre Lektüre für den
am evangelischen Kirchenrecht interessierten Leser sehr zu
empfehlen ist. Denn das evangelische Kirchenrecht beruht
historisch und — trotz aller konfessionellen Unterschiede — auf
weiten Gebieten auch dogmatisch auf dem kanonischen Recht,
ohne dessen genaue Kenntnis sehr viele Gegenstände und
Probleme auch des evangelischen Kirchenrechtes nicht fruchtbar
und mit der notwendigen Gründlichkeit behandelt werden
können.

Auf folgende Beiträge sei besonders hingewiesen:
1, Der theologische Aufsatz von Erwin Eugen Schneider
„Finis legis Christus" geht davon aus, ,,daß die gegenwärtige
römisch-katholische Interpretation der Theologie des Apostels
Paulus weitgehend übereinstimmt mit den Erkenntnissen, welche
die protestantische Exegese erarbeitet hat; daß auch die Einschätzung
der paulinischen Rechtfertigungslehre in beiden Kirchen
ungefähr die gleiche ist". Im Anschluß daran wird die
Frage erörtert: „Gilt solche Übereinstimmung hüben und
drüben aber auch hinsichtlich seiner (des Apostel Paulus) lapidarer
Formel ,Finis legis Christus'?" Auch hier wird in vielem
Übereinstimmung festgestellt. Das geschieht unter bewußter
Ausklammerung der Frage nach dem Wesen des Kirchenrechts
(im Zusammenhang mit der Frage des jus divinum) und eschato-
logischer Gedankengänge.

2. Siegfried Grundmann behandelt auf der Grundlage der
von Johannes Hecke! ausgebauten kirchenrechtlichen Systematik
„Kirche und Staat nach der Zwei-Reiche-Lehre Luthers". Er
greift damit in die innerhalb des Luthertums im Gang befindliche
Auseinandersetzung über Heckeis Theorie von dessen
Standpunkt aus ein. Sein Beitrag schließt mit dem Wunsch:
„Wenn die Kirche in ihrer politischen Predigt die gratscharfe
Grenze zwischen Politisierung der Kirche und Ekklesiokratisie-
rung des Staates ... zu finden und einzuhalten wüßte, . . . dann
wäre dem letzten Sinn der Zwei-Reiche-Lehre entsprochen.
Möge es um dieser Aufgabe willen der Theologie und Rechtslehre
des Luthertums beschieden sein, ihre inneren Gegensätze
in der Interpretation dieser Lehre allmählich abzubauen und
schließlich zu überwinden!"

3. Wilhelm Kühnert behandelt das Thema: „Das Selbstverständnis
der Evangelischen Kirche A. u. H. B. in Österreich
im Spiegel ihrer Verfassung vom 26. Jänner 1949."

Es geht dabei um die ekklesiologische Frage nach dem
Wesen der Evangelischen Kirche in Österreich, die, ohne Unionskirche
zu sein, zwei Kirchen, eine Kirche lutherischer und eine
Kirche reformierter Konfession, umfaßt. Als Ergebnis wird festgestellt
, „daß die Evangelische Kirche A. u. H. B. den Anspruch
erheben kann, als ecclesia proprie dicta betrachtet zu werden".
— Bei der Frage nach den Wcsensmerkmalen der Evangelischen
Kirche in Österreich wird ausführlich auf die Frage der Kirchcn-
mitgliedschaft eingegangen. Sie macht im gegebenen Fall infolge
der beiden in der Kirche zusammengefaßten Konfessionskirchen