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Ausgabe:

1964

Spalte:

308

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Autor/Hrsg.:

Wellesz, Egon

Titel/Untertitel:

Die Hymnen der Ostkirche 1964

Rezensent:

Onasch, Konrad

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Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 4

308

sich die Überführung der Leiche ins Gotteshaus anschließt. Ordnungen
für den Exorzismus salis et aquae folgen.

Ebenfalls wird der Ordo missae (T) geboten. Zwischen dem
Gebet bei der Händewaschung und den Gebeten bei Anlegen
der Gewänder hat hier das Vorbereitungsoffizium seinen Platz,
wie es zuerst um die Jahrtausendwende im rheinischen Meßordo
festgelegt erscheint. Die ursprünglichen drei Psalmen (83, 84, 85)
sind bereits durch Ps. 115 erweitert. Das Confiteor ist noch in
der Entwicklung zu seiner späteren Form; gegenüber dem dialogischen
Moment herrscht noch das Gebet des Einzelnen vor,
wie es vor allem inj der großen Oration „Ante conspectum
divine maiestatis tue" zum Ausdruck kommt, die nicht nur
durch die gleichen Eingangsworte an ein entsprechendes Gebet
im Sakramentar von Amiens (2. Hälfte des 9. Jahrhunderts) erinnert
. In einer anschließenden Sammlung von Präfationen und
Stücken des Kanons wird in T und F für diesen noch die ältere
Bezeichnung „actio" gebraucht. Auch der folgende Canon missae
aus T ist um einige Gebete reicher als heute. Es fehlen der
Schlußsegen, das ursprüngliche Vorrecht des Bischofs, und das
Schlußevangelium, während der Rezeß ausführlich geboten wird.
Im Wortlaut des Canons nach B fällt auf, daß im Te igitur die
dona, munera und sacrificia durch die davor eingefügten Worte
„panem et calicem separatum" definiert erscheinen. An zwei
Stellen werden Gesichtspunkte der Meßerklärung zum liturgischen
Geschehen hinzugefügt. Weiter schließen sich Messen aus
verschiedenem Anlaß an, die auch die Lektionen darbieten.

Der Ordo baptismi zeigt in seiner Gestaltung in den verschiedenen
Schichten der in den Codices bezeugten Überlieferung
und im Vergleich mit dem heutigen Rituale Romanum mancherlei
Unterschiede, ist aber jedenfalls reich entfaltet. Litaneien
und Benediktionen bilden den Schluß; die in ersteren genannten
Heiligen lassen gewisse Schlüsse hinsichtlich einer Lokalisierung
dieser liturgischen Bücher zu. —

Ausführliche Register, vor allem ein solches der Initien und
der biblischen Bezüge, erleichtern den Gebrauch. Ein alles
Wesentliche bietendes Summarium in englischer Sprache macht
das Werk auch denen zugänglich, denen die umfassende Einleitung
in norwegischer Sprache Schwierigkeit macht. Besondere
Erwähnung verdient die 16 Tafeln umfassende vorzügliche Reproduktion
einzelner Blätter der verschiedenen Manuskripte, die
einen unmittelbaren Eindruck vom Zustand der Handschriften
vermittelt und erst die von Kolsrud und dem Herausgeber geleistete
Arbeit voll würdigen läßt. —

Das Werden und Wachsen der Liturgie, das in seinen Einzelheiten
noch reich ist an ungelösten Fragen, kann nur dadurch
weiter erhellt werden, daß, wie es hier in vorbildlicher Weise
geschehen ist, immer wieder handschriftliches und gedrucktes
Material der Liturgiewissenschaft in brauchbaren Editionen zugänglich
gemacht wird. Meine Bemerkungen zum Inhalt, die in
diesem Rahmen kaum mehr als Hinweise sein können, möchten
das Interesse der deutschen Liturgiewissenschaftler für diese
ihnen vielleicht zunächst fernliegende wertvolle Veröffentlichung
wecken.

Greifswald William Nagel

Jenny, Markus: Geschichte des deutschschwcizerischen evangelischen
Gesangbuches im 16. Jahrhundert. Mit Beilage: Liederverzeidinis.
Basel: Bärenreiter-Verlag 1962. VI, 379 S. m. 52 Abb. i. Text u.
a. Taf., 1 Farbtaf. gr. 8°.

In dem vorliegenden Werk wird zum ersten Mal eine
Gesamtdarstellung der viel verzweigten und schwer überschaubaren
Geschichte der deutsch-schweizerischen evangelischen
Gesangbücher des 16. Jahrhunderts vorgenommen, nachdem es
bisher nur einige Einzeldarstellungen wie z. B. Chr. J. Riggenbachs
, bereits 1870 erschienenes Buch „Der Kirchengesang in
Basel seit der Reformation" gab. In subtiler Spezialforschung
ist es dem Verfasser weitgehend gelungen, den „Hauptstamm
und seine Zweige" sowie „Selbständige Nebentriebe" herauszuschälen
. Jenen bildet das berühmte Konstanzer Gesangbuch, das
in der Offizin von Christoffel Froschauer in Zürich gedruckt
wurde und in erster Auflage vermutlich um 1533/34 erschien,
während erst die zweite von etwa 1536/37 (jedoch ohne Titelblatt
) erhalten i6t. Nebenzweige von diesem bilden die Iadini-
schen und Baseler Gesangbücher. Selbständige Nebentriebe sind
vor allem die Schaffhauser und St. Galier Gesangbücher. Der
Verfasser bringt im ersten Teil die Bibliographie der zahlreichen
erfaßten Gesangbücher; im zweiten Teil wird deren Geschichte
dargestellt und schließlich in einem dritten Teil das Liedgut
gesichtet. In diesem letzten ist ebenso das gemeinsame wie jeweils
das Sondergut von großem Interesse. Selbstverständlich
wird der Frage nach der Herkunft des Liedguts auch bereits
beim Konstanzer Gesangbuch nachgegangen, das Abhängigkeit
von Wittenberg und Straßburg, wie umgekehrt auch wiederum
Rückwirkungen auf Straßburg, jedoch auch Einflüsse auf das wichtige
Bonner Gesangbuch (l. Aufl. 1544) zeigt. Jennys Buch wird
veranschaulicht durch eine graphische Darstellung des Stammbaumes
des Konstanzer Gesangbuches sowie durch über 50 Faksimile-
Wiedergaben. Zusammenstellungen der ausgewerteten Quellen, der
Dichter und Übersetzer vonden erfaßtenLiedern, deren Textanfänge,
der einschlägigen Literatur u.a.m. erfüllen alle Voraussetzungen
für eine äußerst sorgfältige wissenschaftliche Arbeit. Nachträglich
hat der Verfasser noch im 7. Band des „Jahrbuchs für Litur-
gik und Hymnologie 1962" (Kassel 1963) wohl die letzten Zweifel
beseitigt, daß auch das erste offizielle Zürcher Gesangbuch
von 1598 ein Werk jenes R. Egli ist, der auch das Konstanzer
Gesangbuch aus der Zeit um 1590 herausgab (Seite 123 ff.).
Es ist eine hymnologische Merkwürdigkeit, daß es in der
deutschsprechenden reformierten Nordschweiz schon im 16. Jahrhundert
so etwas wie ein „Einheitsgesangbuch" gegeben hat,
bevor über den grotesken Umweg über Königsberg der Genfer
Liedpsalter mit den Dichtungen von A. Lobwasser auch dieses
Gebiet an den reformierten Einheitsgesang des versifizierten
Psalters in Verbindung mit den Genfer Weisen anschloß. Freilich
konnte dieser in der Nordschweiz wie in den deutschen
reformierten Gebieten im Unterschied zu den calvinistischen
Kirchen in der welschen Schweiz, in Frankreich und den Niederlanden
nie zum ausschließlichen Gesangbuch werden. Somit hat
die Geschichte der deutsch-schweizerischen evangelischen Gesangbücher
eine über die dargestellte Zeit hinausreichende Bedeutung
, und man kann nur hoffen, daß M. Jenny seine Absicht
der Fortführung seiner Arbeit bald zu verwirklichen
vermag.

Schlüchtern Walter B1 a n k c n bu rg

Well es z, Egon: Die Hymnen der Ostkirche. Basel: Bnrcnreiter-
Verlag [1962]. 27 S., 1 Taf. gr. 8° = Basiiienses de Musica Oratio-
nes, hrsg. v. L. Schrade, H. 1.

Mit sicherer Hand und meisterhaftem Geschick versteht es
der international bekannte Musikhistoriker und -Wissenschaftler,
den Leser durch die ersten und wichtigsten Fragen der byzantinischen
Chormusik zu führen. Wir erfahren, immer an Hand
treffend gewählter Beispiele, das Notwendigste über die frühen
Troparien, die erste Hochform des Chorgesanges, das Kontakion,
mit seiner großartigsten Schöpfung, dem Akathistos, um schließlich
in die letzte und bis heute gültige Liedform, den Kanon,
eingeführt zu werden. Dabei werden wir mit den ersten Kenntnissen
von Spezialfragen, wie dem Verhältnis von Silbenzählung,
Hauptakzenten der Hymnenverse und der mit ihnen sich deckenden
Melodienführung, einer der Großleistungen der byzantinischen
Musiktheorie und -praxis, bekannt gemacht. Verbindungen
in der Vergangenheit mit der Musik der Synagoge und gnosti-
schen Theorien, wie mit dem westlichen Chorgesang werden
kurz umrissen. W. informiert mit wenigen Bemerkungen den
Leser schließlich über die wichtigsten Ergebnisse und den augenblicklichen
Stand der musikgeschichtlichen Forschung. Nur ein
Fachmann konnte in dieser Kürze und zugleich mit so viel
Interesse weckenden Einzelheiten eine erste Einführung geben.
Es wäre zu wünschen, wenn zahlreiche Leser angeregt werden,
sich intensiver mit den Fragen der byzantinischen Kirchenmusik
zu beschäftigen und hierfür Welleszs in 2. Auflage erschienenes
Werk „A history of byzantine music and hymnography" (Oxford
1961) benutzten.

Halle/Saale Konrad Onaich