Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1964

Kategorie:

Psychologie, Religionspsychologie

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

305

Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 4

306

des ursprünglichen Bildvennögens des Menschen. Der Rückgriff
auf Heidegger wird in dem Abschnitt über das Wesen des
Kunstwerks ebenso sichtbar wie in dem über das Wohnen und
das Haus. Denken und Dichten werden zusammengeschaut als
zwei Weisen, das Geheimnis des Seins und die Epiphanie des
Heiligen zu erfahren. Die abstrakte Kunst wird als Weg gedeutet
, nachdem die Sprache die Kraft der Aussage verloren
hat und zum Mittel der Reklame und der Propaganda abgesunken
ist, die Nähe des unsagbaren Seinsgeheimnisses zu gewinnen
. Theologisch besonders bedeutsam ist das letzte Kapitel
„Nach dem Zerfall des Gottesbildes", in dem Leist den modernen
Atheismus als das Mißverständnis des Gottesglaubens im
Sinne des positivistischen Wirklichkeitsdenkens begreift. Modernes
Denken denkt Gott ungöttlich, nämlich als Seiendes unter
Seiendem, und darin hat der Protest gegen den ungöttlich gedachten
Gott recht. Wenn der Mensch sich wieder einläßt in
das Geheimnis des Seins und verantwortlich seine Herrlichkeit
erfährt, kann es zu einer neuen Begegnung mit Gott kommen.

Das Buch, eine Meditation im Stil Heideggers, führt in
die Tiefe und erfreut den Leser durch seinen Gehalt wie seine
gute sprachliche Gestalt.

Tübingen Heinz-Horst Sch rey

Alm, L: C. G. Jungs Erfahrungen in theologischer Sidit (ThZ 19,
1963 S. 352—358).

Laubenthal, Florin: Das Gehirn und die Seele in der Sicht der
heutigen medizinischen Forsdiung (LIniversitas 18, 1963 S. 1067
— 1076).

Thurneysen, Eduard: „Erinnerungen, Träume, Gedanken. Zu
einem Buch von Carl Gustav Jung (KidZ 18, 1963 S. 422—427).

L1TÜRG1EWISSENSCHAFT

Kolsrud, Oluff: Manuale Norvegicum (Pre6ta Handbök) ex tribus
codieibus saec. Xll — XIV apographis, ed. Helge F ae h n. Oslo:
Universitetsforlaget 1962. XLVI, 202 S., 16 Taf. 4° = Norsk
Historisk Kjeldeskrift-lnstitutt den Rettshistoriske Kommisjon.
Libri Liturgici Provinciae Nidrosiensis Medii Aevi, Vol. I.

Die unter dem Titel Manuale Norvegicum veröffentlichten
priesterlichen Handbücher des 12. — 14. Jahrhunderts stellen den
ersten Band einer Reihe mittelalterlicher liturgischer Bücher der
Kirchenprovinz Nidaros dar. Die von dem Dozenten und Pfarrer
an der Domkirche in Oslo Helge Faehn veranstaltete Ausgabe
macht Abschriften der betreffenden Codices zugänglich, welche
bereits in den Jahren 1909 — 10 von dem 1945 verstorbenen
Rechtshistoriker Kolsrud aus Norwegen zum Zweck ihrer Veröffentlichung
hergestellt wurden. Audi dieses Werk läßt erneut
offenbar werden, in wie geringem Maß für das liturgische Leben
der Römischen Kirche im Mittelalter eine Uniformität im Sinne
des heutigen Missale und Rituale Romanum als wesentliches
Merkmal bezeichnet werden kann. Es scheint mir nicht
ausgeschlossen, daß diese Beobachtung im Stadium der wieder
in Fluß gekommenen liturgischen Entwicklung der Römischen
Kirche noch eine besondere Bedeutung gewinnen kann.

Die Veröffentlichung greift auf drei Codices der Königlichen
Bibliothek von Kopenhagen zurück: Thott 110, 8vo besteht
aus einem Sakramentarium (T) aus dem frühen 13. Jahrhundert
, aus einem Manuale (H) aus der Mitte des 14. Jahrhunderts
und einer Sammlung von Material beider Kategorien aus
dem späteren 13. Jahrhundert (O + o). Der einheitlichste Codex
NKS 32, 8vo umfaßt de tempore-Messen aus der Zeit um
1200 (F) und einen weiteren Bestandteil aus dem 13. Jahrhundert
(M), in dem sich ein Taufritual und eine Form der Litanei
finden. Eine Verbindung von Sakramcntar und Manuale aus der
Mitte oder letzten Hälfte des 13. Jahrhunderts (B) ist der wesentliche
Bestandteil des Codex NKS 133 f., 4to. Mit diesem
Stück sind drei kleinere Teile verbunden, 6ie stammen aus der
Zeit von 1200— 1400 und verraten Beziehungen zur liturgischen
Tradition der Dominikaner (b, D, N). Alle drei Codices ähneln
einander nach Inhalt und Struktur. Sie waren offensichtlich für
Pfarrpriester bestimmt. Auch sie bestätigen, daß man in Skandinavien
keinen Ritus für den Kirchgang der Mutter nach einer
Geburt gekannt zu haben scheint; möglicherweise bedurfte es
für diesen schlichten Ritus keiner schriftlichen Festlegung. Der
recht begrenzte Umfang der in den Codices enthaltenen Texte
weckt die Frage, wieweit ein solches Buch für den praktischen
Gebrauch ausreichen konnte. Eine sichere Antwort scheint nicht
möglich. Wahrscheinlich hat man im hohen und späten Mittelalter
an kleineren unbedeutenden Kirchen vom Reichtum mittelalterlicher
Liturgie nur begrenzten Gebrauch gemacht. Von hier
aus würde auch verständlich, daß man im späteren lutherischen
Gottesdienst dem liturgischen Wechsel des Kirchenjahres in
ähnlicher Sparsamkeit Rechnung trug. Vielleicht muß man die
vorliegenden Bücher auch als eine Art Handmissale nur für
kleine Kapellen und geringere Festtage ansehen, während die
de tempore- und de sanetis-Messen, die in diesen Codices fehlen
, in einem nur diese Messen enthaltenden und im Gotteshaus
selbst aufbewahrten Missale zu finden waren.

Der Herausgeber hat die Ausgabe sehr übersichtlich gestaltet
und gibt über deren Grundsätze ausführlich Rechenschaft.
Er hat den Codex Thott zugrunde gelegt. Fußnoten verweisen
einerseits auf kleine Abweichungen zwischen den Codices und
geben andererseits über den Zustand der Handschriften im einzelnen
Rechenschaft.

Der den Text eröffnende Ordo ad visitandum infirmum,
der die Unctio extrema einschließt, ist deshalb von besonderem
Interesse, da defen Entwicklung noch nicht genügend erforscht
ist und, soweit ich feststellen kann, eine ins Einzelne gehende
Beschreibung der Unctio vor dem 13. Jahrhundert nicht bekannt
ist. Zahl und Stelle der einzelnen Salbungen wie die Reihenfolge
der mit der Salbung verbundenen sakramentalen Absolution
und des Viaticums sind verschieden. Abweichend gegenüber
dem heutigen Rituale Romanum folgt der Absolutio sofort
die Salbung, bei der die Handauflegung gefehlt zu haben
scheint, während das Viaticum dieser sich anschließt. Die Oratio
fidei (nach der Kommunion) besteht aus nur einem Gebet
(statt heute drei). Die Benedictionen am Schluß wissen noch
nichts von dem heute möglichen Apostolischen Segen. Selbst
innerhalb dieser Codices läßt sich die bis zum 16. Jahrhundert
fortbestehende Verschiedenheit der Salbungen feststellen. So
werden in O auch der Nabel und das Herz gesalbt. Eine besonders
große Zahl von Salbungen fällt uns in F auf, wo zu den
üblichen die Salbung von Scheitel, Hals, Kehle, Schultern und
außerdem einer beliebigen Stelle hinzutritt. Ich möchte besonders
hervorheben, daß in F das Viaticum noch in Gestalt
beider Elemente gereicht wird, ebenso in B.

Der Ordo ad desponsandam mulierem macht die ursprüngliche
Bedeutung des ritus subarrhationis in seinem Zusammenhang
mit dem einstigen Brautkauf deutlich, indem nicht nur
überall Weihung und Übergabe des Brautringes betont hervortreten
, sondern in B sogar erwähnt wird, daß vor der Kirchtür
..auf einem Schild oder Buch Silber(geld) oder ein Ring getauscht
wird". Die Interrogatio de consensu ergeht in der
Landessprache. Als epistolische Lektion hat O statt der heutigen
Lesung Epheser 5,22 — 33 eine solche aus 1. Korinther 6
(V. 15—20). Das Einsegnungsgebet zeigt die noch heute im
Rituale Romanum festzustellende Dreiteilung. Der seit dem
17. Jahrhundert abgeschaffte und bis dahin vor allem in Italien
noch übliche Friedenskuß wird hier zwischen Priester und Bräutigam
sowie diesem und der Braut gewechselt.

Es folgen eine Liste der Feste mit Angabe der Präfationen,
weiterhin Kollekten, Sekreta und Postkommunionen für eine
Fülle verschiedener Messen. Ausführlich werden die Stücke einer
Messe am Beisetzungstag gegeben, bei welcher als epistolische
Lesung 2. Makkabäer 12,43—46 auftaucht (O). Mit gleicher
Ausführlichkeit werden verschiedene Messen von B+b gebracht
. Nicht selten begegnen uns hier wie auch anderwärts
innerhalb der Codices drei Lesungen.

Ein weiterer Teil enthält die Commendationes animarum
und den Ordo sepulturae. Die commendatio animae hat in O
eine recht schlichte Form, in welcher Absolutionsformeln völlig
fehlen. B bringt auch ein Formular für eine am Totenbett zu
begehende Vigil (mit 9 Lesunngen!) und die Laudes, an welche