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1964

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Systematische Theologie: Allgemeines

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301

Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 4

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Gabe geklärt. Das Problem, daß bei jedem Menschen ein Glauben
vorliegt, auf das Tillich so energisch Bezug nimmt und dem
Luther im Großen Katechismus zum 1. Gebot Ausdruck gibt,
kommt nicht zur Erörterung, weil nur vom Heilsglauben die
Rede ist. Die dogmen- und theologiegeschichtliche Bereicherung
ist zu begrüßen.

Jena Horst B e i n t k e r

Dietzfelbinger, Wolfgang: Die Grenzen der Kirche nach römisch
-katholischer Lehre. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
[1962]. 229 S. gr. 8° = Forschgn z. syst. u. ökumenischen Theologie
, hrsg. v. E. Schlink, 10. Kart. DM 24.—.

Nadi der Arbeit von Reinhard Slenczka: ,,Ostkirche und
Ökumene", welche dem Verständnis der Kircheneinheit in der
neueren ostkirchlichen Theologie nachspürt, hat Wolfgang
Dietzfelbinger einen analogen VeTsuch für die römisch-katholische
Theologie unternommen. In seiner materialreichen, sorgfältigen
Studie zeigt er die Aporie auf, in welche sich die
römische Kirchenlehre stärker und stärker hineinmanövriert.
Auf der einen Seite möchte man den Satz der Enzyklika „Humani
Generis" 6treng festhalten: „Corpus Christi mysticum et Eccle-
6iam Catholicam Romanam unum idemque esse" (vgl. S. 54).
Verbindet man ihn jedoch mit dem Wort Cyprians ,,extra eccle-
siam nulla 6alus", so müssen alle nicht-römischen Menschen von
den Atheisten bis zu den Griechisch-Orthodoxen unterschiedslos
als „acatholici" behandelt werden, wozu der Codex Iuris
Canonici neigt (S. 127 ff.). Dennoch hat der Vatikan sich der
Forderung des Jesuitenpaters Feeney (S. 109 ff.), diese Schau zu
dogmatisicren, entzogen.

Auf der anderen Seite bemüht sich eine wachsende Gruppe,
die Zuordnung auch jener acatholici zur sakramentalen Christusgnade
in ihrer unterschiedlichen Stufung zu entfalten. (Siehe
die differenzierte „synoptische Gliedschaftstabelle nach Journet",
S. 92 f.). Hierbei ergibt sich ein zwiefacher Ansatzpunkt. Einerseits
geht man von der subjektiven Sehnsucht der Menschen
aus und entfaltet den Gedanken des „Votum ecclesiae" (S. 62
— 107); andererseits richtet man den Blick auf die fremden
Glaubensgemeinschaften und mißt sie an der Fülle der katholischen
Gnadengaben, hierzu greift man den reformatorischen
Gedanken der „vestigia ecclesiae" auf (S. 135—180).

Die Überlegungen zum votum ecclesiae sind erwachsen aus
der Märtyrertaufe, sind jedoch immer stärker ausgeweitet und
subjektiviert worden, bis schließlich fast die Kantischc „Revolution
der Denkungsart" übrigblieb als eine „Lebenshaltung, die
den in der menschlichen Natur liegenden Egoismus samt seinen
vordergründigen Glücksnormen verlassen hat und sich den absoluten
Werten der Existenz verantwortlich weiß" (S. 84). In
dieser sittlichen Entscheidung muß jedoch noch irgendwie — wie
übrigens auch bei Kant — die Doppeleinsicht von Hebr. 11,6
mitschwingen: In diesen ethischen Akten nähern wir uns in
einer echten Liebesbewegung Gott unserem Herrn und Vergelter
(vgl. S. 76). Dieser Zugang zum Heil auf Grund eines derartigen
„votum implicitum" ist jedoch nur bei einer „ignorantia
invincibilis" hinsichtlich der wahren Religion der katholischen
Kirche möglich (S. 79). Insofern haben die echten Heiden gewissermaßen
einen Vorzug gegenüber den akatholischen Christen
; doch auch bei letzteren kann mit Hilfe der modernen
Psychologie ein subjektiv unüberwindliches Hemmnis leicht
wahrscheinlich gemacht werden (S. 80 ff.).

Alle diese Menschen werden „als unsichtbare Glieder der
einzigen Kirche, die hier auf Erden sichtbar ist und sein muß"
(S. 79), wenn auch nicht eingefügt, so doch zugeordnet, weil
alle Gnadenwirkungen de6 Hauptes auf irgendeine uns freilich
verborgene Weise mit dem sichtbaren Leib der römisch-katholischen
Kirche in Verbindung stehen. Dieser Gedanke läßt sich
sinnvoll mit dem der vestigia ecclesiae verknüpfen, jene Überreste
des Kircheseins lassen gleichsam den objektiven Abstand
zur römischen Gnadcnfülle der Heilsmittcl sichtbar werden,
welcher den Ort des Akatholikus in seiner Gemeinschaft
charakterisiert. Hier ergäbe 6ich eine Stufung vom Atheismus
bis zur griechisch -orthodoxen Kirche. Zu einer derartigen
Stufenleiter der Glaubensgemeinschaften vollziehen die katholischen
Theologen erst tastende Schritte, wobei es ihnen schwer

wird, die klaffende Lücke zwischen ihrem additiven Verständnis
sakramentaler Gnadenfülle und der subjektivistischen Votumsvorstellung
zu schließen. An Hand der Chiffre des Prophetischen
tasten sie sich vorsichtig hinein in dieses Vakuum.

Leider ist es Dietzfelbinger in seinem weithin auf die Arbeiten
von Ernst Kinder, Peter Brunner und Edmund Schlink
basierenden kritischen Schlußabschnitt „Verborgene und offenbare
Kirche" (S. 181—209) nicht voll gelungen, die zentrale Not
der römisch-katholischen Kirchenlehre aufzuzeigen. Weil die
römisch-katholische Doktrin an der Gleichung: corpus Christi
mysticum = ecclesia catholica festhalten möchte, deshalb muß
sie die rettende Wirkungsmacht Christi durch sein Wort und
Sakrament außerhalb der mit dem Papst verbundenen römischen
Gemeinschaft bestreiten und greift zum Ersatz auf ein innerliches
Gnadenwirken des Herrn im votum ecclesiae zurück, auf
den in der Liebe wirksamen Glaubenswunsch des Frommen. So
trennt sie analog zur reformierten Sakramentslehre das innere
Wirken des Geistes von dem äußeren Sakramentsgeschehen und
verliert dabei das Wort als das Bindeglied aus den Augen. Die
Sakramentalisierung und Juridifizierung der Gnadenmittel wird
aufgewogen durch eine Spiritualisierung und Psychologisierung
der inneren Wirkungen des Geistes. Dabei treten an die Stelle
der viva vox evangelii erneut die Werke des Gesetzes. Der
Herr wird gerade in seiner mächtig-wirkenden Gegenwart in
Wort und Zeichen verleugnet. Die evangelische Christenheit
sollte nicht müde werden, der römisch-katholischen Kirche die
Frage vorzuhalten: „Was bedeutet für die katholische Lehre von
den Grenzen die Tatsache, daß unter den Nichtkatholiken getaufte
Christen sind, die unter Anrufung des dreieinigen Gottes
die Heilige Schrift lesen, in der versammelten Gemeinde auf
das verlesene und verkündigte Wort der Apostel hören und auf
die Stimme der Apostel mit dem Credo der Kirche antworten?
Sollte hier nicht doch noch eine ganz andere ,Hinordnung' dieser
Christen auf den erhöhten und in seiner in seinem Namen
versammelten Gemeinde gegenwärtigen Herrn Christus Ereignis
werden als es jene Lehre vom »Verlangen und Wünschen' wahrhaben
will?" (PeterBrunner, in: Konzil und Evangelium, 1962,
S. 203).

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