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Ausgabe:

1964

Spalte:

300-301

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Schloenbach, Manfred

Titel/Untertitel:

Glaube als Geschenk Gottes 1964

Rezensent:

Beintker, Horst

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299

Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 4

300

rende Person glaubt?" (163). Dieser Glaube „objektiviert,
wenn er von einem persönlich seienden Gott redet, und zwar
im selben Maße, wie die Vorstellung von einem eschatologi-
schen Ende in (1) der Zeit objektivierend ist". Also (gemeint ist
Bultmann): „In dem ontisch-existentiellen Vollzug des Glaubens
wird . . . das existentiale Vorverständnis von ,Gott' rückgängig
gemacht, indem nämlich die Objektivationshypothese
außer Kraft tritt: Gott als seiende Person ist wirklich" (163 f.).
Aber weiter: „Dieses Korrektiv des Glaubens, welches das
Objektivationsveretändnis in das Wirklichkeitsverständnis verwandelt
, bleibt beim Glaubensvollzug der Auferstehung Jesu,
des Eschatons und der Schöpfung aus." „Hermeneutisch ist die
verschiedene Behandlung nicht gerechtfertigt." So wird (von
Bultmann) „mit zweierlei Maß" gemessen (164). „Was heißt
dann aber im theologischen Gebrauch .existentiale Interpretation
', wenn die Intention der Interpretation nicht existential,
sondern theologisch ist?" (166).

Verf. hat mit seiner letzten Frage ganz Recht; nur hätte er diese
Frage auch sich selber stellen müssen! Warum spricht Bultmnnn eben
nicht von „transzendental", sondern von „existential"? Weil er das
Transzendentale allerdings nicht formalisieren könnte (Kants Sprachgebrauch
von „formal" ist in dieser Sache nicht derjenige von Bultmann
!), während er das Existentiale formalisiert. Denn die existentiale
Objektivation hat für Bultmann nur die Bedeutung eines her-
meneutischen Prinzips, aber nicht eines Vorverständnisses der Sache
der Theologie, d. h. des Kerygmas. Das Vorverständnis gilt bei Bultmann
vielmehr der Aufhellung der Möglichkeiten von Existenz, wie
sie als deren Fraglichkeit existential aufleuchtet. Schon die dem Menschen
de facto inhärente Frage nach Gott ist lediglich eine Voraussetzung
der existentialen Interpretation, und das insofern, als der so
fragende Mensch a 16 Fragender existential deutlicher in den Blick
genommen werden kann, indem ihm gezeigt wird, daß es ihm auch
in solcher Frage um so etwas wie „Eigentlichkeit", de facto um Zukunft
geht. Zukunft gehört in die existentielle, Zukünftigkeit
in die existentiale Interpretation der Existenz. Also hat die
existentiale Interpretation lediglich die Bedeutung eines hermeneu-
tischen Prinzips für die Erheliung von Existenz. Die ,,grundsätzliche(n)
Korrekturen" (169 ff.) des Verfs. gehen an Bultmanns Verfahren vorbei
, soweit sie nicht offene Türen einrennen: phänomenologischer Sinn
des Begriffs des Existentialen, 169—174; Zirkelverhältnis zwischen
der Geschichte des Glaubens und der Geschichte Jesu Christi, 174
— 177; die „Interpretationsstrecke" der Existentialität kann nicht
„Maßstab des theologischen Verslehens" (182) sein, 177 — 183. Ganz
richtig! Wann wird man dann endlich zur Kenntnis nehmen, daß ein
hermeneutisches Prinzip gerade keine kurze Summe oder Vorwegnahme
des E r fragten, sondern allein Ortsangabe des B e fragten
ist? Nur so wird doch die Behauptung des Glaubens sinnvoll, daß
jenes „vor Gott" genau den Ort, wo wir uns sonst antreffen,
verwandelt, wie z. B. Jesu Gleichnisse zeigen.

Der 6. Abschnitt „Die dogmatische Sachfrage im Verhältnis
von Geschehen und Geschichte der Verkündigung" (184
—196) verspricht eine künftige Analyse der Wirklichkeit des
Wortes Gottes, in welcher es um die „Bestimmung des Verhältnisses
von dem verkündigten Geschehen und der verkündigten
Geschichte" als „für das theologische Verstehen" „konstitutiv"
gehen müßte (184). Wäre nicht richtiger zu sagen: um das Verhältnis
des zu verkündigenden Geschehens zur geschehenen
Verkündigung? —

Wer darüber diskutiert, mit welchem Recht die Theologie
der Philosophie das Blut aussaugt, der sollte auch fragen, woher
die Philosophie ihr Blut überhaupt bekommt. Ist der
philosophische Weg mit den Stationen Sein, Vernunft, Endlichkeit
, Spannung u. dgl. ein beliebiger? Verf. wird das nicht sagen
wollen. Auch er eignet sich Heideggers Terminus ,Seinsgeschichte
' gelegentlich an. Dieser Terminus enthält so etwas
wie Abhängigkeit, über die niemand verfügt. Wenn nun Freiheit
Geschenk ist, Theologie ihrerseits aber auch Geschick, wie
ließe sich da die Bezugnahme der Theologie auf die Philosophie
vermeiden, zumal wenn sich Philosophie als Philosophie der
Endlichkeit verstanden hat? Was ist zwischen Theologie und
Philosophie unter solchen Umständen strittig? Warum nicht ein
Anspruch? Warum schweigen sie denn nicht selber, die Philosophen
? Worum streiten sie denn unter sich? Und wenn sich dabei
zeigen sollte, daß Hermeneutik gerade für die Philosophen
zum .dogmatischen' Problem wird, für den Theologen dagegen

lediglich zur Besinnung auf die Wege geschichtlich-geschickhaften
Verstehens, wohin ist dann der Verf. mit seinem Budie
geraten? Eine ruhige Besinnung auf das hermeneutische Prinzip
als Ortsangabe menschlicher Existenz, wo und wie diese zunächst
und zumeist angetroffen werden kann, müßte ihm zeigen
, daß der Streit zwischen der Theologie und der Philosophie
gerade beim Verstehen schon lange um die rechte Unterscheidung
zwischen — Wort und „Faktum" geht. „Existenziale" (sie!)
Interpretation von Existenz sollte zeigen, daß der Mensch in
Entzug und Bezug ein — sprachliches Wesen ist (daher ist Existenz
„gestimmt"). Vermag 6ie das, gewiß, zum Teil auch gegen
,Sein und Zeit', so mag in der Theologie auch wieder
deutlich werden, was „Wort Gottes" heißt. Denn nicht der
Glaube, sondern das Wort Gottes „schafft" (nicht: setzt!) das
„Heil", freilich: durch den Glauben. Konkret gesagt: was hat
die Exegese zu tun, wenn sie die neutestamentliche Rede von
Gottes „Tat" (aber so abstrakt spricht das Neue Testament
schon gar nicht; immerhin, man legt es so aus) in „Gottes
Wort" übersetzen soll? Diese Frage und nicht „transzendental
Umgreifendes" verlangt heute so etwas wie hermeneutische Bemühung
, nun, allerdings, um sachgemäße Existenz, die sich von
ihrem „Begriff" bei Bultmann freilich nicht trennen läßt, sofern
Theologie verlangt wird.

Marburg/Lahn Ernst Fuchs

Schloenbach, Manfred: Glaube als Geschenk Gottes. Das

Glaubensverständnis Luthers nach der Unterscheidung von Gnade
und Gabe. Berlin: Evang. Verlagsanstalt [1962]. 54 S. gr. 8° =
Aufsätze u. Vorträge z. Theologie u. Religionswissenschaft, hrsg. v.
E. Schott u. H. Urner, H. 23, u. Stuttgart: Calwer Verlag [1962] =
Arbeiten z. Theologie, hrsg. m. A. Jepsen u. O. Michel v. Th.
Schlatter, H. 10.

Die Lutherstudie über die Unterscheidung von Gnade und
Gabe knüpft an bei den Ausführungen Luthers gegen Latomus
1521, der die Taufe als Vergebung aller Sünden (mit einer
nur verbleibenden Schwäche) gegen Luthers augustinisch-pauli-
nische Auffassung vom bleibenden Sündenrest als wirklicher
Sünde (WA 8, 102, 33 ff.) behauptete. Die Erhaltung
der Taufe und ihrer Kraft durch die Rechtfertigung in der Taufe
und die Tatsache wirklicher Sünde nach der Taufe begründet
Luther durch das extra nos der Gnade, d.h. Huld (favor dei),
und das in. nobis der Gerechtigkeit, der fides, die ein Werk
Gottes ist und die inneren Übel überwindet. — Diese Unterscheidung
ist aber 1515 noch nicht vorgenommen. Auch ähnlich
scheinende Unterscheidungen bei Thomas und Ockam kann Verf.
abweisen. Der Zusammenhang von Gnade und Gabe ist in dieser
Form ein originaler Gedanke Luthers. Interessant ist deshalb
auch das Verhältnis beider zueinander, wie Luther es
sieht. „Das Beieinander von Gnade und Gabe als durch Christus
begründetes Begleitungsverhältnis" (17) bindet das extra
nos und intra nos zusammen. Es geht in der Unterscheidung
von Gnade und Gabe nicht um die Zweiheit von Gottes Gnade
und dem Werk des gläubigen Menschen (etwa durch den Glauben
), sondern um Huld Gottes und Werk Gottes. Nicht
Gott und Mensch, sondern Gott und Gott, „Gott für uns und
Gott in uns", werden unterschieden (19). Der Gebende selbst
ist Gabe, Gabe ist der Heilige Geist. — Das führt Verf. dann
zur LIntersuchung der vorgegebenen Ausgangsposition für den
Glauben (26 ff.) und zur Frage, ob „die Gabe als menschliches
Tun" angesehen werden könne (31 ff.). Hier wird Luthers Einsicht
gegen und über Augustin hinaus dargestellt: Unter Gnade
versteht Luther nicht wie Augustin „Heilungsgabe (donum),
sondern Zusage göttlicher Gunst (favor)" (40). Die „voluntas
credendi" Augustins unter der Frage, ob sie „selber eine Gabe
Gottes sei oder nicht" erweist sich Verf. als unwirklich. Das
geht auch gegen den Lutherinterpreten Fritz Frey, der vom
Glauben redet, „mit dem ich angefangen habe". Glaube ist
aber nur der, „den Gottes Anfang mit mir geschaffen
hat". Denn „was da glauben will, ist schon der Glaube selber"
(41). Der Glaube sei „Werk des Gnadenwortes selber" (49). —
In dieser Arbeit, die auf eine Greifswalder Dissertation
zurückgeht und sich vielfach auf Rudolf Hermanns bedeutendes
Lutherbuch ausrichtet, ist theologisch der Glaube richtig als