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1964

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Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

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Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 4

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Feierkirche schienen Lösungen, trennten aber die untrennbare
Einheit des gottesdienstlichen Raumes und wurden in späteren
Lösungen (z. B. Gustav Adolfkkche Berlin) überwunden.

Neben diesem einen Streben nach gedanklicher Klarheit
ging einher die Frage der Raumgestaltung, die das moderne
Baumaterial (Beton, Glas, Stahl) nahezulegen und zu einem
neuen Baustil zu führen schien. Daß auch hier keine zwangsläufige
Linie zu klassischen neuen Formen führte, sah auch
Bartning bald ein. Die „Stahlkirche" aus Stahl und Glas war
das „Zeichen" für diese Bemühungen gewesen. Bartning wußte,
daß man mit dem neuen Material praktisch in allen Stilen bauen
konnte. Er gewann die innere Offenheit zu den „lebendigen"
Materialien des Backsteins, des Holzes, der handgearbeiteten
Dinge.

Wieder erhielt nach dem 2. Weltkrieg sein auf die genormte
Lösung angelegtes Denken eine große Chance, aber nun
in der inzwischen errungenen inneren Freiheit zum Grundriß
und zum Material: Aus der gleichen Grundidee entstand die
Vielfalt der „Notkirchen" dieser ersten Aufbaujahre. In einem
nochmaligen Großbau, der Godesberger Christuskirdie, glaubte
er auch für das nun zum modernen Programm erhobene
„Gemeindezentrum" eine Art technisch vorbildliche Lösung gefunden
zu haben. Diese Vielbenutzbarkeit der unter einem Dach
vereinigten Raumteile war wohl keine ideale Lösung. Die Einheit
in der Vielfalt kann mit selbständigeren Einzelräumen
organischer geschaffen werden. Immer aber blieb Bartning in
jugendfrischer Beweglichkeit in vorderster Front der Theologen
und Architekten, denen die Gestaltung des modernen Kirchenbaus
Herzensnot und Herzensanliegen geworden war, bis zur
letzten Schrift „Vom neuen Kirchenbau" (1957).

Unmittelbar in Gespräche oder Aussprachen führen am
Schluß des Sammelbandes noch kürzere Bemerkungen Bartnings
zur Spannungswelt der Architektur und Liturgie und eine kurze,
nun zum Vermächtnis gewordene autobiographische Skizze.
Nicht vergessen sei hier auch ein Blick auf den Menschen
Bartning, der 1956 noch eine Erzählung „Erde geliebte" erscheinen
ließ, das „Späte Tagebuch einer frühen Reise", einer romantischen
Weltreise, die er in seiner Jugend machte. So wie damals
blieb der große Architekt bis zu seinem Tode 1959 ein
allem Geistigen und unmittelbar Menschlichen offener universaler
Mensch, gleich groß in Kopf und Herz.

Lutherstadt Wittenberg Oskar T h u 1 i n

Jaegerschmidt, Adelgundis: Die römischen Katakomben und
ihr Bildprogramm (ULlA 12, 1960 S. 123—170).

K r ö n i g, Wolfgang: Engel. Zwölf farbige Miniaturen aus dem frühen
Mittelalter erläutert. Berlin: Evang. Verlagsanstalt [1963]. 15 S.,
12 färb. Taf. m. Text. 8° = Frühmittelalterliche Buchmalerei, hrsg.
v. F. Oslender, II (Fr. Wittig Verlag, Hamburg).

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Steiger, Lothar: Die Hermeneutik als dogmatische« Problem. Eine
Auseinandersetzung mit dem transzendentalen Ansatz de« theologischen
Verstehens. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn
[1961]. 200 S. gr. 8". Lw. DM 9.80.

Die lehrreiche, wenn auch stilistisch und in den Zitaten
oft flüchtig redigierte Tübinger Dissertation aus der Schule
Hermann Diems unterzieht den „transzendentalen Ansatz des
theologischen Verstehens" zumal bei R. Bultmann einer „konstruktiven
Kritik", um Recht und Grenze der „existentialen
Interpretation" innerhalb des theologischen Verstehens aufzuzeigen
(7 f.).

Der 1. Abschnitt „Die Begründung der Kritik am Dogma
in der zur Glaubenslehre gewordenen Theologie" (9—34) exponiert
im Blick auf Schleiermacher und dessen Nachfahren
bis hin zu Buirmann die Frage, ob „die transzendentale Frage-
«tellung (sc. in der zur Hermeneutik gewordenen Theologie,
21) theologisch legitim" sei (34). Denn: „Es ist allemal das-
•elbe: Die Subjektivität des Glaubens wird gegen die Objektivität
des Geglaubten gesetzt. Das Dogma entsteht durch Reflexion
und Theorie. Es redet nicht existentiell, sondern gegenständlich
" (34). Das sind die „typischen Alternativen" der

auch noch Bultmann bestimmenden theologisch-philosophischen
Tradition (34, Anm. 101). Dort gilt: „Die christliche Lehre
darf nur so weit gehen, wie sie durch den Gegensatz de«
.natürlichen' Bewußtseins erblickt werden kann. Die Dogmatik
muß sich an die dogmatischen Grundformen halten, welche in
den Lebenszuständen des Menschen vorgebildet sind" (21).
Dem kann nur abgeholfen werden, wenn die Hermeneutik in
dogmatischer Sicht neu bedacht wird. Ist Bultmann dazu unterwegs
?

Im 2. Abschnitt „Exegese und Dogmengeschichte in dogmatischer
Sicht" (35-52) wendet sich Verf. Ad. v. Harnack und
dessen Nachfolgern (M. Werner und W. Köhler) zu, um die
Frage nach einem theologischen Kriterium für die Dogmengeschichte
für seine eigene Absicht dringlich zu machen (43).
Setzt man nämlich, wie neuerdings M. Werner, beim Problem
der „Parusieverzögerung" ein (45), so endet man nicht in der
Dogmatik, sondern bei einem ,, ,undogmati6chen' Christentum
" (50). Was wäre entgegen solcher Auflösung der Dogmatik
„unter der Sache der Dogmatik zu verstehen?" (52).

3. Abschnitt: „Die Entwicklung der dogmatischen Sachfrage
in der .dialektischen Theologie' und der formgeschichtlichen
Exegese" (5 3-79). K. Barth: „Gott mußte wieder" — so
formuliert Verf. — „in seiner Freiheit verstanden werden, mit
der er über den Menschen entscheidet, nicht aber der Mensch
aus eigener Freiheit über Gott. Dies ist der entscheidende Gedanke
, gewissermaßen die .Kehre' in der Besinnung der Theologie
auf sich selber" (5 5). Dem korrespondiert ein Ergebnis
der „Formgeschichte": „Nicht ein religiöses Genietum gab den
Vorwurf ab für die Evangelien, sondern die Überlieferung des
verkündigten Wortes selber hat die Menschen zu mündlichen
und schriftlichen Zeugen gemacht" (57). Denn, sagt der Dog-
matiker: „Das Zeugnis von Tod und Auferstehung Jesu Christi
bezieht die gesamte Geschichte Jesu und seiner Zeugen auf
sich, so daß die bezeugte Geschichte wie die Zeugnisgeschichte
in und aus dem Bezug zu Ostern verstanden werden muß.
Ostern selber aber ist als kontingentes, d. h. unvorgreifliches
Ereignis allein im Zeugnis .gegeben' " (58). Die „Geschichte der
Dogmatik" ist dann „nichts anderes als die Zeugnisgeschichte
der christlichen Botschaft" (59). So sieht jedenfalls H. Diem die
Sache (58, Anm. 28). Für Barth gilt: „Die Dialektik des Glaubens
i6t die Dialektik Jesu Christi" (67). Barth wird aber
daraufhin gefragt, ob bei ihm „die prinzipielle Durchführung
des christologisch-analogi6chen Denkens" (sc. die qualitative
Unterscheidung zwischen Gott und Mensch) „das Sein des Menschen
.zwischen den Zeiten' " überspiele (69). — Ich würde
umgekehrt fragen, ob Barth in seinem christologi6ch-analogischen
Denken die Dialektik etwa mit Recht preisgegeben habe. —
Jedenfalls: „Im Gegensatz zu Barth hat Bultmann den Weg der
Schleiermacherschen Tradition eingeschlagen" (69 ff. — ich würde
sagen: hermeneutisch korrigiert). „Bultmann versuchte von Anfang
an, eine Art pura doctrina über den korrelativen Existenz-
begriff" (sc. die Existenz als Korrelat zum Worte Gottes!) ,,zu
gewinnen" (72). „Barth dagegen suchte das Kriterium für die
sachgemäße Auslegung in dem Gegenstand des Selbstzeugnisses
Gottes. Den unendlichen qualitativen Unterschied zwischen Gott
und Mensch überwand Bultmann mit dem Begriff der Existenz"
(Anm. 107: „methodisch natürlich; aktuell wird der Gegensatz
von Gott überwunden."), „während Barth ihn auf dem Wege
der Selbsterechließung Gottes ak überwunden erkannte." (73;
Anm. 108: „Barth wurde deshalb von seiner Tangentenvorstellung
notwendig auf das Problem der Menschwerdung geführt.")
Schon unter dem Einfluß der Formgeschichte war „die hohe
hermeneutische Einschätzung des .religiösen' Individuums ins
Wanken geraten" (76). Was sind also „die Grundsätze der richtigen
Auslegung der Existenz"? Gerade wenn gilt: „das Keryg-
ma ist die Anrede der Existenz durch Gott", bedeutet das für
die Dogmatik: „Sie wird von der Dialektik der Existenzfrage
inhaltlich dirigiert" (78). —

In dieser (Bultmann anzuschreibenden) These steckt für Verf. offensichtlich
der Kern auch seines dogmatischen Problems. Er wird sie
durchzuhalten versuchen, weil für ihn, wie sich gegen Ende seiner
Arbeit zeigt, der Glaube als Glaube an Jesu« Christus als „Anbe-