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Ausgabe:

1964

Spalte:

285-288

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

Handbuch der reformierten Schweiz 1964

Rezensent:

Walter, Peter

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285

Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 4

286

Die Vorlesungen Räberghs über finnische Kirchengeschichte
haben eine Generation von Forschern angeregt, nicht zum wenigsten
auch zur Erforschung der religiösen Volksbewegungen.
Zwei Abschnitte des Buches befassen sich mit der Frage, wie
die Ausbildung der Pfarrer zu heben sei. Als Mitglied eines
Staats-Ausschusses für diese Frage besuchte er vier skandinavische
und sieben deutsche Fakultäten. Obwohl er in Leipzig
studiert hatte, fühlte er sich jetzt als Fremdling: niemand
kannte seine Heimat Finnland, niemand schien den krassen
Gegensatz zu spüren zwischen den selbstsicheren „Frommen",
z. B. auf dem großen Leipziger Missionsfest 1878, und den
Massen der Gleichgiltigen und Feindseligen. Besuche in Herrnhut
(S. 32) und beim alten Beck in Tübingen, den er von früher
her kannte, sind Höhepunkte des Buches (S. 36/37).

Obwohl R. zeitweise mehrere Professuren bekleiden mußte,
widmete er sich regelmäßig seinen Studenten, sowohl in den
wöchentlichen Diskussior.sabenden der theologischen Fakultät,
■als auch in seinen privaten collcgia philobiblica, mit denen er
sich das Vertrauen seiner Schüler erwarb. Kein Wunder, daß sie
später als Pfarrer ihn zum Bischof haben wollten. „Vielleicht
war der Glanz, von dem wir jungen Studenten unsern Dekan
umgeben sahen, allzu stark empfunden. Aber wir waren glücklich
, ein Ideal zu haben, das uns mächtig anspornte, vorwärts
und aufwärts". Praktischen Dienst in der Gemeinde hielt R. für
notwendig für jeden wissenschaftlichen Theologen. — Das Werk
führt bis zur Schwelle des Bischofsamtes. Möge es dem Verfasser
, zu dessen 80. Geburtstag das Werk erschien, vergönnt
sein, seine Darstellung zu krönen. Schreitet er doch jetzt zu
den ereignisreichen Jahren vor, die auch den bisherigen Höhepunkt
der Geschichte Finnlands einschließen.

Leipzig Friedridi O s ta rh i 1 d

B c u m e r, Johannes: Zu den Anfängen der neuzeitlichen Kontroverstheologie
. Die Regula fidei catholicae des Franciscus Veronius
(Catholica 17, 1963 S. 25—43).

Brandmüller, Walter: Das Wiedererstehen katholisdier Gemeinden
in den Fürstentümern Ansbach und Bayreuth. Mündicn:
Hueber 1963. XVI, 245 S., 16 Abb. a. Taf. gr. 8° = Münchener
Theologische Studien, hrsg. v. J. Pascher, K. Mörsdorf, H. Tüchle,
I. Hist. Abt., 15. Bd. DM 18.—.

Finnish Theology Past and Present. Helsinki: Finnish Theo-
logical Literature Society 1963. 168 S. 8° = Theologia Fcnnica VII.

L'eglise dans la Bible. Communications presentees ä la XVIIe
rcunion annuelle de l'acebac. Bibliographie. Bruges: Desclee de
Brouwer 1962. S. 169—202 gr. 8° = Studia, Rcchcrchcs de Philosophie
et de Theologie, publ. par les Facultcs S. J. de Montreal, 13.
bfr. 20.—.

Kupisch, Karl: Kirche und soziale Frage im 19. Jahrhundert.

Zürich: EVZ-Verlag [1963]. 32 S. 8° = Theologische Studien, hrsg.

v. K. Barth u. M. Geiger, H. 73. DM 3.20.
M c C o y, Charles S.: Johannes Cocccius: Federal Thcologian (Scott-

ish Journal of Theology 16, 1963 S. 352—370).
S c h o 1 d e r, Klaus: Neuere deutsche Geschichte und protestantische

Theologie (EvTh 23. 1963 S. 510—536).
Simon, Adelheid: Kunigunde Juliana Schütz von Holzhausen, Äbtissin
von Rupcrtsbcrg-Eibingcn 1600—1669 (Erbe und Auftrag 39,

1963 S. 389-398).
Willers, Georg: Schule und Religion in den USA (Lutherische

Monatshefte 2, 1963 S. 553-558).

KIRCHEN- UND KONFESSWNSKUNDE

Handbuch der Reformierten Schweiz. Hrsg. v. Schweizerischen
Protestantischen Volksbund. Zürich: EVZ-Verlag [1962]. XV, 573 S.
gr. 8°. Geb. DM 25.—.

Mit dieser Selbstdarstellung des schweizerischen Protestantismus
haben die Herausgeberschaft und die 170 Mitarbeiter
eine Lücke ausgefüllt. Sie haben es auch glücklich vermieden,
daß aus der umfassenden schweizerischen Kirchenkunde, zu der
das Werk angewachsen ist, eine eitle Selbstbcspiegclung würde.
Dafür sorgt schon das Vorwort des Zentralsekretärs des Volks-
bundes. Paul Wiescr, der betont, daß es Kirche nur gibt als
Gnade, als Christokratie, in geschichtlicher Sichtbarkeit, in der
Gebundenheit und Freiheit des Glaubensgehorsams, im Unterwegssein
der ecelesia reformata semper reformanda, darum auch

nicht ohne die Ausweitung des Blickes auf die vielen Kräfte
und speziellen Verantwortungen, die in ihr wirksam sind, und
auf ihre „mitchristlichen Nachbarn".

Über die Schweiz hinaus dürften vor allem die beachtlichen
grundsätzlichen Beiträge Interesse finden, die der Band enthält.
Voran steht ein erhellender Aufsatz über „Wesen und Eigenart
des schweizerischen Protestantismus" von E. G. Rüsch, der
gute Einsichten eröffnet in den föderalistischen Aufbau der
evangelischen Kirchen in der Schweiz, dessen geschichtliche
Wurzeln bis ins Mittelalter hinab bloßgelegt werden, und in
ihre demokratische Ordnung, wobei auch hier die biblischen
und geschichtlichen Wurzeln gezeigt werden und die Aufgabe
der Wachhaltung und Erneuerung dieser Elemente, auch die
Gründe, die „kirchliches Führerprinzip" nie aufkommen ließen.
Das Prinzip der Volkskirche entspreche dem „starken Zug zur
Formung des öffentlichen Lebens" (S. 6), den die schweizerische
Reformation überall hatte. Der Forderung des bedeutenden
Staats- und Völkerrechtlers Max Huber entsprechend sei die
Trennung von Kirche und Staat „in einer solchen Form durchzuführen
, daß die der Kirche drohenden Gefahren abgewendet
und die dem Landeskirchentum eigentümlichen Vorteile für Staat
und Gesellschaft erhalten bleiben" (S. 7). Nachteile und Möglichkeiten
der Bekenntnisfreiheit werden sichtbar, das Charakteristikum
des Zusammenlebens mit dem Katholizismus, den
man als Partner anerkennen muß, was aber das Bewußtsein der
eigenen Art eher stärkt; endlich die innere Entwicklung von
Zwingli über die Aufklärung, die „der nüchternen Schweizerart
entgegenkam" (S. 9) und doch in Lavater „einen der geistesmächtigsten
Überwinder" fand, bis zu dem energischen Vorstoß
in die soziale Problematik der Zeit durch Kutter und Ragaz
und dem theologischen Aufbruch von Karl Barth und Emil
Brunner. Ein schönes Zwingli-Zitat bildet den Schluß. — Viel
Gutes und Beachtliches enthalten die Thesen „zum Problem der
Volkskirche" von Gotthard Schmid (S. 10—14); beeinträchtigt
werden sie durch die starke Entgegenstellung von „Kirche im
Glaubenssinn" und „Kirche im Rechtssinn". — Der Beitrag
„Pfarramt" von Eduard Buess (S. 144—148) bietet klare Besinnung
und Wegweisung über „Die Aufgabe des Pfarrers" und
„Pfarrer und Gemeinde", auch über die theologische Situation
und Problematik von heute und wiegt manches auf, was mit
weit mehr Aufwand und Anspruch über die „anders gewordene
Welt" gedruckt wird. — Sehr aufschlußreich ist der Bericht von
Rudolf Pfister über die Theologischen Fakultäten der Schweiz
(S. 148—157). — Wie Arthur Rieh in „Kirche und Arbeiter" auf
knappstem Raum (S. 28 8—292) den Weg vom geschichtlichen
Rückblick zu den grundsätzlichen Problemen geht, ist meisterhaft
. „Das Hauptproblem in der Frage .Kirche und Arbeiter'
besteht nicht darin, wie die Kirche den Arbeiter aus seiner
Welt herausrufen, sondern wie sie ihm in seiner Welt begegnen
kann." Er macht es sich nicht leicht, sondern versucht, wahrhaft
realistisch in kirchlich-selbstkritischer Haltung Wege von
verantwortlicher Gesinnung zu verantwortlicher Gestaltung anzudeuten
. — In „Kirche und Arbeitgeber" (S. 293 f.) weist
Christian Gasser, selber Unternehmer und vorher Professor an
der Handels-Hochschule St. Gallen, nachdrücklich auf die Bedeutung
des Friedensabkommens von 1937 zwischen dem Arbeitgeberverband
der Metall- und Maschinenindustrie und den
Gewerkschaften hin mit seiner verbindlichen Grundverpflichtung,
„widrtige Meinungsverschiedenheiten und allfällige Streitigkeiten
nach Treu und Glauben gegenseitig abzuklären . .
und bemerkt dazu: „Treu und Glauben, eine ethische Bindung
also, bildet das Zentrum einer Vereinbarung zwischen großen
Wirtschaftsverbänden!"; das sei „jeder Weltklugheit widersprechend
" und doch „in einem für den Außenstehenden kaum
faßbaren Maße Realität in den Beziehungen Arbeitgeber-Arbeitnehmer
geworden". Es sei „zentrale Aufgabe der Kirche", immer
wieder auf die wesentlichen „Fixpunkte" hinzuweisen.
Eindrücklich ist der Appell: „Der Arbeitgeber ... ist zudem
der gefährlichsten Krankheit der Gegenwart — der Vereinsamung
— besonders ausgesetzt. Möge der Kirche die besondere
Ein-Sicht in die Verstrickungen des Arbeitgebers und das rechte
Wort in diese Nöte hinein gegeben werden!" — Besonders sei
noch hingewiesen auf die klaren und hilfreichen Ausführungen