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Ausgabe:

1964

Spalte:

284-285

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Bonsdorff, Max v.

Titel/Untertitel:

Herman Råbergh, en förgrundsgestalt i Finlands Kyrka ; B.II, 1 1964

Rezensent:

Israel, Friedrich

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Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 4

284

über, daß Hamann überhaupt grundlegend frömmigkeitsgeschichtlich
zu verstehen sei, wird doch nicht vollzogen. Ein
weiterer Absatz setzt dann Genie, das eine göttliche Eingegebung
sei, und Geschmack bei Hamann einander entgegen und
führt wieder zur existenziellen Geschichtsauffassung bei Hamann
hinüber. Ein Artikel „Dramaturgisches" zeigt das geringe
Interesse Hamanns auf diesem Boden.

Nur Weniges ist noch weiter zu sagen. Die Besprechung
der 5 Briefe ist auf dieser Grundlage weithin ausgezeichnet,
eine glückliche Ergänzung gleichen Ranges zu dem Kreis der
Hauptschriften Hamanns erklärt und verlegt bei Bertelsmann.
Sie zeigen aber deutlich, wie wenig Hamann im Grunde von
dem ganzen Schuldramenunternehmen Lindners, aber auch von
dessen literarischem Gegner Abbt hält. Von seiner biblischreligiösen
Sicht her möchte er überhaupt alles ganz anders
haben. Er deutet das freilich versuchend und lockend nur an. —
Der Einleitungsbrief bedarf noch besonderer Bemerkungen. Er
scheint mir zu einseitig auf das beginnende Verhältnis zu Anna
Regina hin gedeutet. Im Grunde soll er einfach Hamanns
langes Stillschweigen entschuldigen, den Geruch seiner Faulheit
und Verwesung, der in diesen Jahren des ausgehenden
7jährigen Krieges und der Rückkehr der Herrschaft Friedrichs
in dem „Lande, da man nichts gedenkt", auf dem Königsfeind
Hamann liegt. Wohl kommt er dabei auch auf Anna Regina;
aber das Wichtigste ist doch die „Schmach der Muße" und
seine Wut, jetzt nun ungestört zu schreiben. Im übrigen sieht
Jorgensen das Verhältnis zu Anna Regina wohl besser als
andere, aber auch kaum richtig, jedenfalls recht unsicher. Man
muß es im Rahmen des Gesamtthemas „Hamann und die
Frauen" sehen, man muß auch das Altersverhältnis und den
Kinderkreis hinzuziehen. Die religiöse Grundlegung des Verhältnisses
zu Katharina Berens und dessen völliger Abbruch mit
der „Hexe zu Kadmonbor" bleiben ganz im Nebel. Der Exkurs IV
ist kaum glücklich. In Einzelheiten läßt der Verfasser sich auch
gern zu sehr von Nadler leiten. Der doppelte Phomelhant für die
Doppelhochzeit ist ein reines Nadlermärchen. Das Theodizee-
problem war für Hamann ohne Interesse. Hamann gehört ganz in
clie Frömmigkeitsgeschichte, lehnte die Theologie seiner Tage
außer der Exegese ganz ab, kannte nur die alten Kirchenväter.
Manches, wie Exkurs II über Lindners „Beitrag", ist wieder dankenswert
.

Im ganzen scheint mir das rein Literaturgeschichtliche in
dem Heft recht wertvoll für die Hamannforschung. Sobald die
Grenzen überschritten werden, bleibt vieles unsicher.

Rostock Wilhelm K o e p p

Zell er, Winfried [Hrsg.]: Der Protestantismus des 17. Jahrhunderts.

Bremen: Sdiünemann [1962]. LXVI, 426 S. kl. 8° = Klassiker des
Protestantismus, hrsg. v. Chr. M. Schröder, Bd. V = Sammlung
Dietcrich Bd. 270. Lw. DM 19.80.

Zellers Arbeit ist eine Quellenedition. Der Herausgeber
läßt in ausgewählten Stücken 33 Zeitgenossen des 17. Jahrhunderts
zu Wort kommen, deren Bedeutung er vornehmlich an
ihrem Beitrag zur Frömmigkeitsgeschichte mißt.
Für die Anwendung dieses Auswahlprinzips wird man Zeller,
der auch durch andere Arbeiten dieser oft vernachlässigten
Thematik verbunden ist, uneingeschränkt zu danken haben.

Die in klar durchdachter Folge geordneten und unter bestimmte
Frömmigkeitstypen subsumierten Quellenstücke geben
ein beredtes Zeugnis von der selten gewürdigten Frömmigkeit
und Theologie im oft als dunkel bezeichneten Jahrhundert des
großen Krieges.

Einleitend bemerkt der Herausgeber zur Begriffsklärung,
„innerhalb der Geschichte des Protestantismus" stelle „das 17.
Jahrhundert wohl jenes dar, das sich am stärksten einem Gesamtverständnis
entzieht, deshalb aber um so mehr vereinfachenden
Deutungen ausgesetzt ist". „Den oberflächlichen Blick
dünkt zunächst alles derart einheitlich und spannungslos, daß
der Zeitraum vom Ende des Reformationsjahrhunderts bis hinein
in das 18. Jahrhundert eine geschlossene, feste und immer
mehr sich verfestigende geistige Welt zu umfassen scheint"
(S. XIII).

Die abgedruckte Quellenauswahl ist geeignet, dieses

Pauschalurteil abzubauen und die Offenheit der zeitgenössischen
Dokumente für viele Formen weiterer Frömmigkeitsentwicklung
deutlich zu machen.

Zeller geht in der 53-seitigen Einleitung, die faktisch einen
Kommentar zu dem folgenden Quellenteil darstellt, von geläufigen
Einteilungsprinzipien ab und ordnet auf Grund eigener
Forschung die frömmigkeitsgeschichtliche Bewertung einzelner
profilierter Vertreter der Kirchengeschichte dieser Zeit neu.

Eine vielleicht in diesem Zusammenhang angebrachte daten-
hafte Kurzübersicht über die Stoffanordnung Zellers, die seine
originale Leistung in diesem Editionsunternehmen ist, dürfte
dem in diesem Spezialgebiet Kundigen auch ohne nähere Einzelwürdigung
zeigen, wie der Herausgeber akzentuiert: I. Orthodoxie
und Frömmigkeit (Stephan Praetorius, Martin Moller);
II. Die neue Frömmigkeit (Philipp Nicolai, Johann Arndt, Valerius
Herberger, Johann Gerhard, Valentin Wudrian, Johann
Heermann, Johann Mattaeus Meyfart, Georg Neumark, Heinrich
Schütz); III. Einzelgänger, Ireniker und Pansophen (Valentin
Weigel, Johannes Kepler, Johann Valentin Andreac, Jakob
Böhme, Augustin Fuhrmann, Johann Arnos Comenius); IV. Frömmigkeit
nach dem großen Kriege (Johann Georg Dorsch, Joachim
Lütkemann, Paul Gerhardt, Johann Georg Ebeling); V. Die
Reformorthodoxie (Heinrich Müller, Christian Scriver); VI. Der
Ausklang (August Pfeiffer, Joseph Schaitberger, Benjamin Schmolck,
Daniel Seiffart, Johann Jakob Strohmeyer, Johann Sebastian
Bach); VII. Protestantische Frömmigkeit in weiter Welt (Oliver
Cromwell, George Fox, William Penn, John Bunyan).

Wie ersichtlich verzichtet der Herausgeber auf die geläufigen
groben Einteilungsschemata von Orthodoxie und Pietismus.
Selbst wer gegenüber mancher Eingruppierung — wie etwa der
von Johann Gerhard unter dem Begriff der .neuen Frömmigkeit'
oder der von Johann Sebastiann Bach unter dem etwas farblosen
Terminus ,Ausklang' — gewisse Bedenken anzumelden
haben sollte, wird sich doch dankbar von dieser Neusichtung
anregen lassen und die Neuprofilierung mancher in der frömmigkeitsgeschichtlichen
Darstellung zu Unrecht in den Hintergrund
Gedrängten begrüßen. Das Verdienst, manche Texte — so von
Praetorius und Weigel — erstmalig zum Abdruck gebracht zu
haben (S. XI), mag nicht unerwähnt bleiben. Anerkennend registriert
sei auch die der sachlichen Textanordnung entsprechende
Kurzbibliographie, der jeweils die wichtigsten Lebensdaten der
einzelnen Autoren vorangestellt sind.

Die für weitere Kreise bestimmte Ausgabe enthält keinen
kritischen Apparat und bietet eine dem Gegenwartsdeutsch
angeglichene Textgestalt. Das hängt offenbar mit den Editionsgrundsätzen
der auf 8 Bände angelegten Reihe „Klassiker des
Protestantismus" zusammen. Im Rahmen dieser Publikationen
haben Peter Meinhold die Bearbeitung der „Wegbereiter der
Reformation", Franz Lau „Luther, Calvin und Zwingli", Robert
Stupperich die „reformatorische Verkündigung und Lebensordnung
", Heinold Fast „Täufer, Spiritualisten, Schwärmer und
Antitrinitarier", Martin Schmidt und Wilhelm Jannasch das
„Zeitalter des Pietismus", Wolfgang Philipp das „Zeitalter der
Aufklärung", Peter Meinhold den „Protestantismus von Schleiermacher
bis zur Gegenwart" übernommen.

Man wird den Gesamtherausheber der Reihe, Christel
Matthias Schröder, beglückwünschen können, wenn alle Beiträge
der geplanten Reihe ähnlich anregend und informationsreich
angelegt werden wie der vorliegende Band.

Berlin Joachim Rogge

Bonsdorff, Max v.: Herman Räbergh, en förgrundsgcstalt i Fin-
lands Kyrka. B. 11,1: Professorsären och biskopstiden. Hclsingfors:
Förbundet för svenskt föreamlingsarbete 1962. 229, XVIII S , 7 Abb.
gr. 8°.

Bd. I ist in ThLZ 1958, 12 angezeigt. Bd. II führt in 11
Abschnitten von der Professur in Kirchengeschichte an der Universität
Helsingfors bis zur Bischofswürde in Borgä, das damals
auch die Hauptstadt umfaßte, 1872 — 1892. Aus dem reichen
Material an Briefen, Mss. Protokollen und verstreuten Zeit-
sdiriftenaufsätzen hat Verf. ein vielseitiges lebensvolles Bild
zusammengestellt, wahrlich das Bild einer Vordergrundsgestalt
der Kirche Finnlands.