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Ausgabe:

1964

Spalte:

226

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Paschke, Franz

Titel/Untertitel:

Die Überlieferungsgeschichte der beiden griechischen Klementinen-Epitomen und ihrer Anhänge 1964

Rezensent:

Paschke, Franz

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 3

226

über Troeltschs Verständnis der Logik der Geschichte erläutert und Paschke, Franz: Die Überlieferungsgeschichte der beiden griechi
einem weiteren — in den Zusammenhang mit der Frage sehen Klementinen-Epitomen und ihrer Anhänge. Vorarbeiten

in

zu

des religiösen Apriori gestellt. Die damit gegebene Auffassung einer Neuausgabe der Texte. Phil. Diss. Berlin 1962. XI, 439 S.

Troeltschs von einem Zweig der theoretischen und einem der prakti- Von den pseudoklementinischen Homilien (=H, l. Hälfte des

sehen Philosophie wird zusammengefaßt in einer Darstellung der 4. Jhdts.), die nur in zwei Handschriften überliefert sind, haben sich

Bewußtseinslehre Troeltschs, die die Bedingungen der Möglichkeit für außerdem zwei Epitomen erhalten. Davon ist die ältere Kurzfassung

e'ne theoretische und eine praktische Philosophie aufzeigt. Nachdem ( = E, vermutlich 7.18. Jhdt.) erwiesenermaßen ein direkter Auszug

so das Grundgerüst der Troeltsch'schen Geschichtsphilosophie in die- aus H und andererseits die Vorlage der jüngeren, von Symeon Meta-

ser Periode deutlich gemacht ist, läßt sich die Verfahrensweise der phrastes stammenden Redaktion ( = e, Ende des 10. Jhdts.).

Religionsphilosophie hinsichtlich ihrer Behandlung der Rcligions- Zunächst war nur die metaphrastische Epitome e bekannt. Sie ist

Beschichte erheben. Dies bringt jedoch das Ergebnis, daß die transzen- zuerst 1555 von Adrien Turnebus und 1672 von J. B. Cotelier nach

dentale Begrifflichkeit nicht ausreicht, um Geschichte zu begreifen, Pariser Handschriften ediert worden. Erst Albert Rud. Max. Dressel

sondern eine Geschichtsmetaphysik als „Metaphysik des Rückschlusses" entdeckte 1838 in zwei vatikanischen Handschriften die ältere Epi-

zur Folge haben muß. Abschnitte über den Zusammenhang von tome E und gab sie zusammen mit der metaphrastischen, für die er

Geschichtsphilosophie und Ethik - d.h. über die Möglichkeit gegen- ebenfalls noch vier römische Handschriften heranzog, im Jahre 18 59

Wärtiger Geschichtsgestaltung — sowie von Geschichtsphilosophie und heraus.

Theologie hinsichtlich der Frage nach dem Sinn der Geschichte bilden Die vorliegende Untersuchung erbringt als erstes den Nachweis,
den Abschluß des Kapitels. daß fur beide Epitomen eine wider Erwarten starke Überlieferung
Das dritte Kapitel ist der abschließenden Gestalt von Troeltschs vorliegt und daß für die Schaffung einer textkritischen Ausgabe, die
Geschichtsphilosophie gewidmet, die sich vor allem aus dem dritten sich als ein Desiderat herausgestellt hat, dieses reiche zutage getre-
Band der Ges. Schriften „Der Historismus und seine Probleme" erhe- tene Handschnftcnmaterial - insgesamt sind es ca. 180 Textzeugen
ben läßt. Eine Abhängigkeit Troeltschs von anderen philosophischen (t:50, e:130) - untersucht werden muß. Im besonderen hat sich geAnschauungen
läßt sich hier zwar nicht mehr in gleicher Weise kon- zeigt, daß die Handschriften in erster Linie liturgische Lektionarien
«tatieren wie in den vorausgegangenen Entwicklungsperioden. Jedoch verschiedenster Prägung sind, beide Epitomen also im Gottesdienst
ist der maßgebliche Einfluß Max Webers und Edmund Husserls be- d" griechischen Kirche verankert waren.

züglich der Grundanschauungen Troeltschs unverkennbar. Das Kapitel In den Lektionarien ist außerdem ein legendäres Martyrium

*«zt ein mit der Darstellung der Rolle der Soziologie in Troeltschs Uementis separat uberliefert, darüber hinaus erscheint es aber auch

nunmehrigem Denken, klärt im weiteren das Verhältnis von Psycho- jn der alteren Epitome E immer unmittelbar am Schluß als Anhang,

•ogie und Soziologie hinsichtlich ihrer Arbeitsweisen und ihrer Be- dieses Martyrium ist, wie Pio Franchi de' Cavalieri nachgewiesen hat,

deutung für die Geschichtsphilosophie und gibt die erforderliche Ab- 5>ne Ubersetzung der alten römischen Passio 6. Clementis (5. Jhdt.).

grenzung gegenüber Troeltschs Auffassung des Individualitätsbegriffs. feine Überlieferung setzt sich fast ausschließlich aus italogriechi-

Durch die Feststellung, daß die Geschichte eine Vielzahl von indivi- sehen Textzeugen zusammen. Die Edition von F. X. Funk - F. Diekamp

duellen Gestaltungen zeigt, ergibt sich das Problem der geschichtlichen U ubmgen 1913) ist nach dem bisher noch nicht benutzten Codex

Maßstabbildung. Deren geschichtliche Genesis, ihre Weisen sowie die Vaticanus gr. 1673 - entsprechend den Hinweisen von Franchi de'

zugrundeliegende Bewußtseinslehre werden analysiert. Aus der Frage Valien - zu ergänzen und neu zu bearbeiten.

der Maßstabbildung ergibt sich von selbst die weitere nach dem ge- Ferner ist in den Lektionarien im Anschluß an die ältere Epi-

schichtlichen Entwicklungsgeschchen. Folgende Aspekte des Entwick- »ome E stets als ein zweiter Lesetext ein Miraculum Clementis, das

lungsbegriffs werden behandelt: der logische Begriff der Entwicklung, s'ch als eine Homilie eines Bischofs Ephraim von Cherson gibt, über-

seine metaphysischen und erkenntnistheoretischen Voraussetzungen; liefert. Die bisher einzige Ausgabe von Cotelier (1672) fußt nur auf

außerdem- das Verhältnis der historisch-kritischen Methode zum Ent- einigen Pariser Handschriften. Insgesamt stehen für diese Schrift

Wicklungsgeschehen, der Entwicklungsbegriff als Wesensbegriff sowie ca. 30 Textzeugen zur Verfügung.

der Zusammenhang des Verständnisses des Entwicklungsgeschehens Für die genannten vier Schriften, die in Verbindung mit dem

mit der soziologischen Forschungsweise. Daraufhin wird gezeigt, wie ostkirchlichen Gedächtnistag des Clemens Romanus (25. November)

Troeltsch jetzt seine Auffassung der Geschichte gegen die Natur- auf uns gekommen sind, haben 6ich aus dein Überblick über ihre

Wissenschaft absichert und schließlich, wie Troeltsch die Beziehungen Überlieferung teils wichtige neue Gesichtspunkte für ihre Entstehungs-

zwi6chen Geschichtsphilosophie und Ethik sowie Gesdiichtsphilosophie geschichte ergeben, teils aber auch bisherige Untersuchungsergebnisse

und Religionsphilosophie versteht. ur,d Rückschlüsse auf ihren Zusammenhang erneut bestätigen lassen.

Am Schluß der Arbeit wird gefragt, wie Troeltsch selbst zu der Als vormetaphrastische Schriften sind die Epitome E sowie das

eminenten Wandlungsfähigkeit seines Denkens steht. Als Antwort Martyrium und das Miraculum Clementis ausgewiesen. Davon ist das

ergibt sich, daß sie im Sinne Troeltschs liegt, da sie im Wesen der Martyrium die älteste Schrift, auf die in der Wundererzählung Bezug

neuzeitlichen Philosophie, so wie er sie versteht, begründet ist. Denn genommen wird. Die zuletzt entstandene Epitome E, d. h. die H-Ex-

diese ist durch ihre Abhängigkeit von der empirischen Forschung zu zerpte bilden mit dem Martyrium in der gesamten Überlieferung

immer neuen Distinktionen und großer Variabilität gezwungen. Dar- 6tets nur eine Schrift, auf die ausnahmslos der Wunderbericht als

aus wird zugleich deutlich, daß auch die Frage nach der Absolutheit 2we>tfr Lesetext folgt. Diese beiden Texte - die ältere Epitome E

des Christentums, die Troeltsch in seiner letzten Periode nicht mehr ^einschl. Martyrium und das Miraculum Clementis - sind die Vorla-

erweisen kann, immer nur innerhalb der durch die Fachwissenschaften «en fur die metaphrastische Epitome e.

gesetzten Grenzen beantwortbar ist und fortlaufender Modifizierung tme Vita Clementis in vulgärgriechischer Sprache ist als letzter
bedarf. Ausklang der Überlieferung (paraphrasierende Übersetzung einer älteren
Vorlage?) in einer Athos - Handschrift des 17. Jhdts. bekannt
- geworden.

BERICHTE UND MITTEILUNGEN
Noch einmal „Pastoral care"

In einer Studie „Pastoral Care and Clinical Training in America",
die bald im Verlag Paul Haupt, Bern, in deutscher Übersetzung erscheinen
wird, habe ich zu zeigen versucht, daß die Bewegung zur
Erneuerung der Seelsorge, welche augenblicklich in den Vereinigten
Staaten sichtbar wird, zusammenhängt mit einer eigenen Lebensstruktur
, die sich von der europäischen in wichtigen Punkten unterscheidet.
Ich möchte einige dieser Punkte, die ich dort ausführlicher behandelt
habe, herausheben, bevor ich in Anlehnung an den Artikel Seward
Hiltners (ThLZ, 1963, Sp. 481 ff.) einige Bemerkungen mache.

Wir werden Amerika niemals begreifen, wenn wir nicht sehen,
daß die Kirche dort im öffentlichen Leben eine andere Stellung hat
als hier in Europa. Was Hiltner über die zwei Voraussetzungen und
über die „funktionelle" Gestalt des Pfarrers schreibt, muß gegen diesen
Hintergrund gesehen werden. Die amerikanische Gesellschaft hat

als Immigrantengesellschaft eine eigene Dynamik, die die europäische,
welche historisch und psychologisch nodi immer in der statischen Gesellschaft
mit ihren Ständen und festen Ordnungen ruht (obwohl sie
natürlich audi dynamisch umgewühlt wird), nicht zeigt. Von Anfang
an waren die Kirchen und Pfarrer auf diese Dynamik bezogen. Nicht
nur, weil die ersten Immigranten der Religion wegen auswanderten
und so ihre Kirchen als wichtige Stücke ihres persönlichen und sozialen
Lebens mitbrachten, ebenfalls nicht nur, weil kein Organ des
öffentlichen Lebens sich dieser Dynamik entziehen kann, sondern audi,
weil man in und außerhalb der Kirche dieser eine eigene Aufgabe bei
der Erreichung des „guten Lebens" zudenkt. Evangelisation, „Social
Gospel" und jetzt die Bewegung für „pastoral care" sind nicht zufällig
die großen Themata der kirchlichen Aktivität. Sie passen in die
amerikanische Struktur. Man darf hierbei nicht vergessen, daß zu