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Ausgabe:

1964

Spalte:

221-223

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Lutherisches Bekenntnis 1964

Rezensent:

Holtz, Gottfried

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Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 3

222

Ranke-Heinemann, Uta: Zur Theologie der Ehe (TThZ 72,

»963 S. 193—211).
Rauscher, Anton: Subsidiarität - Staat - Kirche (StZ 172 (88. Jg.

1962/63) S. 124-137).
Rehr, Wilhelm: Der Chri6t und die Arbeit unter dem ersten Gebot

(Fortsetzung) (Igreja Luterana XXIV, 1963 S. 15—26).
sauer, Ralph: Der Christ und die Gemeinschaft (ThGl 53, 1963

S. 381—388).

Schaffner, Otto: Das Moralprinzip (Tübinger Theologische Quartalschrift
143, 1963 S. 1-21).
Schweitzer, Albert: Die Kraftquellen unseres geistigen Daseins

(Universitas 18, 1963 S. 449—456).
S e i t z, Manfred: Evangelische Askese-Übung und Verzicht (Una

Sancta 18, 1963 S. 29—3 5).
Soto, Valentin de: Sentido del pecado en una moral sin Dios

(Naturaleza y gracia 8, 1961 S. 223—242).
Stelzenberge r, Johannes: Wertnorm und Gewinn (Tübinger

Theologische Quartalschrift 143, 1963 S. 175—188).
Ullmann. Richard: Friede und Freiheit (JK 24, 1963 S. 186-191).
Vogler, Michael: Schwangerschaftsunterbrechung in der Sicht der

heutigen protestantischen Theologie (ThGl 52, 1962 S. 426—447).
Weizsäcker, Carl Friedrich von: Bedingungen des Friedens (JK 24,

1963 S. 640-647).
Wohmann, Gabriele: Gerechtigkeit (ZW XXXIV, 1963 S. 609-^13).
Wüstenberg, Kurt: Ehescheidung nach dem Gesetz (Lutherische

Monatshefte 2, 1963 S. 263—273).

PRAKTISCHE THEOLOGIE: ALLGEMEINES

Kinder, Ernst, u. Klaus Ha endler: Lutherisches Bekenntnis.

Eine Auswahl aus den Bekenntnisschriften der evang.-luth. Kirche,
hrsg., eingeleit. u. erläut. 1. u. 2. Aufl. Berlin u. Hamburg: Luth.
Verlagshaus 1962/63. 167 S. gr. 8°. Pp. DM 12.80.

Das Buch wendet sich „vor allem an den weiteren Kreis
interessierter Nichttheologen", darum wird es ausdrücklich als
•.nichtwissenschaftlich" gekennzeichnet. Als Ziel schwebt nicht
nur die Aufschließung des theologischen, sondern des erbaulichen
Gehaltes der Bekenntnisschriften vor. Wir begegnen der
nicht alltäglichen Bemerkung, daß die symbolischen Schriften
..auch Erbauungsschriften für persönliche Frömmigkeit und
Seelsorge im besten Sinne" seien (9).

Die Auswahl der Texte folgt durchweg der Ordnung der
Augustana und der Schmalkaldischen Artikel. Neben ihnen
kommen am meisten der Große Katechismus und die Apologie
zu Wort, aber auch das Tauf- und Traubüchlein und die
Konkordienformel. Natürlich werden nur deutsche Texte geboten
, und zwar in Anlehnung an die alten Vorlagen in eigener
Übersetzung. Das Lutherdeutsch ist modernisiert. Justus Jonas
wird getadelt, weil er in der Übersetzung der Apologie teilweise
eine Paraphrase geliefert hätte. Die ausgewählten Texte
sind jeweils den führenden Themen der 15 Kapitel eingeordnet
, die von „Schrift und Bekenntnis" (I) und „Der dreieinige
Gott" (II) bis zu „Weltliche Ordnungen" (XV) reichen. Dazwischen
liegen alle führenden Themen der CA („Der Mensch
als Sünder", Rechtfertigung, Taufe usw.). Vorangestellt ist ein
gut orientierendes Einleitungskapitel zur Entstehungsgeschichte
der lutherischen Bekenntnisschriften.

Über die Fragen des Auswahl- und Begrenzungsprinzips
und der modernisierten Textgestaltung läßt sich endlos streiten.
Jede Auswahl ist ja bereits Auslegung. Der Widerspruch, der
hier wohl nicht ausbleiben wird, ist zu subjektiv und zu billig,
als daß wir unsererseits Lust zu ihm verspürten. Das Bemühen,
auf sehr begrenztem Raum die Hauptthemen quellenmäßig zu
erfassen, verdient u. E. alle Anerkennung. Und die Sprachform?
Wer mag in solchen Geschmacksfragen rechten! Man kann nur
erwägen, ob es wirklich Sinn hat, statt „Vermögen" (Ap. XVIII
deutscher Text) Fähigkeit zu sagen und de causa peccati (CA
XIX) mit „von der Ursache und dem Grunde der Sünde"
wiederzugeben, wenn der amtliche deutsche Text schlecht und
recht immer nur „von der Ursache" übersetzte. Die Zahl solcher
letztlich unnützen Fragen wäre groß.

Aber nicht müßig wird die Frage sein, ob bei der übernommenen
inneren Struktur der Bekenntnisschriften nach Kap. II
(„Der dreieinige Gott") ein Kap. III „Gott der Schöpfer" erscheinen
durfte. Es überrascht nicht, daß die hier gebotenen

Quellenzeugnisse nicht CA, Ap., AS entstammen — was wollte
man da holen! —, sondern dem Großen Katechismus. Gewicht
aber haben auch sie großenteils nicht, denn zwei Drittel sind
den Ausführungen Luthers zum ersten Gebot entnommen, und
jedermann weiß, daß dort der Akzent nicht auf dem Gott der
Schöpfung, sondern auf dem Glauben ruht. Die Einordnung in
ein neues selbständiges und — vom Standort der lutherischen
Bekenntnisschriften aus — untergeschobenes Hauptkapitel verändert
die Gewichtsverteilung bei Luther beträchtlich. Hier
wird die Gefahr handgreiflich deutlich, die immer aus der Verwandtschaft
von Auswahl und Auslegung droht. Besser ist es
um die Ausschnitte aus Luthers Erklärung zum ersten Artikel
bestellt. Aber gerade diese Erklärung ist Bruchstück geblieben,
wie das Textstudium ausweist, und hält im übrigen den Hauptakzent
aus der Erklärung des ersten Gebotes fest.

Die wichtigste Frage aber scheint uns die zu sein, ob das
gesteckte untheologische Ziel erreicht ist, dem Laien die
Bekenntnisschriften aufzuschließen, ja, sie zu Erbauungsschriften
werden zu lassen. Leider müssen wir hier mit einem harten
Nein antworten. Es zeigt sich aufs neue, daß durch nichts die
Tatsache aus der Welt zu schaffen ist, daß die Bekenntnisse
außer den Katechismen für die gelehrten Theologen geschaffen
sind und daß ihr Verständnis bis heute des theologischen Fachstudiums
bedarf. Um ein Beispiel zu geben: die Aussagen der
AS über „die hohen Artikel der göttlichen Majestät" (Gotting«
Ausgabe S. 414) werden zum größten Teil abgedruckt. Man
möge die Sätze wieder einmal nachlesen und sich fragen, ob
das ohne Paraphrase und Kommentar jemals eine Kost für Laien
sein kann. Dieselbe Frage erhebt sich an vielen anderen Stellen,
wie es beim Charakter der CA nicht anders sein kann. Natürlich
liegen die Dinge bei den Katechismen günstiger, aber auch
hier wird eine eingehende Erklärung nicht fehlen können, wenn
der lutherische Laie heute zum Verständnis des Gesagten geführt
werden soll.

Nun enthält aber das Buch einen relativ umfangreichen
„Erläuterungen" überschriebenen Teil. Diese Erläuterungen aber
sind Anmerkungen, die dem Laien schwerlich den Dienst tun
werden, ihn zu einem guten Verständnis und zur Freude des
Weiterforschens zu führen. Geben wir zwei Beispiele, die auf
S. 123 nebeneinander stehen! „Die Dreieinigkeit Gottes ist
also nicht eine vorübergehende, nur ,auf Zeit' bestehende, etwa
nur zum Zweck der Offenbarung und Erlösung, sondern Gott
existiert als Vater, Sohn und Geist ,von Ewigkeit zu Ewigkeit
' ". „Im Wesen Gottes sind die drei .Personen' unvertausch-
bar; doch in seinem Handeln nach außen hängt ihr
Wirken lebendig zusammen, so daß hier Schöpfung und Erhaltung
der Welt auf die ganze Trinität zurückgeführt werden.
Dasselbe ist auch von Erlösung und Heiligung als dem Wirken
Gottes am Menschen zu sagen: auch hier ist die Trinität als
ganze am Werk." Die6e Proben sind typisch für viele. Natürlich'
enthalten sie dogmatisch vollwertige Sätze, wie jedermann
weiß, der die Theologie der Orthodoxie auf der Universität
aus dem Kompendium studierte. Aber sie zeigen, wohin das
Gefälle geht, je mehr das Buch zu seinem Ende kommt: zur
esoterischen Theologensprache. Der ganze Apparat wird nur
dem Theologen nützlich und — genießbar sein. Aber der Laie?
Und nun gar „Erbauung"? Damit ist es nicht getan, daß man
neu übersetzte Texte aus dem 16. Jahrhundert und scharf formulierte
Sätze aus Luthardts oder H. Schmids Kompendien darbietet
, auch wenn man die Leistung dieser Männer noch so hoch'
einschätzt! Das Gefälle zur hochgelehrten Theologie verstärkt
sich ein letztes Mal in dem respektablen Literaturverzeichnis,
das der Gelehrsamkeit der Verfasser ein hohes Zeugnis ausstellt
, vor dem aber der Laie endgültig seufzend kapitulieren
wird.

Die Kritik wäre mißverstanden, wenn aus ihr eine Aversion
gegen die Bekenntnisschriften herausgehört werden sollte.
Der Rezensent liebt sie und trifft sich mit den Verfassern in
dem Wunsch, sie möchten vielen gebildeten Gemeindegliedern
nahegebracht werden. Dann aber wird man Wege gehen müssen
, wie etwa L.Fendt gegangen ist („Der Wille der Reformation
im Augsburger Bekenntnis; ein Kommentar für Prediger