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Ausgabe:

1964

Spalte:

219-220

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Schlatter, Adolf

Titel/Untertitel:

Die christliche Ethik 1964

Rezensent:

Oyen, Hendrik van

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219

Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 3

220

Infragestellung der gesellsdiaftlichen Bedingungen seines Daseins
und Handelns. (Die Bedeutung des Klassenbegriffs für die
Analyse unsrer Gesellschaft, in: Jahrbuch für Sozialwissenschaft
Bd. 12, H. 3, S. 264 ff.) So kann auch Gogarten argumentieren.
Dem Personalismus wohnt jene radikale Konsequenz inne.
Im Vergleich zu diesen personalistischen Theorien wird sich O.
vor dem Vorwurf der Vereinfachung sichern müssen. D. h. aber
die Frage stellen, ob die Alternative von „Institution" und „Person
" nicht die Sozialethik von vornherein in eine solche Einseitigkeit
manövriert, daß die Aufgabe einer umfassenden Sinndeutung
der Gesellschaft in einen moralischen Dauerappell an die Person
verdünnt wird. Es ist z. B. sehr fraglich, ob die Antithesen der
Bergpredigt mit dem formalen Gegensatz Institution-Person erfaßt
sind, wenn man einmal die israelitisch-jüdische Tradition
berücksichtigt, die im rabbinischen Gesetzesverständnis keineswegs
aufgeht. Jene Gegenüberstellung, die im Gesetz das allgemeine
Wesen der Institution repräsentiert findet, lebt von
einer Ausweitung der lutherischen Formel von Gesetz und
Evangelium, die, auf dem Wege einer Formalisierung ihres
innerdogmatischen Inhaltes, zur Vergewaltigung geschichtlicher
Sachverhalte (auch solcher der biblischen Schriften!) neigt und
deshalb als Ansatz für eine erklärtermaßen historisch-soziologisch
verfahrende Rezeption der christlichen Tradition nur von
einem überlegenen Gesichtspunkt aus verwandt werden sollte.
Jede derartige Dialektik muß die umfassendere Einheit aufzuweisen
vermögen, die sie ermöglicht. Hier wird bei O. theologisch
die Frage akut, welche Funktion die Gottesbeziehung
innerhalb des neuen, christlichen Wirklichkeitsverständnisses
hat. Die Affinität von Gott und Sachlichkeit (s. o.) darf nicht
verdecken, daß mit dem Gottesbegriff in jedem Falle nicht nur
eine bestimmte Weise der Welthaltung der Person bezeichnet
werden darf, sondern immer die Einheit der Wirklichkeit begriffen
werden soll. Und das kann mir entweder in dem konsequenten
Personalismus geschehen, wie ihn Gogarten entwickelt
hat, wo der Gottesbegriff auf die Bestimmung der Person zurückgenommen
ist, oder in einer Theorie der Wirklichkeit und
so auch der Gesellschaft, die solche Gegensätze, wie sie in der
Dialektik von Institution und Person zum Vorschein kommen,
zu überwinden vermag. Der Weg des Verf.s, die Bezüge des
christlichen Weltverständnisses i n dessen realer Geschichte aufzuspüren
, muß über die einseitig personalistische Bestimmung
dieser Welthaltung hinausführen, wenn das methodische Vorgehen
und die sachliche Aussage zur vollen Deckung kommen
«ollen. Es ist dem Verf. zu wünschen und für die Sozialethik zu
hoffen, daß er, der seit dem Erscheinen des Buches in den Verband
einer ev.-theologischen Fakultät eingetreten ist, den einmal
beschrittenen Weg in seiner inneren Logik fortzusetzen
bald Gelegenheit findet.

MUnster/Westf. Trutz Ren d to rf f

Schlatter, Adolf: Die christliche Ethik. 4. Aufl. Stuttgart: Calwer
Verlag [1961]. 447 S. 8°. Lw. DM 22.-.

Dieser 4. Neudruck der bekannten Ethik Adolf Schlatters
ist zum 125. Bestehen des Calwer Verlages herausgekommen
und bildet einen unveränderten Nachdruck der 3. Auflage von
1929. Daß der Verlag diesen Neudruck gewagt hat, beweist,
wie sehr diese christliche Tugendlehre noch verlangt wird.
Das ist insofern nicht erstaunlich, weil erstens der ganze Aufbau
völlig einzigartig innerhalb der Geschichte der christlichen
Ethik dasteht (auf vier Pfeilern gegründet: Gerechtigkeit, Wahrheit
, Seligkeit und Kraft), und zweitens die Fülle der Extension
an behandelten Problemen von keinem Buche dieser Art auch
nur irgendwie nachgeholt wird. Es ist bewundernswert, wie der
Verf. die Exuberanz des alltäglichen Lebens unter die Weisungen
von vier christlichen Tugenden zu bringen wußte. Manches
würde der Autor, der so intensiv mit seiner Zeit lebte,
wie hier auf jeder Seite deutlich wird, heute gewiß anders formulieren
, aber auch so ist dieses Buch, das so gar nichts von
theoretischer Problematik schwerfälliger Theologumena (wie
Gesetz und Evangelium, Natur und Gnade usw.) an sich hat,
als Studienbuch für Ethik höchst empfehlenswert. Man kann
sich nur freuen, daß der Calwer Verlag diesen Neudruck unternommen
hat, und möchte nachdrücklich auf das originelle Werk
des großen Neutestamentiers hinweisen.

Basel Hendrik Tan O y e n

Bodzenta, Erich: Industriedorf im Wohlstand. Mainz: Matthias-
Grünewald-Verlag [1962]. 208 S. m. 8 Abb. 8° = Schriften zur
Pastoralsoziologie, hrsg. v. E. Bodzenta, N. Greinacher, W. Menges,
Bd. II. Lw. DM 24.80.

In dieser gemeindesoziologischen Studie wird ein ländlicher
Industrieort aus Tirol und der dazu gehörige Einzugsbereich
durchleuchtet. Da es viele ähnlich strukturierte Orte gibt, und
da über ihre Entwicklung und deren Auswirkung auf die Umgebung
bislang wenig exakte Untersuchungen vorliegen, hofft
man an diesem Modellfall einige Aufschlüsse von allgemeiner
(gesamtösterreichischer) Bedeutung für die zukünftige Entwicklung
gewonnen zu haben, aus der man für die kirchliche Arbeit
wichtige Schlüsse ziehen kann. Denn wenn die Pfarre aus den
veränderten Verhältnissen nicht resolut die Konsequenzen zieht,
dann läuft sie Gefahr, ihre Zukunft an jene Gruppen zu binden
(hier: Landwirtschaft und alter Mittelstand), die eine absteigende
Tendenz zeigen. Das ist das Resultat der Arbeit, und
dazu sind solche Untersuchungen wichtig.

Velbert/Rhld. Friedrich Karrenberg

Armellada, Bemhardino de: Reflexiones teolögicas sobre la vir-
ginidad (Naturaleza y gracia 8, 1961 S. 263—277).

Bassarak, Gerhard: Friede und Freiheit (JK 24, 1963 S. 191—201).

B e c k m a n n, Joachim: Zur Frage der Strafbarkeit der Schwangerschafts
-Unterbrechung (DtPfrBl 62, 1962 S. 233—237).

Bereczky, Albert: Mater et Magistra (Communio Viatorum 5,
1962 S. 155—174).

Brunner, August: Reue als geschichtliche Macht (StZ 171 (88. Jg.
1962/63) S. 422—431).

C a w k w e 11, G. L.: Notes on the Social War (Classica et Mediae-
valia XXIII, 1963 S. 34-49).

Delhaye, Chanoine Philippe: La conscience actuelle certaine (Sciences
Ecclesiastiques XV, 1963 S. 227—245)

Ermecke, Gustav: Die katholische Moraltheologie im Wandel der
Gegenwart. Überlegungen zu ihrer „Erneuerung" im allgemeinen und
in methodischer und systematischer Hinsicht im besonderen (ThGl
53, 1963 S. 348—366).

— Über Recht und Ethik der Mensur (ThGl 53, 1963 S. 105—109).
Fischer, Karl Martin: Die Problematik einer Begründung der Sozialethik
vom Neuen Testament her (ZdZ 17, 1963 S. 322—3 30).

Franc ke, Fritz: Ein Verkehrsriditer fragt. Was hat die Theologie
zum Straßenverkehr zu sagen? (ZW XXXIV, 1963 S. 152—162).

Gay, Rita: Societä e amore (Proteetantesimo XVIII, 1963 S. 75—78).

Jarlot, G.: Propriete, droit naturel et bien commun: les pauvres
ont-ils des droits? (NRTh 95, 1963 S. 618—630).

Kahler, Ernst: Esdiatologisches Denken und politisches Urteil bei
Martin Kahler (Kirche in der Zeit 18, 1963 S. 340—343).

Lazareth, William H.: The „Two Kingdom" Ethic Reconsidered
(Dialog 1, 1962 Nr. 4. S. 30—35).

Lohff, Wenzel: Rechtfertigung und Ethik (Lutherische Monatshefte
2, 1963 S. 311—318).

Linn, Gerhard: Familie im Wandel der Zeiten (ZdZ 17, 1963
S. 162—168).

Martelet, G.: Mariage, amour et sacrement (NRTh 95, 1963
S. 577—597).

Meyer, Hans: Handelt der Mensch stets sub ratione boni? (ThRv.
59, 1963 Sp. 219—222).

Moritz, Hans: Macht und politische Romantik. Die religionssoziologische
Analyse Paul Tillichs im Jahre 1931/32. (WZ der
Karl-Marx-Universität 12. Jg. 1963, Gesellschafts- und Spradiwiss.
Reihe, Heft 3, S. 595—598).

Naurois, L. de: Juristes et Moralistes en presence des obligations
inter-personnelles de justice (NRTh 95, 1963 S. 598—617).

Niebuhr, H. Richard: The Responsible Seif. An Essay in Christian
Moral Philosophy. With an Introduction by J. M. Gustafson. New
York — Evanston — London: Harper Sc Row. [1963]. VII, 183 S.
8°. Lw. $ 3.50.

Oppen, Dietrich von: Vereinzelung und Einsamkeit (Wege zum
Menschen 15, 1963 S. 2—8).

— Der Mensch in der offenen Situation. Zur Frage nach dem Verhältnis
der Ethik zum christlichen Glauben unserer Zeit (ZThK 59,
1962 S. 315—345).