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1964

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Kirchengeschichte: Reformationszeit

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 3

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doch mit aller Eindringlichkeit den Blick auf eine Stadt, die
trotz katholischem König und Bischof den Weg der Reformation
in aller Konsequenz gegangen ist.

Berlin Hans-Ulrich Del i u «

Bartos, F. M.: An English Cardinal and the Hussite Revolution
(Communio Viatorum 6, 1963 S. 47—54).

Hein, Lorenz: Luthers Stellung zur Judenfrage im Jahre 1523 (Lutherische
Monatshefte 2, 1963 S. 559—560).

Molnär, Amedeo: Autour du mandat royal — Luc de Prague entre
1504 et 1509 (Communio Viatorum 6, 1963 S. 39—46).

Schäfer, Rolf: Melanchthons Hermeneutik im Römerbrief-Kommentar
von 1532 (ZThK 60, 1963 S. 216—235).

PHILOSOPHIE UND RELIGIONSPHILOSOPHIE

Overbeckiana. Übersicht über den Franz-Overbeck-Nachlaß der
Universitätsbibliothek Basel. II. Teil: Der wissenschaftliche Nachlaß
Franz Overbecks beschrieben v. M. Tetz. Basel: Helbing & Lich-
tenhahn 1962. 192 S. gr. 8° = Studien z. Geschichte d. Wissenschaften
in Basel hrsg. v. d. Universität Basel. XIII. sfr. 18.—.
Dieser zweite Band der Overbeckiana stellt ein beschreibendes
Verzeichnis dieses außerordentlich umfangreichen handschriftlichen
Nachlasses dar; der die zahlreichen Korrespondenzen
behandelnde erste Band wurde von mir schon ThLZ 1963,
SP. 859 angezeigt. Mit Recht meint der Hrsg.: „Im ganzen läßt
der wissenschaftliche Nachlaß Franz Overbecks ein anschauliches
Bild vom Lebenswerk dieses publikationsscheuen Gelehrten
entstehen, fast möchte man sagen, er ist dieses Lebenswerk
selbst". Der Hauptteil des wissenschaftlichen Nachlasses war
1927 von C. A. Bernoulli in der Handschriftenabteilung der IIB
Basel deponiert worden, nach dem Tode der Frau Ida Overbeck
(193 3) und des Nachlaßverwalters selber (1937) folgte der Rest.
Nach Inventarisierung und Durchnumerierung handelt es sich
um 412 z.T. recht umfängliche Konvolute.

Abteilung 1 gibt das Verzeichnis und die Beschreibung
der Hauptmasse des Nachlasses, teilweise mit Auszügen, so daß
man sich mitunter ein Bild vom tatsächlichen Inhalt der Niederschriften
machen kann. Im wesentlichen handelt es sich um die
Ausarbeitung von O. gehaltener Vorlesungen in Jena und
Basel zum NT und zur patristischen Literaturgeschichte, ferner
um eine Reihe von Einzeluntersuchungen, darunter eine größere
Anzahl nicht veröffentlichter Hippolytstudien, um Übersetzungen
, Inhaltsangaben, Exzerpte etc. In den noch sehr produktiven
Ruhestandsjahren (1897—1905) interessierten ihn besonders
drei Themenkreise: Johannesevangelium, Eusebs Kirchengeschichte
und die moderne Theologie in Vorbereitung seines
nachgelassenen Buches „Christentum und Kultur" (erschienen
1919). Wilde Polemiken gegen Harnack (S. 19-25, 96 ff.) sind
mit Recht nicht vorher im Wortlaut veröffentlicht worden.
Interessant ist auch eine Skizze O.s für ein Fakultätsgutachten
über Paul Wernles Lizentiatenarbeit (Die Sünde innerhalb der
christlichen Urgemeinde) aus seinem letzten Amtsjahr (1896):
„Die Art des Verfs. ist so subjektiv, daß man ihm gegenüber
auch subjektiv sich sicherstellen muß, und ich es nur ablehnen
kann, ein Fakultätsgutachten abzugeben" (8 5).

Abteilung II (Collectaneen) beschreibt im wesentlichen die
Unmasse von O. verzettelter Notizen und Stichworte zu NT
und Kirchengeschichte, die sich allmählich zu aphoristischer
Form ausgeweitet haben. Mein Schüler Wolfgang Köhler hat
sie und das Material des dritten Teiles bereits in seiner Dissertation
„Christentum und Geschichte bei Franz Overbeck"
(Masch. Sehr. Erlangen 1951) benutzt gehabt.

Abteilung III des wissenschaftlichen Nachlasses enthält
Autobiographisches aus den letzten Jahren, zum größten Teil
schon von Eb. Vi scher (Selbstbekenntnisse O.s, 1941) mit
fragwürdiger Tendenz publiziert. Hier seien zur Charakteristik
von O.s Geistesart zwei bisher ungedruckte Aphorismen als
Proben mitgeteilt:

„Mit dem, was wir von Jesus wissen, zu beweisen, daß
er Gott war, ist unmöglich. Es fragt sich aber nur, ob sich
nicht nachweisen läßt, daß und wie diese Annahme ganz unabhängig
von dem, was Jesus war, entstanden ist. Dafür wimmeln
die Beweise. U. a. ist alles Nötige geleistet, wenn wir
zeigen, daß alle Zeugnisse von Jesu Gottheit nicht zu unserem
strengen Wissen von Jesus gehören, sondern zur Auffassung
seiner Person, welche für uns natürlich nicht bindend sein
kann" (A 272 — S. 130).

„Es gibt kein Moment, welches tiefer die historische Tradition
vom Urchristentum gefälscht hat als ihr völliger Übergang
in die Hände des Heidenchristentums" (A 268 — S. 126).

Abteilung IV (Nietzscheana) enthält für die Nietzscheforschung
eine interessante Nachlese, u. a. die mitgeteilten
Randbemerkungen O.s — sehr polemisch — zu Elisabeth
Förster-Nietzsches Biographie ihres Bruders. Auch ein Verzeichnis
der Opera und Opuscula Peter Gasts (H. Köselitz) findet
sich hier. Das meiste war natürlich schon aus Bernoullis zweibändiger
Edition von 1908 (Franz Overbeck und Friedrich
Nietzsche, eine Freundschaft) bekannt.

Abteilung V gibt Kataloge der leider durch Antiquariatsverkauf
zerstreuten O.schen Bibliothek sowie Notizen in den
Handexemplaren eigener Bücher und Marginalien in Büchern
einiger anderer Autoren (z. B. Bruno Bauer) sowie Rezensionsverzeichnisse
. — Ein Katalog der Vorlesungen, die O. 1864
—1897 gehalten hat, beschließt als Beilage den wichtigen Band.

Erlangen Hans-Joachim Seil oep s

Vahanian, Gabriel: The Death of Cod. The Culture of Our Post-
Christian Era. New York: Braziller 1961. XXXIII, 253 S. 8°. Lw.
$ 5.-.

„Gott ist tot" —, das war eine Erkenntnis, die schon den
antichristlichen Kulturkritiker Nietzsche beschäftigt hat. Nun
legt uns ein französischer Theologe aus den USA eine christliche
Kulturkritik unter dem gleichen Titel vor. Gabriel
Vahanian ist in Marseilles geboren, studierte in Frankreich und
USA und lehrt jetzt als Professor der Religionswissenschaften in
der amerikanischen Universität Syracuse. Sein „existentialistisch"
geschriebenes Buch, dem der Princeton-Gelehrte Professor Paul
Ramsey ein Vorwort beigesteuert hat, ist erfüllt von der neuen
geistigen Krise, die nach zwei Weltkriegen auch den nordamerikanischen
Kontinent erfaßt hat. Die Auseinandersetzung
ist mitten im Gange und verspricht, gerade weil sie im westlichen
Westen gegenüber einer Welt bürgerlicher Sicherheit und
angesichts eines Erziehungsoptimismus ausgetragen wird, fruchtbar
zu werden. Begreiflicherweise ist die Theologie der Ort, an
dem die inneren Kämpfe nun in erster Linie stattfinden.

V. behandelt in einem ersten Teil die „religiöse
Agonie" des Christentums. Dabei wird ihm deutlich: der
Tod Gottes ist „kein Unfall" (6), sondern ein Produkt des
Christentums. Der Mensch selbst nimmt heute Christusgestalt
an. Die Tötung Gottes vergöttlicht den Menschen, jenen
„Schwätzer" (Kierkegaard). Aus dem Neuen Menschen des
Glaubens wird der Christliche Mensch der Religion (17), seine
Religion verwandelt 6ich zu einem bloßen „Gefühl der Zusammengehörigkeit
" ; sie erschöpft sich — so würden wir in der
Sprache der existentialen Interpretation sagen — in reiner
„Mitmenschlichkeit". Selbst der Glaube kann offenbar an Salz
verlieren. Das „Soziale Evangelium" ist ein bezeichnendes
Symptom für das Nachlassen der christlichen Überlieferung.
Dem christlichen Glauben unserer Tage fehlt das Element der
Hoffnung, aber auch das des Zweifels: „Im gegenwärtigen Zeitalter
ist der Zweifel immun geworden gegenüber dem Glauben,
und der Glaube hat sich selbst vom Zweifel losgesagt. Nichts ist
schlimmer als ein toter Glaube, es sei denn ein toter Zweifel"
(13). Zusammen mit Ramsey ist V. der Meinung, daß wir
heute in einem „nachchristlichen Zeitalter" leben und zwar 1.,
weil das Christenrum mit einer Religiosität synonym geworden
ist, 2., weil es nicht mehr die zeitgenössische Kultur inspiriert
und 3., weil es seine Hegemonie in dieser Welt verloren hat
(49 f.; 228). Ja, die Christenheit, die an sich von ihrem Herrn
zu einer echten Säkularität gerufen ist, entartet zum Säkularismus
. Obgleich von einer anderen Welt stammend, ist sie so
weltlich geworden, daß sie offenbar „beides verloren hat,
Himmel und Erde" (48). Es wäre eine Illusion, wollte man in
der neuen „religiösen" Haltung der letzten Jahrzehnte eine