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1964

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Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

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Theologisdie Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 3

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an der Ostdeltagrenze aus etwa gleicher Zeit belegt ist*. Teils
freiwillig, teils gezwungen beteiligten sie sich an der gerade im
Bau befindlichen Delta-Residenz der Ramessiden5. Verzweifelnd
an der harten und ungewohnten Arbeit und erfüllt vom Stolz
freier Wüstenbewohner (vgl. zur Illustration dieses Bewußtseins
Gen. 46, 34) gelang ihnen wahrscheinlich unter der Führung
eines tatkräftigen und kundigen Mannes (Mose) die Flucht in
die östliche Wüste (vgl. Ex. 14, 5). Einer nachsetzenden kleinen
ägyptischen Grenztruppe konnten sie am „Schilfmeer" entkommen
und fanden schließlich Anschluß an ihnen verwandte
Stämme, mit denen sie in späterer Zeit auf dem Kulturlandboden
Palästinas Fuß faßten0. Die6e im Rahmen damaliger Weltgeschichte
höchst unsensationellen Vorgänge haben nun freilich
im biblischen Bericht aus israelitischer Sicht ein ungemein stärkeres
Gewicht erhalten, so daß der „Auszug aus Ägypten" zu
einem Urerlebnis der Frühgeschichte des späteren Gesamtvolkes
werden konnte. Unter solchen Voraussetzungen ist die Josephsgeschichte
der viel spätere Niederschlag und Ausbau eines Komplexes
älterer und jüngerer Stammesüberlieferungen und -tradi-
tionen, der bereits die weitgehende Verknüpfung der aus Mesopotamien
und Nordsyrien stammenden Patriarchentraditionen
mit denen der „ägyptischen" Stämmegruppe voraussetzt. Die
novellistische Ausgestaltung der Josephsgeschichte gehört ihrer
ganzen äußeren und inneren Struktur nach in die beginnende
israelitische Königszeit, am ehesten in die Epoche Salomos7.

Auf dem Hintergrund dieses hier so knapp skizzierten, von
Montet abweichenden Bildes vom Verlauf der frühesten Geschichte
Israels rücken auch viele Tatbestände ihrer Genesis und
ihrem Gewicht nach in ein anderes Licht, die Verf. in reicher
Zahl aus Kulturgeschichte und Religion Ägyptens in ihren Beziehungen
zu Israel vorgetragen hat. Darauf kann hier im einzelnen
nicht mehr eingegangen werden8. Doch erschien es in
Anbetracht dieses für weitere Kreise bestimmten Buches geboten
, die theologische Fachwelt wenigstens darauf aufmerksam
zu machen, daß nicht alle der von Montet angenommenen
Voraussetzungen seiner Darstellung als opinio communis anzusehen
sind. Der alttestamentlich und ägyptologisch gebildete
Fachmann wird bei der Lektüre auf manche Einzelheit aufmerksam
und zu weiterem Forschen angeregt. Man bedauert, daß
man gerade dieses Buch nicht jedem interessierten Laien vorbehaltlos
empfehlen kann.

Aus der Reihe revisionsbedürftiger Einzelheiten greife ich nur
solche heraus, die sich ohne lange Erörterung rasch berichtigen lassen:
S. 11. 15. 51 muß es Erman statt „Ermann" heißen. — Die von M.
Thurneysen (M. Th.) gewählte Übersetzungsform „Mittelreich", „Neu-
reidi" statt der allgemein üblichen Bezeichnungen Mittleres Reich,
Neues Reich kann stellenweise das Mißverständnis auslösen, daß es
sich etwa beim „Mittelreich" um ein „Reich der Mitte" in geographischem
Sinne handle! — S. 7: Daß Schoschenk I. Jerusalem besetzt
habe, ist nirgends belegt und wird von Montet lediglich durch ein
argumentum e silentio gestützt: In der von Schoschenk in Karnak
angebrachten Liste eroberter Städte habe der Name Jerusalem
zweifellos (sie!) im zerstörten Teil gestanden. Vgl. auch S. 70. —
S. 12: Die Meinung von M. Th., man könne sich die Wirkungen
Ägyptens auf das Alte Testament am ehesten so veranschaulichen,
„indem man an den geistigen Einfluß und die kulturelle Wirkung
Amerikas auf Westeuropa in unserer Zeit denkt", ist falsch. Ägyp-

*) Texte bei Greßmann, AOT (»1926), S. 96 f.; Galling, TGI
(1950), S. 32 ff.; Pritchard, ANET (»1955), S. 258 f.

s) A. Alt, Die Deltaresidenz der Ramessiden, Festschrift f.
F. Zucker (1954), S. 3 ff. = Kleine Schriften III (1959), S. 176 ff.

") Das „Haus Joseph" stellte wohl von allen nachmalig israelitischen
Stämmen die letzte Gruppe dar, die das Kulturland erreichte;
sie siedelte sich im mittelpalästinischen Gebirgsland in einem Raum
zwischen der lesreelebene im Norden und Bethel im Süden an.

7) Dazu vor allem G. v. Rad, Ges. Studien (1958), S. 272 ff.; auch
Bibl. Studien 5 (J1956). — Siehe auch S. Mowinckel, BZAW 77 (1958),
S. 142 ff. und O.Kaiser, VT lo (1960), S. 1 ff.

8) Zur Beurteilung der literarischen und religionsgeschichtlichen
Probleme zwischen Ägypten und Bibel finden Interessenten weiteres
umfängliches Material zusammengestellt und bewertet im Handbuch
der Orientalistik (Spuler) 1, 2 (1952), S. 194ff.; S. Morenz, Ägyptische
Religion (i960), S. 244 ff.; siehe auch RGG *I, Sp. 117 ff.

tens Kultur ist selbständig und organisdi gewachsen; Amerikas Kultur
, soweit sie auf unsere Generationen fruchtbar wirkt, ist zu einem
wesentlichen Teil unter europäischem Einfluß erst entstanden. Israel
hatte von Natur aus nichts mit Ägypten gemein; Anleihen oder
Übernahmen Israels von Ägypten her beruhen also nicht auf Wesensverwandtschaft
oder zwangloser natürlicher Assimilation, sondern
sind höher einzuschätzen! — S. 20 ist die Dauer des Ägypten-Aufenthaltes
der Israeliten auf Grund von Gen. 15,13 mit 400 Jahren angegeben
, aber dabei Gen. 15, 16 übergangen, wo nur von vier Generationen
die Rede ist, also von einer wesentlich kürzeren Zeitspanne.
S. 21 wird die Ankunft der Jakobssöhne in Ägypten in das Jahr 1622
v. Chr. versetzt, und zwar — wie es ausdrücklich heißt — im Widerspruch
zum hebräischen Text des Alten Testaments, aber gestützt auf
die Daten der Septuaginta, die „auf Grund fester Vermutungen" (sie!)
errechnet worden seien. Montet nimmt Quellen an, die die alexan-
drinischen Gelehrten besessen haben könnten, die aber leider verloren
sind ( !). Auf solche Weise erzwingt Montet die Kontakte der
Patriarchen mit der Hyksos-Zeit und zugleich mit der Stadt Awaris.
Da6 an dieser Stelle von M. Th. angebrachte Albright-Zitat wirkt
gerade hier peinlich (S. 21, Anm. 2). Vgl. zum Ganzen auch den Text
auf S. 31. — S. 26 möchte man hoffen, daß das von M. Th. ausgewählte
Zitat aus E. Otto, Ägypten, das in eklatantem Widerspruch zu
Montet steht, absichtlich gebracht wurde, um darzutun, wie wenig
Otto daran glaubt, die Josephsgeschichte in die Hyksoszeit verlegen
zu müssen. — S. 47 scheint mir die Geschichte vom Schilfkästchen
Ex. 2, 1—10 in redit unkritischer Weise ernst genommen zu sein. —
S. 49 ist als ägyptischer Name der Residenz von El Amarna „Echna-
ton" angegeben, eine Irreführung, die der Übersetzer verschuldet
haben kann. Der Name lautete h.t itn und wäre (mit Otto!)
„Achetaton" ( = „Lichtort des Aton") wiederzugeben gewesen. —
S. 50, Anm. 1 sollen Angaben aus der Apostelgeschichte (Kap. 7,20
—23 und 29—30) Moses Lebensalter bestätigen! — S. 59: Das wahrscheinliche
ägyptische Äquivalent für Pinhas lautet p,' nhs; = „der
Neger", und läßt sich allenfalls durch Panehsj, aber nicht „Paneshj"
umschreiben! — S. 70: Zu dem höchstwahrscheinlich unzutreffenden
„Feld Abrahams" in der Schoschenkliste (Nr. 71/72) siehe M. Noth,
ZDPV 61 (1938), S. 291 und 301; vgl. auch B. Mazar in Suppl. to
VT 4 (1957), S. 64 f. — S. 81: Das Zitat, dessen Stellenangabe S. 83,
Anm. 1 steht, stammt nicht aus den Klagen des Bauern, sondern aus
der Weissagung des Neferti (früher „Nefer-rehu"). — S. 86 f.: Gegen
die Identifikation von Tachpanches mit dem Daphnai Herodots A. Alt,
ZDPV 66 (1943), S. 66 f. — S. 95 ff.: Für die mannigfachen Probleme,
die 6ich mit den Ortlagen des Auszugs verbinden, sei hier verwiesen
auf H. Cazelles, Revue biblique 62 (1955), S. 321 ff.; ferner auf
O. Eißfeldt, Baal Zaphon, Zeus Kasios und der Durchzug der Israeliten
durchs Meer (1932); M. Noth, Festschrift O. Eißfeldt (1947),
S. 181 ff.; M. Noth, ATD 5 (1959) zu den betr. Stellen. — S. 109 ff.:
Es ist ernsthaft zu fragen, ob ohne Berücksichtigung literarkritischer
Maßstäbe sowohl die Stellen aus Gen. und Ex. als auch die zitierten
Stellen aus Pap. Westcar und Sinuhe beurteilt werden dürfen, um in
einer geschichtlich zutreffenden Weise das Leben am ägyptischen Hofe
zu rekonstruieren. Ich verweise zur Charakteristik des Problems auf
einen Satz Poseners: „La difference est grande entre le roi des con-
tes et le magnifique pharaon des textes et de l'art officiel et reli-
gieux." G. Posener, De la divinite du pharaon (i960), S. 100; siehe
ebenda S. 89 ff. — Die S. 160 gegebene Charakteristik der äg. Plagen
(Ex. 7 ff.) ist unglücklich; sie degradiert Mose zum Zauberer, ohne
dabei der selbständigen theologischen Aussagekraft der Texte gerecht
zu werden. — Die S. 172 angestellten religionsgeschichtlichen Erwägungen
sind mit Flagezeichen zu versehen. — S. 177: Der hier genannte
Priester heißt nicht Neferhotep, sondern Neferti (nach früherer
Vermutung „Nefer-rehu"). — Die S. 186 zitierte Anordnung aus dem
Heiligkeitsgesetz (Lev. 18,3) „Ihr sollt nicht tun, wie man im Lande
Ägypten tut. .." dem Mose als „unbestreitbare Voreingenommenheit
und selbst Undankbarkeit gegen Ägypten" zur Last zu legen, zeigt
„unbestreitbar", in welche Gedankenbahnen man geraten kann, wenn
man sich der Pentateuchkritik verschließt! — S. 222: Der unter
„Posener, G." zitierte Band 34 der „Syria" erschien nicht 1937, sondern
1957; die zweite Seitenzahl muß 163 (nicht 153) lauten.

Berlin Siegfried Herr mann

Hansen, Donald P.: An Archaic Bronze Boar from Sardis (Bulletin of
the American Schools of Oriental Research Nr. 169, 1962 S. 27—36).

Hanfmann, George M. A.: The Fourth Campaign at Sardis (1961)
(Bulletin of the American Schools of Oriental Research Nr. 166,
1962 S. 1—57).