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Ausgabe:

1964

Spalte:

189-192

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Montet, Pierre

Titel/Untertitel:

Das alte Ägypten und die Bibel 1964

Rezensent:

Herrmann, Siegfried

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189

Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 3

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Ich glaube nicht, daß Mendenhalls Argumente das Bild der
alten Rechtsgeschichte Israels, wie Alt es mit seiner scharfen
Erfassung zweier hauptsächlicher Rechtsströme gesehen hat, zu
erschüttern vermocht hat — auch wenn Alts Sicht in Einzelheiten
, wie etwa der ausschließlich innerisraelitischen Herleitung
der apodiktischen Form, Korrekturen erfahren muß. Und das
Problem Abrahambund-Sinaibund, ein weiteres Zentralproblem
a'ttestamentlicher Theologie, muß wohl noch etwas tiefer angesetzt
werden, als es hier geschieht. Auf jeden Fall aber sind
d'e beiden knappen Skizzen Mendenhalls, auch wenn sie mit
manchen Fragen reichlich schnell ferrig werden, durchaus
"Stimulating", und es kann nur empfohlen werden, sie gründlich
— und kritisch — zu durchdenken.

Göttingen Walthor Zimm r.rll

Monier, Pierre: Das alte Ägypten und die Bibel. Aus dem Fran-
zös ischen übertr. von M. Thurneysen. Zürich : EVZ - Verlag
[i960]. 227 S. m. 21 Abb., 8 Taf. S° = Bibel und Archäologie,
hrsg. v. A. Parrot, Bd. IV. Lw. DM 17.60.

Dieser vierte Band der ansprechend ausgestatteten Reihe
■■Bibel und Archäologie", die Andre Parrot, der Chefkonserva-
teur der französischen Nationalmuseen und Professor an der
tcole du Louvre, herausgibt1, wird aus verschiedenen Gründen
yiele Käufer und Leser finden: Ein namhafter Autor, Pierre
Montet, bekannt durch seine Ausgrabungen in Tanis und Byb-
'°s, berichtet in einem reich und gut illustrierten handlichen
Band über einen immer wieder anziehenden Gegenstand, über
das alte Ägypten, und hier speziell über seine Beziehungen zur
Bibel, genauer gesagt, zum Alten Testament. Das Inhaltsverzeichnis
verrät schon, wie weit der Rahmen gespannt ist:
Erster Teil: Könige und Ortsnamen. In vier Kapiteln wird über
erste Begegnungen zwischen Israel und Ägypten (Abraham,
Joseph), über Mose und den Auszug aus Ägypten, über die
Kontakte zwischen Israel und Ägypten „von David bis Jeremia"
und über Ortslagen in Ägypten berichtet, die im Alten Testament
erwähnt sind. Der zweite Teil handelt vom „Leben der
alten Ägypter", wobei geflissentlich Beziehungen und Parallelen
zu Israel herausgestellt werden; das geschieht in drei Kapiteln:
Das tägliche Leben in Ägypten; Aberglaube und Zauberei; Das
religiöse Leben: Frömmigkeit und Ethik. — Wie nicht anders
zu erwarten, hat der Autor eine Fülle von Texten zitiert und
viel archäologisches Material herangezogen, freilich nicht immer
in einer für Fachfremde übersichtlichen und rasch durchschaubaren
Form. Diesem Mangel hat für die deutsche Ausgabe des
französischen Originals „L'Egypte et la Bible" (Cahiers dArche-
ologie Biblique, Heft 11, Neuchätel 1959 ) der Übersetzer
M. Thurneysen dadurch Abhilfe zu verschaffen gesucht, daß er
Zitate ägyptischer Texte ausführlicher als Montet brachte, daß
er unter dem Siglum M. Th. die Anmerkungen erweiterte sowie
dem Ganzen eine Karte und eine Zeittafel beisteuerte.
Seine Erweiterungen gründete Thurneysen auf das hervorragende
Buch von Eberhard Otto, Ägypten — der Weg des Pharaonen-
reiches (Urbanbücherei Bd. 4, 1958), dergestalt, daß er danach
die Chronologie einrichtete und in den Anmerkungen, wo er
es für nützlich hielt, ausführlich aus Ottos Buch zitierte, ja
sogar noch eigene Stellungnahmen für einen an Erbauung gewöhnten
Bibelleser hinzufügte. So geschieht es nicht selten,
daß der Leser auf einer einzigen Seite die Meinungen dreier
Autoren zu Gesicht bekommt: den Haupttext von Montet, den
(übrigens nicht durchweg überzeugend eingebauten) historischen
Auszug aus Otto und die abschließende Bemerkung von Thurneysen
(M. Th.). Dieses Verfahren überzeugt manchmal, in
vielen Fällen i6t es verwirrend. So muß man sagen, daß der
vielversprechende Band sich schon durch seine äußere Form dem
deutschen Leser recht problematisch darbietet.

Einwände müssen nun leider auch gegen die Darstellung
des Ganzen erhoben werden. In seiner Einleitung (S. 7) sagt
veTf., daß die Ausleger der Bibel nach Ägypten geschaut hätten
, um von dort Aufhellung für die biblischen Texte zu erhalten
, und daß Ägyptologen den Theologen dabei behilflich

') Siehe auch ThLZ 83 (1958), Sp. 24 ff.; 84 (1959), Sp. 34 5 f.

waren. Als solche werden genannt: Brugsch, Ed. Naville, Spiegelberg
, Pater Alexis Mallon, Sir Alan Gardiner und Van de Walle.
Dabei ist außer Acht gelassen, daß nicht unwesentlich auch Alt-
testamentler von sich aus die in Betracht kommenden Fragen
in stetem Kontakt mit der Erforschung des Bibeltextes ihrer
Lösung näherbrachten. Hier verdienen Namen wie A. Alt,
H. Cazelles, O. Eißfeldt, H. Greßmann, M. Noth und H. H.
Rowley Erwähnung. Keiner dieser Namen erscheint in der beigegebenen
Bibliographie oder ist irgendwo in den Anmerkungen
berücksichtigt2. Die neuere alttestamentliche Wissenschaft ist
überhaupt unbeachtet geblieben, und darin liegt der Hauptmangel
des vorliegenden Buches. Das wirkt sich vor allem in
der unkritischen problemlosen Art aus, wie biblische Texte
übernommen, benutzt und bewertet werden. Hier gäbe es eine
Menge von Einzelheiten zu korrigieren oder durch andere
Akzentsetzung neu zu motivieren. Der Übersichtlichkeit halber
6ei hier ein Stück des zusammenfassenden Schlußwortes (S. 209 ff.)
zitiert, aus dem die historische Gesamtsicht des Verfs. hervorgeht
. Daran sollen dann einige grundsätzliche Bemerkungen angeschlossen
werden. VeTf. sagt:

„Die Ereignisse mit und um Abraham ordnen sich sehr natürlich
in die Zeit der 12. Dynastie ein. Die Josephsgeschichten haben im
Königshofe von Avaris zur Zeit der Hyksosherrsdier ihren passenden
Rahmen. Ungefähr vier Jahrhunderte später hat Ramses II., der Große,
auf den Ruinen von Avaris eine neue Residenz erbaut, in welcher er
selbst und seine unmittelbaren Nachfolger den größten Teil des Jahres
verbringen sollten. Das führte diesen Herrscher dazu, seine
Politik gegen Israel zu ändern, einerseits, um sidi die nötigen Arbeiter
zu beschaffen und anderseits, um den königlichen Hof gegen
politische Unruhen zu sichern. Das Volk Israel beschränkte sich darauf
, zu seufzen und zu klagen, solange Ramses II. lebte; als aber sein
Nachfolger Merenptah in der Mitte seiner Regierung mit großen
Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, die ihm aus Angriffen von außen
erwadisen waren und die Kräfte des Landes bis aufs äußerste bean-
spruditen, bot sich den Israeliten die erwünschte Gelegenheit, Ägypten
zu verlassen und von dem Lande Besitz zu ergreifen, das Jahwe ihnen
als Erbe verheißen hatte. ... Es ist auffällig und verdient festgehalten
zu werden, daß die Israeliten in drei entscheidenden Augen-
blidcen ihrer Geschichte den Pharao und seine Residenz am gleichen
Orte vorfanden, der zunächst Avaris, dann Ramses und schließlich
Tanis hieß."

Der zuletzt zitierte Satz ist insgeheim der Ausgangspunkt
für das zuvor entrollte Geschichtsbild. Denn aus ihm spricht
der Stolz des Ausgräbers von Tanis, der diese Stadt 6chon sehr
früh mit den Israeliten und ihrer wechselvollen Geschichte in
Berührung sehen möchte. Ohne dieses Grabungsverdienst auch
nur im geringsten schmälern zu wollen, muß doch freilich gesagt
werden, daß neuere Forschung es fraglich gemacht hat, ob
schon in der ersten Hälfte des zweiten vorchristlichen Jahrtausends
auch nur Teile jener Stämme im Ostdelta lebten, die
späterhin die Größe „Israel" formieren halfen. Dahin gehört
vor allem die Feststellung, daß die Josephsgeschichte nicht überzeugend
mit den Hyksos in Verbindung gebracht werden kann".
Ohne hier in eine detaillierte Auseinandersetzung mit Montet
einzutreten, in deren Zusammenhang auch das biblische Material
analytisch betrachtet werden müßte, sei ohne nähere Begründung
ein anderes, ebenso erwägbares und streckenweise sogar besser
belegbares Geschichtsbild entworfen: Die als verstreute Elemente
der aramäischen Völkerwelle anzusehenden Stämme oder Teilstämme
, die der späteren israelitischen Überlieferung als „Haus
Joseph" erschienen, betraten zur Zeit der 19. Dynastie das
Ostdelta im Zuge der Weidesuche, und zwar in einer Weise,
wie sie in den Listen und Aufzeichnungen der Grenzbeamten

2) Lediglich M. Noth ist S. 70, Anm. 1 mißbilligend und falsch
zitiert; es muß heißen ZDPV 61 (1938), S. 277 ff.

') Die umfassende ägyptologische Untersuchung der Josephsgeschichte
durch J. Vergote, Joseph en Egypte (1959) hat nichts nachweisen
können, was für die Hyksoszeit typisch wäre (vgl. ThLZ 84
(1959), Sp. 401 ff. und 85 (1960), Sp. 827 ff.). Tatsächlich gesteht auch
Montet (S. 122) zu, daß Einzelheiten der Josephsgeschichte als Anachronismen
zu beurteilen sind, wenn man die Geschichte als ganze in
die Hyksoszeit datieren will.