Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1964

Spalte:

184-185

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Titel/Untertitel:

Paulus Apostel, Epistula ad Ephesios 1964

Rezensent:

Vogels, Heinrich Joseph

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

183

Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 3

184

zum Schaden gereichen müssen, hier aber doch zuweilen etwas
zu kraß erscheinen. Diesem Buche, das geeignet ist, fundamentale
Unterschiede in Glauben und Leben der verschiedenen
Religionen hervortreten zu lassen, ist der Beitrag über „Religion
und Religionen" vorausgesetzt, mit dem Friedrich Heiler eine
Überwölbung dieser Unterschiede durch eine letzte Gemeinsamkeit
erstrebt. Wenn er unter diesem Gesichtspunkt in zweifellos
meisterhafter Weise eine knappe Einführung in die Religions-
phänomenologie zusammenfaßt, so wird doch deutlich, daß
diese Intention einer una religio in rituum varietate — ganz abgesehen
davon, daß am ehesten phänomenologische Untersuchungen
solche Schlüsse nahelegen — den mystischen Typus
gegenüber dem prophetischen weitaus stärker anspricht und
ihm leichter verständlich wird.

Zu Beanstandungen Anlaß gibt der Aufsatz von Hans-
Rudolf Müller-Schwefe über „Atheismus". Es ist an sich problematisch
, ob diese Themenstellung in ein Buch über „Die
großen Religionen" hineingehört. Wenn man aber offenbar der
Meinung war, daß Atheismus und Säkularismus wesentliche
Faktoren der aktuellen interreligiösen Auseinandersetzung seien
— was trotz aller schlagwortartigen Wiederholungen solcher
Thesen zweifelhaft bleibt —, so hätte man mit diesem Beitrag
einen Religionswissenschaftler betreuen sollen, der einleuchtend
die pseudoreligiösen Züge derartiger Richtungen hätte herausstellen
können. Müller-Schwefe sondert sich aber betont schroff
von der Religionswissenschaft. Wenn er S. 138 schreibt: „Wer
die Religionen in ihren geistigen Erscheinungsformen Revue
passieren läßt, wer gerade über außereuropäische, außerchristliche
Religionen Information begehrt, der zeigt, daß er sich in
gewissem Sinne außerhalb von Religion befindet", so ist dieser
Satz, verstärkt durch die in ihm gebrauchten abwertenden Ausdrucksformen
, in seiner Ungerechtigkeit verletzend, ganz abgesehen
davon, daß von diesem Standpunkt aus der Verfasser
sich besser die Mitarbeit an einem religionsgeschichtlichen
Buche versagt hätte. Wie ganz anders urteilt da Jan Hermelink
im letzten Beitrag dieses Buches, dem inhaltsreichen Aufsatz
über „Zukunft der Religion", wo er es als „eines der großartigsten
Zeichen" für die biblische Bezeugung der Einheit des
Menschengeschlechtes ansieht, „daß die neuzeitliche Religionswissenschaft
... in Europa entstanden und bewußt oder unbewußt
durch die christliche These von der Einheit des Menschengeschlechts
befruchtet worden ist" (S. 156).

Übrigens hätte es keiner so schroffen Betonung bedurft,
daß Müller-Schwefe der Religionswissenschaft fremd gegenübersteht
, man merkt es ohnehin am Inhalt seines Beitrags. Er sucht
den Atheismus allein als eine Erscheinung des christlichen
Abendlandes zu begreifen, die im Gefolge der modernen Ausbreitung
abendländischer Zivilisation global werde. Ganz abgesehen
davon, daß er sich dabei bemühen muß, entsprechende
antike Strömungen zu relativieren — für eine gerechte Erfassung
der gegenwärtigen Situation wäre gerade der energische
Hinweis auf den urbuddhistischen Atheismus, wie er
heute vor allem vom südlichen Buddhismus vorgetragen wird,
einer eingehenden Diskussion wert gewesen.

Auf S. 140 schreibt Müller-Schwefe: „Der konsequente
Atheismus des Denkens wurde durch den Gott der Bibel entbunden
." Und dann folgen im Anschluß an Genesis 1 Ausführungen
über das „Göttersterben". Gewiß, der Theologe wird
vermuten, was der Verfasser hier gemeint haben könnte; und
dieses wäre, obwohl es öfters behauptet wurde, doch höchst
problematisch. Denn es bleibt gewagt, genetische Abhängigkeiten
postulieren zu wollen zwischen sachlich derartig verschiedenen
Erscheinungen, wie sie die numinosen Bereichen verhaftete
Abwehr der Vielgötterei im Alten Testament einerseits
und andererseits der aus rein immanentem Denken resultierende
Protest gegen transzendente Bindungen zweifellos darstellen.
Außerdem ist dies hier so wenig klar ausgedrückt, daß derjenige,
an den sich diese Ausführungen primär wenden, der Laie, nicht
gegen das Mißverständnis geschützt wird, die wahre Religion
sei polytheistisch, und der Monotheismus bilde den konsequenten
Übergang zum Atheismus.

Auf S. 149 erfahren wir, daß Islam und Buddhismus,

Brahmanismus (warum nicht „Hinduismus"?) und Shintoismus
sich an der Begegnung mit der christlichen Religion „religiös
aufzuladen" schienen. Das an sich höchst fragwürdige Bild aus
der Elektrotechnik ist so vage formuliert, daß unklar bleibt, ob
dieser Vorgang 6ich in Abwehr oder Übernahme christlicher
Elemente vollzieht.

Nun ist es sicher richtig, daß teilweise durch die Begegnung
mit dem Christentum auf dem Boden der asiatischen Religionen
synkretistische Neubildungen entstanden sind. Ihre Existenz hätte
in diesem Zusammenhang erwähnt werden sollen; aber ihre
Darstellung hätte in dem vorliegenden Buche einer besonderen
Abhandlung vorbehalten werden müssen. Es ist zweifellos ein
Mangel der vorliegenden Publikation, daß die für die religiöse
Situation der Gegenwart so äußerst wichtigen synkretisti-
schen Reformbewegungen Asiens ebenso unbehandelt blieben
wie die Religionsstiftungen der Neuzeit. Letztere sind besonders
— aber keineswgs ausschließlich — charakteristisch für die
aktuelle Lage Japans, und auch diese religiöse Lage Japans
hätte dringend einer gesonderten Behandlung bedurft. Niemand
, der 1958 in Japan am 9. Internationalen Kongreß für
Religionsgeschichte teilnahm, wird vergessen, wie der Ehrenpräsident
dieses Kongresses, Prinz Mikasa, der jüngste Bruder
des japanischen Kaisers, in seiner Eröffnungsansprache sein Land
als ein Museum der Religionsgeschichte und zugleich als ein
modernes Experimentierfeld der Religionen bezeichnete. Der
inneren Wahrheit dieser Worte hätte eine Publikation, die 6ich
eine Erfassung der religiösen Situation der Gegenwart zum Ziel
setzte, gerecht werden sollen.

Heidelberg Gunter La n czk ows k i

Bolle, Kees W.: Reflections on a Puranic Passage (History of Reli-
gions 2, 1963 S. 286—291).

E 1 i a d e, Mircea: Mythologies of Memory and Forgettingf (History
of Religions 2, 1963 S. 329—344).

Kitagawa, Joseph M.: Prehistoric Background of Japanese Religion
(History of Religions 2, 1963 S. 292—328).

Kramrisc h, Stella: The Triple Structure of Creation in the RG
Veda (History of Religions 2, 1963 S. 256—285).

P e e k, Werner: Fünf Wundergeschichten aus dem Asklepieion von
Epidauros. Berlin: Akademie-Verlag 1963. 8 S., 1 Faks.-Falttaf. 4°
= Abhandlungen d. Sachs. Akademie d. Wissenschaften zu Leipzig.
Philol.-hist. Klasse, Bd. 56, H. 3. Kart. DM 2.-.

Rosenkranz, Gerhard: Fremde Religionen — Zum Verständnis
des japanischen Menschen (ZThK 60, 1963 S. 236—266).

S i e r k 6 m a, F.: Sacred Cairns in Pastoral Cultures (History of Religions
2, 1963 S. 227—241).

Singer, Milton: The Radha-Krishna-Bhajans of Madras City (History
of Religions 2, 1963 S. 183—226).

Smith, D. Howard: The Significance of Confucius for Religion
(History of Religions 2, 1963 S. 242—255).

BIBELWISSENSCHAFT

Vetos Latin a. Die Reste der altlateinischen Bibel nach Petrus
Sabatier neu gesammelt und hrsg. v. d. Erzabtei Beuron. 24/1:
Epistula ad Ephesios, hrsg. v. H. J. Frede. 1. Lieferung. Einleitung
, Eph 1, 1—21. Freiburg/Br.: Herder 1962, 40* u. 40 S. 4°.
DM 20.—.

Als erstes Stück aus dem Corpus Paulinum legt uns H. J.
Frede, wohl vorbereitet durch eine noch ungedruckte Dissertation
„Untersuchungen zur Geschichte der lateinischen Übersetzung
des Epheserbriefes, Bonn 1958" und durch mehrjährige
Arbeit am Vetus Latina-Institut zu Beuron, die erste Lieferung
des Epheserbriefes vor. Eine Einleitung von 40* S. will das Benützen
der Ausgabe erleichtern und dem weiterführenden Studium
der Textüberlieferung des Eph. dienen, zählt die Textzeugen
(Handschriften, Schriftstellerzitate) auf und charakterisiert
dann die , Texttypen" : X, der Text Tertullians, K, der
Text Cyprians und der pseudocyprianischen Schriften, D, das
Siglum nicht für den Codex Claromontanus, sondern für die
doppelsprachigen Hss, die auf einen gemeinsamen Stammvater
zurückgehen — zuverlässigster Zeuge dieses Typus ist Lucifer
v. Calaris (um 360) —, I, der Text, welchen die Kommentare
des Marius Victorin und des Ambrosiaster benutzen, endlich