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Ausgabe:

1964

Spalte:

175

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Ecclesia und Res Publica 1964

Rezensent:

Schott, Erdmann

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175

Theologische Literaturzeitung 89. Jahrgang 1964 Nr. 3

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wirklichen will17. Neuschöpfung aher setzt den Tod zur Linken.
Verwirklichung enthüllt die Unwirklichkeit in ihrer Schrecklichkeit
als Gerichtshintergrund. Wo ist die Kirche, die den Mut
besäße, durch die Kategorie der Rechtfertigung ihr eigenes Sprechen
regulieren und konturieren zu lassen? Und: wo ist die
Theologie, die damit wiederentdeckte, daß die Rechtfertigungs-
Lehre als hermeneutische Kategorie beides umgreift: die Aus-

17) Vgl. dazu Herrn. Diem, die Existenzdialektik von Sören Kierkegaard
, 1950.

und Ansage von Heil und Unheil und die währende Anklage
des rechtfertigenden — gnädigen! — Gottes gegenüber dem
immerdar zu rechtfertigenden Menschen?18

ls) Ich verweise auf das fundamentale Werk von Hans - Georg
G a d a m e r, Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen
Hermeneutik, i960, das von mir erst nach Abschluß dieser Abhandlung
durchgearbeitet wurde. Kenner desselben werden bemerkt haben,
inwieweit meine Ausführungen und die Gadamers in gewisser Hinsicht
konvergieren und - divergieren. Abgeschlossen am 2. ». 1963.

ALLGEMEINES, FESTSCHRIFTEN

Krctschmar, Georg, u. Bernhard Lohsc: Ecclesia und Res
Publica. Unter Mitarb. von H. Beyer, H. Dörries, H. Engelland,
Leonhard Goppelt, G. Hoffmann, H. Kraft, H.-J. Kraus, E. Lohse,
H.-R. Müller-Schwefe, H. Thielicke, E. Wolf hrsg. Kurt Dietrich
Schmidt zum 65. Geburtstag. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
[1961]. 204 S. gr. 8°. Lw. DM 19.80.

Von den dreizehn Beiträgen dieser Festschrift treffen die
beiden von Leonhard Goppelt (Die Freiheit zur Kaisersteuer)
und von Ernst Wolf (Politischer Gottesdienst) die Mitte des
Gesamtthemas. Goppelt weist überzeugend nach, daß Mk.
12, 17par. nicht nur die (heute meist einseitig betonte) escha-
tologische Distanz gegenüber den geschichtlichen Setzungen bedeutet
, „sondern durch sie zugleich eine Relativierung der Erwählung
Israels wie des Gesetzes und daher Freiheit, Gottes
Anspruch in der Geschichte unmittelbar zu erfassen und zu befolgen
" (43). „Die Paränese in Rom. 13 ist . . . eine zentrale
Anwendung des von Jesus entwickelten neuen Ansatzes in der
Situation der Gemeinde" (50). Mit Rom. 13 beschäftigt sich
auch Wolf, u. a. in Auseinandersetzung mit der Obrigkeitsschrift
von O. Dibelius. Der alttestamentliche Beitrag von Hans-
Joachim Kraus (Menschliche Existenz unter der Herrschaft Gottes
) arbeitet den biblischen Personbegriff heraus: „Der Mensch
wird Person, indem er als ein Du von dem Ich Gottes angesprochen
wird..." (17). Den „Prozeß Jesu Christi" behandelt
Eduard Lohse mit dem „Ergebnis, daß die Schilderung, die Markus
von der Verhandlung vor dem Synhedrium gibt, nicht
einen historischen Bericht darstellt, sondern vom Bekenntnis
und der polemischen Auseinandersetzung der Gemeinde geprägt
ist, die sie mit der Synagoge zu führen hatte" (38).
Heinrich Kraft (Zur Entstehung des altchristlichen Märtyrertitels
) zeigt, daß sich der neue Gebrauch des Märtyrerbegriffs
um die Mitte des zweiten Jahrhunderts durchgesetzt haben muß.
Bernhard Lohse (Kaiser und Papst im Donatistenstreit) weist
nach, wie die latente Gefahr, die von Seiten des neuen christlichen
Staates heraufzog, den römischen Primatsanspruch verstärkte
(88). Georg Kretzschmar (Die zwei Imperien und die
zwei Reiche) zieht von dem Text der im Mainzer Dom angebrachten
Gedächtnisplatte für Kardinal Albrecht eine Verbindungslinie
zur Donatio Constantini. Hermann Dörries (Luther
nach dem Bauernkrieg) erörtert Luthers Geschichtsverständnis
an einem Beispielfall. Ist übrigens das heute oft wiederholte
Urteil: „ . . . seither stehen die Gebiete des Bauernkrieges dem
kirchlichen Leben gleichgültig gegenüber" (124) im wesentlichen
Postulat, oder stützt es sich auf zuverlässige zeitgenössische
Quellen? Als Postulat ist es m. E. zweifelhaft. Georg Hoffmann
untersucht „Das Nachwirken deutscher staatskirchlicher Tradition
im evangelischen Kirchenbewußtsein nach 1918". Hans
Beyer (Volk, Staat und Kirche in der Übergangs- und Krisenzeit
1932 — 1934) liefert einen Beitrag zur Geschichte des
Kirchenkampfes. Systematisch-theologische Einzelfragen behandeln
Helmut Thielicke (Jus divinum und jus humanum. Zur
Grundlagenproblematik des Kirchenrechts), Hans Engelland (Das
Problem der Toleranz) und Hans-Rudolf Müller-Schwefe (Verkündigung
und Öffentlichkeit). — Im Ganzen eine reichhaltige
gewichtige Gabe, die uns hier vorgelegt wird.

Halle/Saale Erdmann Schott

[Krüger, Gerhard:] Einsichten. Gerhard Krüger zum 60. Geburtstag,
hrsg. v. K. Oehlei u. R. Schaeffler Frankfurt/Main: Klostermann
[1962]. 398 S. 8°. Kart. DM 33.50; Lw. DM 38.50.

Diese Gerhard Krüger zum 60. Geburtstag gewidmete Festschrift
vereint 16 Aufsätze aus dem Gebiet der Philosophie
bzw. Philosophiegeschichte, über deren Grundgedanken im
folgenden referiert werden soll, und zwar besonders unter dem
Gesichtspunkt, daß der Theologe auf ihn interessierende Fragen
aufmerksam gemacht werden soll.

Wilhelm Anz: Tod und Unsterblichkeit. Eine philosophische
Überlegung zu einem theologischen Thema. — Dieser Aufsatz
zeigt zunächst die Mannigfaltigkeit philosophischer Bemühungen
um das ewige Problem der Unsterblichkeit: P 1 a t o s
metaphysisches Seelenverständnis, Kants „Ethikotheologie"
und pragmatisches Interesse an der „Religion" sowie Hegels
spekulative Verlagerung des Ewigen i n das Zeitliche, das
gegenwärtig Wirkliche, welche den „Geist auch in den Formen
der Entfremdung gegenwärtig" (27) macht.

Besonders liegt „der Unterschied im Denken Hegels und Piatons
darin, daß der Philosoph Hegel nicht aus der Höhle heraustreten muß,
um das wahre und bleibende Sein zu erblicken, sondern daß er durch
eine tiefere Interpretation des Scheines ihn als ein notwendiges Moment
der Idee selbst erweist" (26).

Im Gegensatz besonders zur katholischen Unsterblichkeitsmetaphysik
belegt Anz an (Luther und) Kierkegaard, daß
biblisch begründete Eschatologie die Absage an jede natürlichmenschliche
Mentalität verlangt, welche ein Verdecken der
Todeswirklichkeit und den Willen, sich zu verewigen, bedeutet.

Rudolf Bultmann: Zur Frage einer „philosophischen
Theologie". — Eine kurze Stellungnahme zu der Forderung von
Schubert M. Ogden, Bultmanns Entmythologisierung
solle zu einer philosophischen Theologie führen, jedenfalls auch
von Gott und nicht nur vom Menschen reden, da jeder Gottesglaube
begriffliche Klärung verlangt, unbeschadet der Einsicht,
daß Gott nicht Objekt begrifflicher Analyse sein könne (in
.Christ without Myth', 1961). Bultmann distanziert sich hiervon
mit dem Hinweis darauf, daß das theoretische Fixieren von
Existenzstrukturen ein ausschließlich anthropologisches Problem
sei und es keine Möglichkeit gebe, in analoger Weise nach den
Existenzstrukturen Gottes zu fragen.

Wolfgang C r a m e r : Individuum und Kategorie. — Diese
Studie bestärkt in dem Gedanken, daß der einzelwissenschaftli-
chen Arbeit besonders in den Naturwissenschaften grundsätzliche
Erwägungen und logische Klärungen vorangehen müssen
, zumal ein rein empirischer Ansatz sogar wichtige Fragen
überhaupt verstellen kann, wie beispielsweise nach der Welt im
ganzen oder nach Leben, Gattung, (Un-)Teilbarkeit (Materie
und Raum) u. ä.

Als Inbegriff solcher ordnender Vorerwägungen erscheint
in diesem Aufsatz die philosophische (ontologische) Kategorienlehre
, die allerdings nicht systematisch markiert, sondern an
Hand dreier Unterscheidungen, die am Begriff des Individuums
zu treffen sind, angedeutet wird:

(1) Individuum als das Einzelne (Konkrete), was Probleme des
Universalienstreites anschneiden läßt; (2) Individuum als Unteilbares
, was im Problem des Lebens bzw. dessen Fortpflanzung (das
sich .teilende' Lebewesen) gipfelt; sowie (3) Individuum als Einmaliges
, in Anlehnung an Leibnizens Begriff der Monade.

Hans-Georg Gadamer: Zur Problematik des Selbstverständnisses
. Ein hermeneutischer Beitrag zur Frage der .Entmythologisierung
'. — Hermeneutik meint nicht ein Übersetzen