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1963

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Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

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Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 2

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KIRCHENGESCHICHTE: REFORMA TIONSZEIT

vernehmen mit den Behörden" (S. 51) gegen das Martyrium wieder L.Sanders (L'hellenisme de St. Clement. 1943) mit der
gewandt hätten, dürfte weder quellenmäßig belegbar sein noch christlichen Auffassung zusammengebracht haben?
den Tatsachen entsprechen. Vollends problematisch (wenn auch Es könnte den Anschein haben, als sei unsere Besprechung
innerhalb der Oesamtauffassung des Verfs. verständlich) ist die int Wesentlichen als negative Kritik ausgefallen. Di es wäre ein
trwagung, daß auf Grund des trajanischen „conquirendi non Mißverständnis. Es sollten lediglich die neuralgischen Punkte
sunt ein „Kompromiß zwischen Kirche und Staat" möglich aufgezeigt werden, die die Wissenschaft kennen muß, um das
gewesen wäre wenn nicht die montanistischen Fanatiker den Werk des Verstorbenen zu übernehmen und in rechter Weise
Ausbau der hierarchischen Organisation der Kirche verursacht weiterzuführen. Daß Moreau es im Zeitalter totaler Spezialinatten
, der es die Glaubigen verdanken sollten, daß sich der sierung gewagt hat, noch dazu auf derart engem Raum, einen
ganze Zorn der weltlichen Machthaber auf sie entlud kritischen Gesamtentwurf der vornizänischen Verfolgungsge-

I «" S2'~ _, „ schichte zu geben, aus einem Guß, kann dem Verf. nicht genug

Daß seit Tertullian allein Nero als der erste Christenverfolger gedankt werden

gegolten habe, wogegen der Verf. Aug. de civ. dei XVIII. 52 zum ErlanePn ' v„,i™.„„ n.„...i.i

Zeugen aufruft (S. 27 f.). läßt sich so nicht halten. Tatsächlich läßt ^'""S6" _ Karlm.nn Beyschlag

gerade Tert. in Scorp. 15 — wie Augustin — den kaiserlichen Ver- ..

folgungen diejenigen durch die Juden (Petrus, Stephanus. Jakobus, Runzle, Paul: Zur basilica Liberiana: basilica Sicinini = basilica

Paulus, angeblich nach Ag) vorangehen und führt in Scorp. 8 diese p.. rii (Fortsetzung).

Reihe mit anderen frühdiristlichen Autoren (vgl. z.B. IClcm4; Cypr. Römische Quartalschrift für christliche Altertumskunde und Kirchende
zelo 5; de bon. pat. 10 u. 19; Mclito, Passahhom. (Lohse) n. 59 geschichte 56, 1962 S. 129—166.

u. 69) bis auf Abel, den ersten Märtyrer, zurück. Die Hochschätzung. s i m k e, Heinz: Cant. 1, 7 f. in altchristlicher Auslegung,
mit der M. das MLugd. (Eus. h. e. V. 1 ff.) u.a. Martyrien vom „rhe- Theologische Zeitschrift 18, 1962 S. 256—267.
torischen Überschwang" späterer hagiographischer Erzeugnisse abhebt
(S. 57), beruht auf einer Unterbeliditung. Tatsächlich — und mit
R cht — hat schon Geffcken (2 gricch. Apol. 1907, 167/1 u. 248, vgl.
Hermes 1910, S. 488) gerade den Brief aus Lyon als „äußerst rhetorisch
" bezeichnet. Auch hat O. Perler (Riv. di Arch. christ. 1949, "Holtmann, Jürgen: Calvin-Studien 1959, hrsg. Neukirchen: Neu-
S. 47 ff.) genau jene frappanten Übereinstimmungen des MLugd mit kirchener Verlag der Buchhandlung des Erziehungsvereins 1960.
der Makkabäcrgesdiichtc herausgestellt, die M. beim Mart. der Felici- V, 175 S. gr. 8°. Kart. DM 21.—.

tas unter Marc Aurel (S. 57) als Zeichen der Unechtheit wertet. 1909, zum 400jährigen Geburtstag Calvins, erschienen

Was die Darstellung des 3. Jahrhunderts bis auf Konstan- erstmalig „Calvin-Studien", gesammelte Aufsätze über Calvins

tin (S. 70-119) betrifft, so ist sie - notgedrungen - natürlich Leben, Lehre und Werke. 1959, zum 450jährigen Geburtstag

summarischer gehalten als die des zweiten und ersten. Für die des Genfer Reformators, hat dieses Vorbild eine Nachahmung

allgemeine Verschärfung der Lage sollen neben den politischen erfahren, um einen Ausschnitt aus dem gegenwärtigen Stand

und Naturkatastrophen der Zeit vor allem 2 Faktoren maß- der Calvin-Forschung vorzulegen.

gebend gewesen sein, a) die Abneigung der Soldatenkaiser Das Jahr 1959 bedeutet in fünffacher Hinsicht ein belegen
alle, die sich hinter der Front befanden; zu ihnen ge- sonderes Jubiläum der Geschichte der reformierten Kirche. Vor
hörten auch die Christen" (S. 81; vgl. S. 84 u 101 I), b) die 45o Jahren wurde Calvin in Noyon an der großen Völkerstraße
unverändert intransigente Haltung christlicher Fanatiker, voran zwischen Paris und Brüssel geboren. Vor 400 Jahren erschien
der Montanisten (S. 71 f.). Zitiert werden dazu nebeneinander die letzte und maßgebliche Ausgabe der Institutio in vier Bü-
Tert. de Corona mil., Tatian, Or. 34 und Orig. c. Lels VIII, ehern. Vor 400 Jahren wurde von Calvin die Akademie, die
73 ff.; doch gehört Orig. kaum mit Tert. auf einen Nenner erste Gestalt der Genfer Universität, gegründet. Im gleichen
(vgl. z.B. dem. Alex. Protrept. X, 100,4!) Im Ganzen wird Jahr mAim die französische Bibelübersetzung, die ähnlich -
man zu fragen haben, ob eine derart starke Hervorhebung per- doch in gebührlichem Abstand - wie die Bibelübersetzung
sönlicher Affekte auf beiden Seiten wirklich dem Tatbestand Luthers für das deutsche Volk sprachschöpferische Wirkung für
der Verfolgungen im 3. Jahrhundert gerecht wird. die französische Sprache und das französische Geistesieben
Für den letzten Abschnitt von Diokletian bis Konstantin Bedeutung erlangte. 1559 trat die französische Synode zu-
(S. 98 ff.) sind natürlich die Arbeiten des Verfs. zur Vita Const. sammen, ein Ereignis von höchstem Rang; denn dieser syno-
des Euseb und vor allem zu Lactanz vorausgesetzt. Bemerkens- dale Zusammenschluß stellt nichts anderes dar als den Anfang
wert ist die kritische Hypothese, daß Konstantin sich zwar in der Geschichte der Synoden auf abendländischem Boden.
..schon seit 312 ... dem Christentum zugewendet hatte' Und schließlich wurde auf dieser Synode verfaßt und synodal
(S. 117), die bekannte Vision vor der Schlacht an der Milvi- bezeugt das Hupenottische Glaubensbekenntnis, das im wesent-
«dien Brücke (vgl. Vit. Const. 28 ff.) aber auf sekundärer Über- liehen als ein Werk Calvins anzusehen ist.
tragung der ursprünglich dem Licinius bei Adrianopel zuge- Dje Calvin-Studien 1959 unterscheiden sich von denen vor
schriebenen Engelvision (Lact, de mort. pers. 46) beruhen soll 50 Jahren in doppelter Weise. Einmal haben sie sich in der
(-116; man vgl. etwa die ganz andersartige Auffassung bei Auswahl der Beiträge einer gewissen Beschränkung beflissen,
Dörrirs Konst. d. Gr. 1958). Möglich wäre dergleichen immer- die von symptomatischer Bedeutung ist, indem sich das Inter-
hin. Ähnliche Dinge hat ja die christliche Apologetik schon zur esse „vornehmlich auf die Lehre von der Kirche bei Calvin rich-
Zeit Marc Aurels behauptet, was M. leider nicht bespricht tet". Denn „in der Orientierung der Theologie auf die Kirche,
(vgl. Eus. h. e. V, 5 = Tert. Apol. 5, 6 u. Scap. 4 = Dio Cas«. ihre Wahrheit und ihre Gestalt, liegt das Schwergewicht dieses
?1.9, für das christliche Motiv auch Jac. 5, 18; Apcll,6; Epiph- Mannes, der den Kampfplatz der Reformation als einer der
haer. 78. 14,1; Pass. Mont'Luc. 22; Act Thecl. 22; 34; Act Führer der zweiten Generation betrat. Lehre, Leben und Sen-
Andr.'Matth. 30; Vit. Polyc. 29 ff.; Schatzhöhle, Bezold, S. 65 dung der Kirche sind für uns heute in neuer Weise vordring-
Usw.). Freilich, solange die Entwicklungsgeschichte der christ- liehe Aufgaben einer verantwortlichen Theologie" (Vorwort),
liehen Legende und ihre Gesetze nicht wirklich kritisch erforscht Zum anderen bieten die Calvin-Studien 1959 nicht nur
sind, wird man solchen Vermutungen mit großer Zurückhaltung Beiträge deutscher Theologen, sondern der Kreis hat sich
■begegnen. ökumenisch geweitet. Die Stimmen Schottlands. Hollands,
M. schließt ab mit einem Gedenken an die Märtyrer. Sie Frankreichs, der Schweiz werden neben der Deutschlands laut.
s'nd mit Blut und Leben für „die Freiheit des menschlichen Ge- Das bedeutet eine Weitung und Vertiefung der Sicht von er-
wiss-ns" und „das Recht des Menschen auf eigene Persönlich- staunlichem Ausmaß. Der Straßburger Benoit schreibt über
keit" eingetreten, „bis ihnen Toleranz gewährt wurde" (S. I'8' ..Seelsorge und Theologie in der Institutio", der Berner Gee-
v?l- S. 56 f. u. 68 f.). Man wird auch hier noch einmal fragen ring über „Calvin und die Musik", der Bonner Kreck über
m"ssen, ob damit wirklich das getroffen ist, was die Märtyrer „Die Eigenart der Theologie Calvins", der Wuppertaler Molt-
«elbst wollten und dachten. Wie unterscheidet sich solche Auf- mann über „Erwählung und Beharrung der Gläubigen nach Cal-
[assung dann von dem stoischen Überzeugungsmartyrium, das vin", der Haager Nijenhuis über „Die Aufgabe der Reformier-
bekanntlich schon Reitzenstein (NGG, 1916, S. 417 ff.) und ten Kirchen in der ökumenischen Bewegung", der Utrechter