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Ausgabe:

1963

Spalte:

119-122

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Moreau, Jacques

Titel/Untertitel:

Die Christenverfolgung im Römischen Reich 1963

Rezensent:

Beyschlag, Karlmann

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Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 2

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obgleich jedenfalls die philonische Deutung der Schöpfung weithin
von ihm übernommen wurde (XXV1I1); insbesondere baut
er die homochronistische Auffassung des Schöpfungsaktes, die
zu seiner Zeit sehr umstritten ist (Johannes Chrysostomos), in
sein System ein, das damit weit mehr Transparenz erhält als
die Deutungen der Vorgänger: er vertieft in genialer Weise den
philonischen Gedanken, daß Gott 6einem der Ewigkeit gemäßen
Sein entsprechend „alles in einem zeitlosen Zugleich" schafft
(XXIX). Schon von hier aus ist es für Augustin leicht und
wiederum selbstverständlich, die Kosmogonie bei möglichst
nüchterner, unallegorischer Betrachtung der „Tatbestände"
(S. 241) aus der biologisch-naturwissenschaftlichen Sphäre in
die religiöse zu versetzen, die allein dem Mysterium der Schöpfung
gerecht werden kann. Augustin weicht in diesem Werk
aber jeder mystischen Auslegung und jeder falschen Prophetie
aus und sucht sie zu bekämpfen. Er ist bestrebt, die Realität
des sogenannten Sechstagewerkes durch eine genaue Untersuchung
zu bekräftigen. — Die gläubige Ehrfurcht vor der Schrift
binderte ihn auch daran, den revidierten Text des Hieronymus
zu benutzen, was Perl an einer plastischen Gegenüberstellung
der Vulgata und des Augustinus-Textes verdeutlicht.

Die Übersetzung ist exakt, aber auch flüssig. Die Verdeutschung
mancher Termini muß freilich an einem Text, der so
wenig .Vordergründiges' enthält, immer Klippen finden. Stellen
wie: „Luftige Lebewesen hingegen seien die Dämonen
, die himmlischen Götter; wir freilich sprechen von ihnen
teils als Leuchten, teils als Engeln" (für III, 10: „aeria
vero animalia daemones esse, caelestia deos: quorum quidem
nos partim luminaria, partim angelos dicimus") kommen dem
Verständnis des modernen Lesers wohl nicht sehr entgegen
(statt Leuchten vielleicht besser Lichtwesen). Ich würde auch
nicht übersetzen: „Dieses spirituale Bild hat er
durch die Sünde verloren..." (für: „Adam...
fuerit spiritalis secundum imaginem eius, qui creavit eum:
quod amisit p e c c a n d o", VI, 28), da doch der Verlust
der spiritualen Eigenschaft gemeint ist, deren Bewährung Adams
Umwandlung in einen spiritualen Leib ermöglicht hätte.

Im ganzen halte ich die Übertragung jedoch für gut abgestimmt
und dem Text wie dem heutigen Leserkreis adäquat.

Halle/Saale Hans-Joachim Diesner

Mores«, Jacques: Die Christenverfolgung im Römischen Reich.
Berlin: Töpelmann 1961. 119 S. 8° = Aus der Welt der Religion,
Forschungen u. Berichte, hrsg. v. E. Fasdier, H.-W. Gensichen,
G. Mensching u. G. Widengren. N. F. 2. DM 12.—.

Das angezeigte Werk des leider tödlich verunglückten
kath. Historikers ist eine Übersetzung und erweiterte Fassung
seines bereits 1956 erschienenen Buches „La Persecution du
Christinanisme dans l'Empire romain", welches wiederum auf
die 1950 unter gleichem Titel erschienene Gemeinschaftsarbeit
des Verfs. mit H. Gregofre, P. Orgels und A. Maricq (j etzt in
2. Aufl. angekündigt) zurückgeht. Die deutsche Übersetzung ist
nicht nur deshalb zu begrüßen, weil ein ähnlicher kritischer
Überblick bei uns seit langem fehlt, sondern weil auch die
französischen Sprachkenntnisse der evang. Theologiestudierenden
immer spärlicher werden.

Was Moreau bietet, ist eine auf denkbar knappstem Raum
zusammengedrängte Darstellung des Problems „Staat und
Kirche" bis zur konstantinischen Wende, in der das Wesentliche
hervorgehoben, das Unwesentliche — meist stillschweigend
— weggelassen ist. Dabei will der Verf. vor allem den
traditionell gewordenen christlichen Vorurteilen in bezug auf
die Geschichte der „Verfolgungen" (S. 11 f., 16, 36) den Prozeß
machen. Wie berechtigt sein Anliegen ist und wie wenig
sich die Lage der Forschung in diesem Punkt in den letzten 50
Jahren geändert hat, erkennt man, wenn man etwa die ganz
analogen Ausführungen bei H. Weincl (. Die Stellung d. Urchristentums
z. Staat", 1908, S. 2 f.) vergleicht.

Die Darstellung geht zunächst in drei Abschnitten S. 19
— 69) auf die Probleme des 1. und 2. Jahrhunderts ein. Was
dabei die „staatliche" Seite betrifft, so steht der Verf. hier
fest auf dem Boden der seit langem anerkannten Voraussetzungen
der kritischen Historie. Hervorgehoben wird vor

allem, 1) daß die römische Religionspolitik bereits in vorchristlicher
Zeit weniger „religiösen" als staatlichen und moralischen
Erwägungen folgte (S. 19 ff.), 2) daß die Kaiser der Frühzeit
, abgesehen von „Narren wie Caligula, Nero und Domitian"
(S. 20), dem Kaiserkult reserviert gegenüberstanden (wofür Pap.
Lond. 1912 natürlich einen willkommenen Beleg liefert),
3) daß das Verfahren gegen die Christen bis auf Septimus
Severus (S. 73 f.) durchweg auf der durch das Trajanische Reskript
(S. 43) geschaffenen „unklaren Zwischenstellung" (S. 69)
zwischen „theoretischem Verbot" (S. 60) und praktischer Duldung
basierte, wobei 4) das gegen die Christen angewandte
Rechtsmittel - wenn nicht der Pöbel diktierte (S. 50, 55 ff.,
73 u. ö.) — die „Coercitio" (S. 61 ff.) war, die freilich später
den Charakter einer „Cognitio" (S. 67) erhielt. Doch geht der
Hinweis auf die Coercition schon auf Mommsen zurück (vgl.
Hist. Ztschr. 1890, S. 389 ff.), nicht wie der Verf. angibt, auf
„andere Forscher" (S. 62).

Von dieser Basis au6 versucht M. sodann darzustellen, daß
das gegen die Christen geriditete Interesse des römischen Staates
und der Kaiser keineswegs so bedeutend war, wie es die
christlichen Apologeten und Hagiographen von jeher behauptet
haben. Diese Beobachtung ist sicher richtig. Dagegen erscheint
die Einordnung der einzelnen Daten der Verfolgungsgeschichte
in diesen Rahmen und ihre Beurteilung in mancher Hinsicht
problematisch.

So läßt der Verf. schon die Opfer der Neroverfolgung nicht
— wie Dibelius — als Christen, sondern lediglich als (vermeintlich-)
Brandstifter 6terben, was aus der Hinrichtungsart ersichtlich Irin soll
(S. 36 u. 65). Wer die Schwierigkeiten gerade dieser Stelle des Tacitus-
berichtes kennt (vgl. z.B. A. Kurfcß, Vig. Christ. 1951, S. 148 f und
K. Buchner, Humanitas Romana 1957, S. 236f.), wird sich diesem Urteil
nur zögernd anvertrauen können. Nicht anders steht es mit der zeitlichen
(nicht örtlichen) Abtrennung der Martyrien des Petrus und
Paulus (I Clem 5) von der Nerovcrfolgung (vgl. z. B. schon H. Katzenmeyer
, Int. kirdil. Ztschr. 193 8, S. 139) gegen den altkirchlichen Konsensus
. Wie Nero werden aber auch die anderen Ka;ser gegen den
Vorwurf spezifisch ant'diristlicher Maßnahmen ausdrücklich in Schutz
genommen. An eine Christenverfoieung unter Domitian glaubt der
Verf. (trotz I Clem 1,1; Eus. h. e. III. 18.4: 20,5 (H~gesipp), Apc.
Joh und Domitillakatakombe) im Ernste nicht (S. 37 ff.). Unter den
Indizien wird leider I Petr übergangen. Für Trajan und seine Nachfolger
gilt im Grunde das gle:che. Beim Martyrium dos S"m<-nn
(Hegesipp. b. Ens. h. e. Hl. 32, 3 Pf.) He« überdies c:n inn-rV;rch"cher
„Parteizwist" (S. 45, vgl. S. 3 5 zu I Clem 5 f.) zugrunde. Damit nähert
sich M., wohl ohne es zu wollen, den bekannten Hypothesen Cull-
manrs (doch meint H"gssipp mit den Denunzianten d--s Symeon wohl
jüd:sdie, nicht christliche „Sekten", vel. h. e. II. 23, 8 f.. auch N Hyl-
dahl, Stud. Theol. Lund, 1960, S. 84 f.). „Recht uns'cher" er*di"inen
dem Verf. das Todesdatum des Ign. v. Ant. sowie die Integrität seiner
Briefe (S. 45/l, vgl. aber z.B. Harnack, vorkonst. Bricfsamm'ungen,
1926, S. 31 ff. m. Anmerkunren). Daß Iren, in adv. haer. V, 24,8
nicht Ign. Rm 4, 1 ausgeschrieben haben soll (S. ls'io. doch vgl.
Harnack, altchr. Lit. Gesch. I, 79). ist kaum glaubhaft. Doch hängt die
Skeps's des Verfs. in bezug auf Ignatius wohl schon mit der von
H. Gregoire u. P. Orgels übernommenen Spätdatierung des MPol (auf
177) sowie des Montanismus zusammen, an der M. trotz aller
Schwierigkeiten (S. 53 ff.) festhält. Mit Recht hält er aber (im Bl;ck auf
MLugd. b. Eus. h. e. V, 1,49 u. 3,2) an der Ursprünglichkeit der
Quintusepisode von MPol 4 fest (S. 54 f.), im Unterschied also zu
H. v. Campenhausen (Bearbeitungen u. Interpolationen etc. 1957. S. 20).
In der Tat läßt s'ch der Quintusber'cht vom vorangehenden Germani-
cusmartyrium (c. 3), dessen Gegenbild er ist, nicht abtrennen.

Grundsätzlich ist zu bedauern, daß der Verf. auf die von
Reitzenstein, Holl, Sch'atter, v. Campenhausen, H. W. Surkau,
H. Strathmann. H. Günther u. a. diskutierte Frage nach der Entstehung
sowohl des Märtyrertitels wie der christlichen „Idee
des Martyriums" nicht eingegangen ist. Hieraus erklären sich
gewisse Unsicherheiten im Urteil, die vor allem bei der Einschätzung
der christlichen Seite der Verfolgungsgeschichte ins
Gewicht fallen. Hierhin gehört vorab die summarische Erklärung
, daß „die orthodoxe Kirche das Martyrium als eine Nachfolge
der Leiden Christi betrachtete" (S. 51, vgl. aber schon
v. Campenhausen. Idee d. Mart. 1936. S. 84?4). Auch die Behauptung
, die Montanisten hätten sich, ..den leidenschaftlichen
Aufrufen in den Briefen des Ignatius folgend" ins Martvrium
gestürzt und dadurch den Haß der Heiden gegen die K'rehe
geschürt (S. 51 f.), während die Gnostiker sich „in gutem Ein-