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Ausgabe:

1963

Spalte:

948-949

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Fuß, Werner

Titel/Untertitel:

Tradition und Komposition im Buche Jesus Sirach 1963

Rezensent:

Fuß, Werner

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Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 12

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Katholizismus und zur „alten Kirche" (hier auch zur altkatholischen, Fuß, Werner: Tradition und Komposition im Buche Jesus Sirach.
orthodoxen und anglikanischen Kirche) untersucht; im Anschluß daran Diss. Tübingen 1963. XXXI, 323 S.

wird der Begriff der „Katholizität", wie er schließlich — abgesehen D;e Frage, wie aus dem Heilsglauben Israels jüdische Gcsetzes-
von allen Differenzierungen im einzelnen — für das Selbstverständnis frömmigkeit werden und wie aus einem wesentlich so bestimmten
der hk. B. entscheidende Bedeutung gewinnt, einer Analyse unter- Judentum der Lehrer von Nazareth und der Glaube an ihn als den
worfen. In den drei Aspekten Ökumenizität, Kontinuität und Objek- Messias hervortreten konnten, geht ebenso die Wissenschaft des
tivität läßt sich das Wesen dieses Begriffes zureichend erfassen und Alten wie des Neuen Testamentes an. Dann aber kann es sich die
umschreiben. Katholizität in diesem Sinne bedeutet „Ganzheit", be- theologische Forschung des Abendlandes nach Jahrzehnten weitdeutet
die Anwendung der drei genannten Aspekte auf alle Lebens- gehender Untätigkeit auf diesem Gebiet nicht mehr länger leisten,
gebiete der Kirche: ökumenizität, Kontinuität und Objektivität in daß die Apokryphen des Alten Testamentes, die doch wohl die
Überlieferung, Lehre und Bekenntnis; ökumenizität, Kontinuität und wichtigste Brücke vom einen zum anderen Testament schlagen, kaum
Objektivität der Verfassung, des Amtes und des Gottesdienstes. 0der nur unter beiläufigen Aspekten beachtet werden. Der Verfasser
Der vierte und bei weitem umfangreichste Teil der Arbeit befaßt sah sich durdi diese Überlegungen zu dem Versuch veranlaßt, Versich
nun im einzelnen mit der Entwicklung der hochkirdilichen Meß- säumtes bei einem und zwar wohl dem bedeutendsten Vertreter
formulare; in einem ersten Unterabschnitt wird die Struktur der des genannten Schrifttums nachzuholen: bei dem zwischen 180 und
hochkirchlichen Ordnungen untersucht. In der Entwicklung des hoch- 170 v.Chr. in Jerusalem zusammengestellten Werk des sogenannten
kirchlichen Meßtypus lassen sich deutlich vier Phasen unterscheiden, Jesus Sirach.

die in engstem Zusammenhang mit der allgemeinen theologischen Nach dem Verzeichnis der seit 1896 (Beginn der Entdeckung und

Entwicklung der Vereinigung stehen. Am Anfang steht ein ausgespro- Veröffentlichung hebräischer Sirachfragmente aus der Geniza der

dien neulutherischer Typus, der durch den Rückgriff auf Löhe und Karäersynagoge in Altkairo) erschienenen Literatur gibt die E i n -

Schöberlein sowie auf die landeskirchlichen Agenden des 19. Jahrhun- leitung als der erste Hauptteil der Dissertation zunächst einen

derts gekennzeichnet ist; als charakteristisch für diesen Typus darf das Bericht über die seitherige Sirachforschung. Ihre eigentliche Bedeutung

„Chemnitzer Hochamt" aus dem Jahre 1921 gelten. Parallel dazu läuft liegt in dem Bemühen um die außergewöhnlich schwierigen Probleme

von Anfang an eine zunächst unterschwellige „altkatholische" Linie der hebräischen, griechischen und syrischen Texte des Buches. Der

in der hochkirchlichen Liturgik; nach einer relativ kurzen Phase der Bericht verfolgt unter anderem den Fortgang der textkritischen Arbeit

Reduktion auf rein reformatorische Ordnungen (Havelberg 1925) tritt von den (relativen) Anfängen Schechters (1896) bis auf Smend

sie schließlich in den Vordergrund und drängt die neulutherische (1906—1907), über dessen monumentales Werk Peters (1913) und

Linie zurück. Typisch für diese altkatholische Linie ist das offizielle Box-Oesterley (1913) in textkritischer Beziehung kaum mehr hinaus-

Eucharistieformular von 1927; obwohl auch hier noch starke Einflüsse zuführen vermochten. Seither hat sich in der Sirachforschung nur noch

der neulutherischen Liturgik vorliegen, wird das Wesen dieser Ord- der Jerusalemer Gelehrte M. S. Segal — also ein „Orientale"! —

nung doch durch die altkatholischen und katholisch-apostolischen größere Verdienste erworben. Indessen lassen auoh seine hebräische

Bestandteile bestimmt. Nachdem Heiler 1929 die Leitung der Ver- Textedition und die damit verbundene neuhebräische Kommenticrung

einigung übernommen hat, bahnt sich — wie in der hochkirdilichen (2. Auflage 1959) noch manches zu wünschen übrig. Eine Ideallösung

Theologie — eine neue Wende an: Der Einfluß der altkirchlidien und ist hier überhaupt kaum möglich, denn die Zahl der Stellen, wo die

ostkirchlichen Liturgien wird immer bestimmender. Mit dem Heiler- Textkritik zu keinen eindeutigen Entscheidungen kommt, dürfte bei

sehen Eucharistieformular von 1931 ist zugleich der Höhepunkt der Sirach immer außerordentlich hoch bleiben.

ökumenisiemng erreicht. Unter dem Einfluß des kritischen Motivs Wer wie der Verfasser nach Jesus Sirach als nach einem geistes-

und der Berncuchener Meßordnung von 1937 wird dann bei der geschichtlichen Phänomen fragt, wird darum nicht den Tag einer

„Deutschen Messe" Heilers aus dem Jahre 1939 eine gewisse Redu- künftigen, etwa eher befriedigenden Textedition abwarten wollen

zierung und weitere Ausrichtung an den ostkirchlichen Liturgien sieht- (vielleicht würde er sonst auf den St. Nimmerleinstag vertröstet!),

bar; diese Reduktion wird aber zum Teil in der 2. Auflage dieser sondern sich auf Grund der immerhin sehr beträchtlichen Arbeit,

Meßordnung aus dem Jahre 1948 wieder rüdegängig gemacht. welche die Textkritik schon geleistet hat, an seine Aufgabe

Im zweiten Unterabschnitt des vierten Teils wird die Heraus- machen. Diese Aufgabe fixiert der Verfasser im zweiten Teil der Einbildung
des hochkirchlich -ökumenischen Meßtypus nodi einmal an leitung. Die Absorptionskraft der Textproblemc, aber auch die Un-
einem Spezialgebiet, dem Komplex des „cueharistischen Opfers", dar- gunst der vergangenen Jahrzehnte haben bislang in der Siradiforsdiung
gestellt; die verschiedenen Phasen der hochkirchlichen Liturgicarbcit weder die literarkritisdic, noch die religionsgcsdiiditlidic, form'
mit ihrem Rückgriff auf neulutherischc, altkatholische, katholisch- geschichtliche und redaktionsgesdiichtlidie Fragestellung zum Zug«
apostolische, reformatorische und ostkirdilidie Ordnungen treten hier kommen lassen. Es blieb darum trotz des offensichtlidi komplexen
noch deutlidier zutage. Die Frage des „eudiaristisdien Opfers" spielt Charakters dieses Buches ungeklärt, wo darin dessen Autor sclb-
von Anfang an eine bedeutende Rolle in der hochkirdilichen Bewe- ständig das Wort führt (indem er eigne Aussagen formuliert oder
gung. Jahre, ja, Jahrzehnte bevor dieses Problem in der evangelischen vorhandene zu neuen Zusammenhängen komponiert), und wo er nur
Theologie akut wurde, hatte man hier unter dem Einfluß der alt- überkommene Sätze (in diesem spezifischen Sinne spricht der Vcr-
katholischen Theologie und Liturgik schon eine ausgesprochene fasser von „Tradition") weiterreidit. Diese mangelnde Klarheit
„Repräsentationstheologie" ausgebildet. möchte die Diss. erreichen und dadurch die Voraussetzung zu einer

Der fünfte und abschließende Teil der Arbeit befaßt sich mit den kritischen geistesgeschichtlichen Ortung des Siraziden schaffen.
Auswirkungen der hochkirchlichen Liturgik auf die anderen Richtungen Dazu wird eine das gesamte Buch umfassende Analyse vorder
„liturgischen Bewegung". Dabei wird dem Zusammenhang zwischen gelegt — nach der Einleitung der zweite Hauptteil der Diss. Mit Hi'fe
den hochkirchlichen und den Berneuchener Ordnungen besondere vor allem von sachkritischen und stilkritisdien Kriterien führt dieser
Aufmerksamkeit zugewandt. Es läßt sich nachweisen, daß der „öku- Teil den Nachweis, was im einzelnen dem Siraziden bzw. was seinen
meni6ehe Meßtypus", wie er nach dem Vorgang K. F. Müllers vom Vorläufern zuzuweisen ist. Dabei treten erstmals die individuelle1
„reformatorischen" und „unierten" Meßtypus zu unterscheiden ist, Konturen des Autors klar hervor. Indem 60 auf dem Wege unbefa«'
seinen frühesten und umfassendsten Ausdruck in den hochkirdilichen gener Induktion ein in sich geschlossenes Bild seiner Schriftsteller'
Meßordnungen gefunden hat und von da aus stärksten Einfluß auf persönlichkeit gewonnen wird, weist die Analyse an diesem ihre1"
die liturgische Entwidmung in Deutschland nehmen konnte. Die Be- Ergebnis ihre eigene Berechtigung aus. Gewiß (und hoffentlich!) wird
deutung der liturgischen Arbeit Berneuchens für die Herausbildung sje skh in Einzelheiten noch viele Korrekturen gefallen lassen rnüs-
dieses „ökumenischen Typus" wird allgemein überschätzt Die Ord- sen Dafür ist schon durch die textkritisdie Problematik, die der Vc-r-
nungen Berneuchens sind vielmehr in ganz starkem Maöe von den fasser natür]jdi nicht immer zu Ende bedenken konnte, gesorgt. De«*
hochkirdilichen Ordnungen abhängig. Insbesondere Anamnese und wjrd da5 Ganzc dadurdl schwerlich in Frage gestellt.

Epiklese sind auf dem Weg über die hochkirchlieiien Ordnungen, die n„ . .... ur__., , „. , . _ , . , » ,.i„,» für

• 1 1 1 1 1 S 1 li «1 »j.„»u;U»f u,.. Der dritte Haupttcil der Diss. faßt „Ergebnisse der Analyse

sie ihrerseits der altkatho isdien Meß iturgie nachgebildet hatten, in ,. r___.....j,..m7 . d j. ■■ , ,f ,v ni^ vef'

.. d j_ r 1 1 , , 1 „„j„r„„ c.it. u die Gesamtansdiauung des Buches (nur solche!) zusammen. Die TV

die Berneuchener Formulare ge angt. Auf der anderen Seite liegen 7. , „„„„j., r j. j d j. u j ,a,n ab««'

aber auch Beeinflussungen in umgekehrter Richtung vor; so hat die sdnedenthdi gemachten Versuche^ das Buch zu gliedern, werden «W£

Berneuchener Meßordnung von 1937 entscheidend auf die Ordnung wesen- *? .TT? Ware" n0f d^ A^at V '1 V '^"

Heilers von 1939 eingewirkt. Auf dem Umweg über Bemeudien ist )0- 25»! ,39' 12~Uh.- wo 4er Au,tor sein fortsdirc.tcndes S*. £

dann der ökumenische Einfluß auch in den Agenden des lutherischen zur Ruckschau und Ausschau gleichsam Schnaufpausen einlegt, f

Typus wirksam geworden. Zäsuren anzuerkennen In Wirklichkeit aber hatte es S.rach nur

gelegentliche Höhepunkte, nicht aber auf eine überschaubare ^

_ rung seines Werkes abgesehen. Von zufälligen Assoziationen un*

der Anlage ihm vorliegender Quellen bestimmt, schrieb er <>,c J
Werk sukzessive nieder. Der Stoff wurde im einzelnen meist «a