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Ausgabe:

1963

Spalte:

938

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Titel/Untertitel:

Die Mission im Gottesdienst 1963

Rezensent:

Schanze, Wolfgang

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Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 12

938

vermutlich folgte der Gebetsaufforderung stilles Gebet der Gemeinde
, das dann der Bischof mit seinem Gebet zusammenfaßte
und abschloß, wie dies z. B. bei den orationes sollemnes
der Karwoche üblich war. Erst als man dem stillen Gebet der
Gemeinde nicht mehr vertraute und ein scheinbares Vakuum
ausfüllen wollte, ersetzte man das stille Gebet durch eine
Litanei, die die Teilnahme und Beschäftigung der Gemeinde
beinahe erzwingt.

Seit dem 8. Jhdt. beginnt in Rom ein zunehmender Verfall
, auch in der Liturgie; die entscheidende liturgische Entwicklung
findet nördlich der Alpen im Frankenreiche statt, das die
stadtrömische Liturgie vor allem durch liturgische Bücher importiert
und mit der heimischen, stark zersetzten Liturgie verschmilzt
. Die Bestrebungen Karls, die reine römische Liturgie
zu rezipieren, sind mißlungen. Gegen Ende des Jahrtausends
kehrt dann durch liturgische Bücher aus dem Norden die fränkisch
-römische Liturgie wieder nach Rom zurück, wo neue Entwicklungen
einsetzen. Diese von Th. Klauser erstmals präzise
-dargestellten „liturgischen Austauschbeziehungen" gelten auch
für den Ritus der Priesterweihe. Erstmals genau faßbar ist die
Verpflanzung römischer Weiheriten im Missale Francorum, wo
diese in den bodenständigen gallischen Ritus eingeschoben
sind. Letzterer wieder ist Stärkstens abhängig von den Statuta
ecclesiae antiqua, die wir jetzt durch die Edition und die Untersuchungen
von Munier genau kennen und höchstwahrscheinlich
Gennadius v. Marseille (5. Jhdt.) zuschreiben dürfen. Stadtrömischer
Ordinationsritus und Statuta ecclesiae antiqua bestimmen
weitgehend auch die künftige Entwicklung. Die römisch
-gallische Ritenmischung bringt natürlich Verdoppelungen
und zahlreiche Unebenheiten mit sich, die auch sonst in der
Liturgie mitgeschleppt werden. Charakteristisch für die Rezeption
deT römischen Liturgie im Frankenreich ist eine fast
rührend unbeholfene Bewahrung des Römischen, das man oft
nicht recht versteht und schlecht einordnen kann, weil man
auch das Heimische nicht aufgeben will. So legt sich mechanisch
Schicht auf Schicht neben- und übereinander, vergleichbar mit
dem Zustand römischer Bauwerke in mittelalterlicher Verbauung
. K. zeigt mit großer Geduld bis in die Einzelheiten die
Herkunft und Kombination römischer und gallischer Elemente.

Nach Karls mißlungenem Versuch, dem Frankenreich eine
rein römische Liturgie aufzuzwingen, kommt es zu weiteren
Rezeptionen neuer Elemente, besonders auf zeremoniellem Gebiet
. Aus keltischer Überlieferung wird die Salbung der Hände
eingeführt und mindestens so hoch bewertet wie die Handauflegung
. Auch die Bekleidung mit Kasel und Stola, die als
Vorbereitung für die Ordination ganz ohne Gewicht auch schon
in Rom üblich war, erfährt unter westgotischem Einfluß eine
hohe Schätzung und bedeutet Amtscinsetzung. Man fragt sich
aber, ob hier wirklich der germanische Einfluß westgotischer
Provenienz das Letzte war und nicht vielmehr das von den
Westgoten begierig übernommene byzantinische Zeremoniell.

Mittelalterlicher Amtscinsctzungsritus ist auch die Überreichung
von Kelch und Patcne, zuerst bezeugt im römischdeutschen
Pontifikale (um 950), aber wohl älterer Zeit entstammend
. Dies Pontifikale sammelt alle bisher entwickelten Riten
u"d Formeln, die z. T. längst ihren richtigen Platz und ihre
ursprüngliche Funktion verloren hatten. Erst das römische
Pontifikale des 12. Jhdts. bemüht sich wieder, die entscheidenden
Riten der Handauflegung und des Ordinationsgebetes
hervorzuheben. Im 13. Jhdt. bringt das Pontificale Romanae
Curiae die Konzelebration der Ordinierten in der Form, daß
sie alle Texte mitsprechen; K. vermutet mit Pascher, daß diese
Konzelebration den älteren Ritus des Fermcntum ersetzen
sollte: der Bischof gab den Neugeweihten eucharistisches Brot
mit, das sie bei ihren eigenen Meßfeiern in den Kelch geben
und damit die Gemeinschaft zwischen Bischof und Priester
kundtun sollten.

Während bisher die Entwicklung einem ungezähmt dahinfließenden
und von allen Seiten durch Zuflüsse gespeisten
Strome glich, brachte das Pontifikale des Bischofs Durandus v.
Mcnde (t 1296) eine gewisse Beruhigung und durch die formalen
Vorzüge seines Pontifikale den Endpunkt der gesamten

Entwicklung. Über Avignon gelangte das Werk des Durandus
an den päpstlichen Hof und verdrängte das Pontificale Romanae
Curiae; 1485 diente es als Vorlage der ersten römischen
Druckausgabe des Pontifikale und wurde durch das Konzil von
Trient als Pontificale Romanum allgemein verbindlich.

Die hier zusammenfassend dargestellte Entwicklung, die zugleich
den Inhalt der Untersuchung wiedergibt, ist nur für den
in die Vergangenheit zurückblickenden Forscher so übersichtlich.
Im Fluß der Entwicklung selber war alles viel komplizierter und
ohne voll bewußte Tendenzen. Ein wie vielschichtiges und von
Zufallseinflüssen geschaffenes Gebilde der heutige römische
Priesterweiheritus i6t, zeigt der „Anhang I", in dem der heute
geltende Ritus dargestellt und die Herkunft der einzelnen Riten
und Texte nachgewiesen wird.

Die Arbeit ist sehr umsichtig durchgeführt und gibt in
klarer Sprache ihre Ergebnisse oder wenigstens den heutigen
Forschungsstand wieder, so daß sie lange Zeit als maßgebende
Monographie gelten dürfte.

Bonn Alfred Stu i bo r

Walter, Luitpold, u. Georg Bei! [Hrsg.]: Die Mission im Gottesdienst
. Gebete, Schriftworte und Lieder. Mit Vorwort v. D. Wolfgang
Metzger. Stuttgart: Evang. Missionsverlag [1962]. 223 S. »'.
Lw. DM 9.80.

Diese reiche und umfassende Sammlung liturgischer Stücke,
die auf die Mission Bezug haben, steht im Dienste des heute
allgemein bejahten Gedankens, „die ganze Kirche als die der
Mission verpflichtete Trägerin in Anspruch zu nehmen" (7).
Das Buch will nicht die kirchlichen Agenden ersetzen, sondern
bringt ein freies Angebot an Gebeten, Gebctsteilen, Liedern,
Schriftworten, Litaneien und ähnlichem. Es wird in seiner Vielfalt
sowohl strengen agendarischen Ansprüchen gerecht wie auch
dem Wunsche nach freier Ausformung von Missionsveranstal-
tungen. Die getroffene Auswahl aus dem Gebetsgut zweier
christlicher Jahrtausende kann als sorgfältig bezeichnet werden.
Emotionaler Überschwang ist ebenso vermieden wie die Gefahr
, als Gebete Predigten in Anredeform darzubieten. Bei aller
zeit- und personbedingten Unterschiedlichkeit ist die Gebetssprache
echt und wahrhaftig. Besondere Aufmerksamkeit verdienen
die „Gebete aus der Ökumene" (132—140). Unter dieser
Überschrift finden sich originale Gebete von Christen aus
den „Jungen Kirchen". Diese Stücke lassen sich zwar nicht
ohne weiteres für unsre Gottesdienste übernehmen. Sie bieten
aber ein eindrucksvolles Zeugnis von der Kraft und Echtheit des
Glaubens in den neugewonnenen Gemeinden. Ein ausführliches
Quellenregister gibt einen Überblick über die Breite des verarbeiteten
Materials. Das Buch wird eine gern gebrauchte Hilfe
für den kirchlichen Dienst sein.

Weimar Wolfgang Sch a n ze

Berendt, Joachim Ernst: „Oh Jesus, my Jesus..." über den Spiritual
in seiner und in unserer Welt.
Zeitwende XXXIV, 1963 S. 439-454.

Bornefeld, Helmut: Hugo Distler und sein Werk.
Musik und Kirche 33, 1963 S. 145-155.

Kattenstedt, Heyno: Die Stellung des Einzelsängers im evangelischen
Gottesdienst.

Musik und Kirche 33, 1963 S. 156-164.
Marek, W. van der: „Stipendium" of „Oblatio"? De klassieke

„auetoritas" voor de misintenties.

Tijdschrift voor Theologie 3, 1963 S. 65—74.
Meyer, Hans Bernhard: Die Elevation im deutschen Mittelalter und

bei Luther.

Zeitschr. f. kath. Theologie 85, 1963 S. 162-217.
Tsuchiya, Franz-Xaver: Das älteste bekannte Missions-Ritualc:
Nagasaki 1605.

Trierer Theol. Zeitschrift 72, 1963 S. 221-232.
Zeim, Eleonore: Jenseitsvorstcllungen im deutschen evang. Kirchenlied
.

Deutsche« Pfarrerblatt 62, 1962 S. 529—533.