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Ausgabe:

1963

Spalte:

923-926

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Hromádka, Josef Lukl

Titel/Untertitel:

Das Evangelium auf dem Wege zum Menschen 1963

Rezensent:

Wiesner, Kurt

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Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 12

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ohne auch eine Naturseite der Person anzuerkennen, kann hier
nur festgestellt werden" (73). V. sieht die Schwierigkeiten,
die sich hier auftun, z. B. in der Sündenlehre. „Die Sünde muß
. . . als verantwortlicher Widerspruch des Menschen als Person
gegen Gott beschrieben... werden". Wie steht es dann aber
mit der Lehre, daß der Sündenfall Verlust des donum superaddi-
tum, also ein transpersonaler Vorgang, sei? „Diese Lehre erfordert
. . . erhebliche Bemühungen für die Fragen, warum das
Fehlen der Gnade so sicher zur persönlichen Sünde führt" (76).
Die Natur ist ja durch den Sündenfall nur „verwundet"; „Das
Böse gibt es nur am Guten" (17), wobei an „ontologische",
nicht „sittliche" Gutheit zu denken ist (34). V. will vor allem
das Probem aufzeigen; eine Lösung gibt er, soviel ich sehe, in
der vorliegenden Schrift nicht. Sie dürfte in der Tat schwierig
sein. Das reformatorische Verständnis des Sündenfalls als Abkehr
von Gott läßt keinen Raum für die Unterscheidung zwischen
Natur und Person, sondern beschreibt den ganzen Menschen
als Sünder in seiner Gesamtwillenshaltung. V.s Problem
entsteht hier gar nicht erst, jedoch würde er einwenden: Wo
bleibt hier die Anerkennung der Tatsache, daß der Sünder nach
wie vor Mensch ist? Muß nicht dieses durchgehende Menschsein
als gleichbleibende (wenn auch verwundete) Natur beschrieben
werden? Hier liegt die Schwierigkeit bei der evangelischen
Lehre, die uns von katholischer Seite vorgehalten wird.

Auch das marianische Problem stellt V. in aller Schärfe;
„Es ist nicht zu bestreiten, daß die Beweislast hier auf unserer
Seite liegt; die Beweislast dafür, daß die Hoffnung, welche die
katholische Christenheit auf Maria setzt, keine Infragestellung
der Einzigkeit, Einmaligkeit und Totalität Christi ist. .. " (147).
Den manchmal von katholischer Seite geäußerten Satz: Nun-
quam satis de Maria, würde sich V. kaum zu eigen machen
können; er schreibt: „Man kann von Maria auch so sprechen,
daß Christus dabei verblaßt". Immerhin hält er es aber für
denkbar, Maria als „corredemptrix und mediatrix, Miterlöserin
und Vermittlerin der Gnaden", (161) zu bezeichnen. Den Weg
dahin ebnet er durch eine Erörterung über „Das ,et' als eine
Grundform theologischer Problematik überhaupt" (149—156),
um dann das marianische et (Christus und Maria) eingehend zu
begründen (156—174). Daß hier vieles problematisch bleibt,
wird besonders deutlich am Bittgebet (172).

Sehr nahe kommt uns V. in dem, was er über das Wort
Gottes als Gnadenmittel sagt. „Wort Gottes ist eine so wesentliche
Weise des Heilshandclns Gottes, daß die Kirche ohne
solchen Gebrauch der Heiligen Schrift und ohne Verkündigung
im Range des Wortes Gottes ihre Funktion nicht erfüllen
könnte" (230). Fremd mutet uns allerdings an, daß das Wort
Gottes im Unterschied zu den Sakramenten nicht der hcilig-
machenden, sondern der aktuellen Gnade zugeordnet sein soll.
Doch damit stehen wir wieder bei der katholischen Gnadenlehre
, deren Problematik (allerdings unter anderem Gesichtspunkt
) uns bereits beschäftigt hat.

Halle/Saale Erdmann Schot t

Hromädka, Jo«ef L.: Das Evangelium auf dem Wege zum Menschen
. Aus dem Tsdiechischen übers, v. J. B. Soucek. Berlin: Evang.
Verlagsanstalt |l96l]. 283 S. m. 5 Abb. 8°. Lw. DM 12.-.

In dem „Vorwort für die deutsche Ausgabe" schreibt H.:
„Die vorliegende Schrift ist ein Versuch, direkt aus der Tiefe
der prophetischen und apostolischen Botschaft zu schöpfen und
meinen Brüdern, wo immer sie leben mögen, ungeachtet der
konfessionellen, nationalen und kulturellen Tradition, an dieser
Stelle zu begegnen. Wir müssen alles tun, auf sie zu hören
und einander dort zu finden, wo der Gekreuzigte Schuld, Ohnmacht
und Tod überwunden und uns durch seine Auferstehung
zu neuem Leben erweckt hat. Nur so vermögen wir einander
zu helfen" (S. 5).

Dieses Buch ist also im besten Sinne ein ökumenisches
Buch und könnte als „christozentrische Theologie" bezeichnet
werden. Die liebenswürdige, mitmenschliche Art seines Verfassers
prägt die Diktion dieses Buches vom Glauben und der
Begegnung, dem auch die ethischen Konsequenzen nicht fehlen.
Wer H. kennt, findet sein Wesen und die Lebendigkeit seiner

bildhaften Betrachtungsweise in diesem Buche wieder. Wer aber
den Verf. nicht kennt, dem tritt er in diesem Buche in seiner
ganzen Person und Persönlichkeit entgegen. Und vielleicht nur
von hier aus wird dann auch verstanden werden, wie einem
wissenschaftlichen Buche Illustrationen beigefügt werden können,
die besondere Textstellcn verdeutlichen. Damit sei angedeutet,
daß dieser „Grundriß der Glaubenslehre" überhaupt den allgemein
üblichen Rahmen sprengt. Das wird 6chon an dem
äußeren Aufbau erkennbar.

Das Buch gliedert sich in eine Einführung, fünf Teile und
ein „Nachwort statt eines Vorwortes". Es enthält kein Literaturverzeichnis
, kein Namen- und Sachregister und keine Anmerkungen
. Das erschwert z. T. die Arbeit mit dem Buch, zeigt
jedoch andererseits, daß es seinem Verf. darauf ankommt, mit
seinen Darstellungen nicht nur zu arbeiten, sondern vor allem
auch zu leben.

Der erste Teil ist „Das Wort auf dem Wege zum Menschen
" überschrieben und umfaßt sieben Kapitel. Die Gliederung
dieses Teiles zeigt, daß H. dieser Grundlegung der ganzen
Arbeit besonderen Wert zumißt. Hatte er in der „Einführung"
davon gesprochen, daß „das Wort des Herrn nur in seiner Be-
zogenheit auf das menschliche Leben hier und heute, in einer
bestimmten Zeit, an einem bestimmten Ort wirklich verstanden
werden kann" (S. 13), so beginnt er nun mit der Entfaltung
dieses Grundsatzes. „Es gibt keinen Glauben ohne die Gewißheit
des B e r u f e n s e i n s" (S. 15), denn „wahrer Glaube
setzt Berufung voraus; wahrer Glaube ist lebendige Gewißheit
des Berufenseins" (S. 16). Dieses Berufensein bzw. diese Berufung
besteht nach Meinung des Verf.s in dem „persönlichen
Anruf Gottes", der „in bestimmten Zusammenhängen
des menschlichen Lebens aus der Gnade und freien
Entscheidung Gottes" (S. 19) erfolgt. Deshalb gibt es auch
keine Bedingungen seitens des Berufenen; die Berufung ist
vielmehr lebenslänglich und „bedeutet immer Dienst", d.h.
„die aufgeschlossene Bereitschaft, dem Menschen zur Verfügung
zu stehen, wo immer es nötig ist" (S. 22). Dieses Wissen um
den Dienst läßt den Gläubigen dann im Blick auf Christus
dessen inne werden, daß er Schuldner, Schuldner Gottes und
der Menschen, ist. Denn „alles, was wir haben, sind wir Gott
und dem Nächsten schuldig" (S. 26).

Wozu aber werden oder sind wir berufen? — Zur Verkündigung
der „Taten des lebendigen Gottes", nicht abstrakter
„ewiger" Wahrheiten (S. 27). Diese Verkündigung der
Taten des lebendigen Gottes besteht in nichts anderem als in
der „Verkündigung der lebendigen Wahrheit und der wahren
Wirklichkeit".

In diesem 3. Kapitel finden sich zwei sehr wesentliche
Sätze. Der Verf. schreibt: „Der Kern dessen, was man später
mit Symbol oder Dogma bezeichnete, entstand ... aus einem
wesenhaften Bedürfnis der Kirche: klar und eindringlich zu
denken, die Wahrheit von der Irrlehre, die Wirklichkeit von
der leeren Philosophie, das wahrhaftige Werk des lebendigen
Gottes von der Nichtigkeit der heidnischen Götter und Herren
zu unterscheiden" (S. 30). Und weiter: „Der Glaube ist kein
Flug in erträumte Ideale und kein Wunschparadies. Er ist
Leben in der Wahrheit und in der konkreten Wirklichkeit"
(S. 33). Selbstverständlich stellt H. dar, was er unter „lebendiger
Wahrheit" und „wahrer Wirklichkeit" verstanden wissen
will, immer unter Bezugnahme auf die entsprechenden Stelle"
der Heiligen Schrift. Und diese klare biblische Haltung gibt
dem ganzen Buche seinen besonderen Wert.

In den Kapiteln 4 bis 7 behandelt der Verf. „Das Wort
Gottes", „Prediger und Hirte", „Die Heilige Schrift, die
Synagoge und die Kirche" und „Das Grundthema der Schrift"-
H. geht davon aus, daß Glaube immer nur „aus dem gemein-
samen Zeugnis in der Gemeinde" (S. 35) geboren wird und
„die Verkündigung der Taten des Herrn" sich am Wort dC
Schrift, das „in menschlichen Aufzeichnungen" zu uns ge'
kommen ist, orientieren muß (S. 36). Schließlich und letztlich
geht es dabei um das Erkennen des Rufes des Herrn als de«
eigentlichen Wortes Gottes, wozu auch „die Glaubenserkenntnisse
unserer Väter und die Katechismen, mit denen wir ge'