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Ausgabe:

1963

Spalte:

916-917

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Riecker, Otto

Titel/Untertitel:

Ruf an alle 1963

Rezensent:

Klemm, Hermann

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915

Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 12

916

Holl, Bela: Die erste Ausgabe der RA THXHSI2 Valentin Wagners
(Kronstadt 1544).

Magyar Könyvszemle [Ungarische Bücherschau] 78, 1962 S. 293—302.
Matthias, Walter: Über die Lehre von der Willensfreiheit in der
altlutherischen Theologie.

Zeitschrift für Kirchengeschichte LXX1V, 1963 S. 109—133.
Molnär, Amedeo: Luc de Prague edifiant la communaute (1498
—1502).

Communio Viatorum 5, 1962 S. 189—200.
Müller, Gerhard: Zur Vorgeschichte des Tridentinums. Karl V. und

das Konzil während des Pontifikates Clemens' VII.

Zeitschrift für Kirchengeschichte LXXIV, 1963 S. 83—108.
Padberg, Rudolf: Zur heurigen Erasmus-Interpretation.

Theologische Revue 59, 1963 Sp. 149—154.

KIRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT

Müller, Gotthold: Christian Gottlob Pregizer (1751 — 1824). Biographie
und Nachlaß. Stuttgart: Kohlhammer 1962. VIII, 587 S.,
1 Titelb., 18 Abb. gr. 8°. Lw. DM 36.—.

Daß sehr ansprechend ausgestattete Werk des württembergischen
Theologen, das in 6einer ursprünglichen Fassung von
der Theologischen Fakultät Marburg als Dissertation angenommen
wurde, zerfällt in zwei große Teile. Zunächst berichtet
der Verfasser über die Geschichte der Pregizer-Forschung und
bietet sodann eine wissenschaftlich zuverlässige Biographie
Pregizers, deren Quellenbasis erfreulich verbreitert werden
konnte. Der II. Teil des Werkes (ab S. 169) bringt den literarischen
Nachlaß Pregizers zum Abdruck —

Der Verf. hat seine Arbeit musterhaft disponiert und keine
Mühe gescheut, Steinchen zu Steinchen zu fügen, um ein überzeugendes
Gesamtbild von der Persönlichkeit und Bedeutung
Pregizers zu vermitteln. Er konnte an Arbeiten u. a. von C.
Grüncisen, Chr. Kolb, F!. Pfeil und W. Schulze anknüpfend,
schon gedruckte Schriften Pregizers feststellen, die bisher nicht
berücksichtigt worden waren, und nach kritischer Überprüfung
aller Thesen über das Verhältnis Pregizers zu den sog. „Pregi-
zerianern" Licht in diesen auch konfe6sionskundlich interessanten
Fragenbereich bringen. Dem Studenten Pregizer wird schon
Oetinger persönlich bekannt; der ihm von J. Fr. Reuss vermittelte
Geist des Bengelschen Pietismus, der sich mit ersten
Spuren des Supranaturalismus verbindet, prägt den nur
durchschnittlich begabten, im Jahre 1770 zum Magister promovierten
jungen Theologen. Schon auf seiner ersten Stelle
in Gaildorf hat Pregizer Privaterbauungsversammlungen eingerichtet
oder gefördert. Er galt als Magister der „Oetinger-
schen Art". Audi Pregizers Schwiegervater und Schwager gehörten
zum Bekanntenkreis Oetingers. Nach über zehnjähriger
Wirksamkeit in der kleinen, in wirtschaftlicher und
sittlicher Beziehung schwierigen Gemeinde Grafenberg, wo
Pregizer erst spät Privatversammlungen halten konnte und wo er
sich mit Boehme und Oetinger beschäftigte, wechselte der bis
dahin noch nicht durch besondere Eigentümlichkeiten auffallende
Pfarrer 1795 diese Stelle mit dem Pfarramt des
Schwarzwaldstädtchens Haiterbach bei Nagold. Hier fand
PregizeT eine dem Separatismus zuneigende Gruppe vor, der
er durch Unterstützung der vorhandenen Privaterbauungsversammlungen
in weiser pastoraler Art zu begegnen suchte.
Pregizer will mit der Predigt der Versöhnung und Rechtfertigung
bewußt an die ganze Gemeinde herankommen. Noch
1807 wird ihm das beste Zeugnis gegeben und sein Luther-
studium hervorgehoben. Die Zahl der Privatversammlungen sank
während dieser Zeit. Während des Jahres 1800/1801 geriet
Pregizer in eine tiefe geistliche Krisis, so daß er 60gar einem
Vikar das Predigen überließ. Ein 6eelsorgerliches Gespräch
(s.S. 120) gab ihm die Gewißheit, daß durch die Taufe bereits
die Begnadigung und Beseligung des Sünders ein für allemal
geschehen sei. Er vertiefte diese Auffassung durch Lektüre
der „Geistlichen Schatzkammer der Gläubigen" von Stephan
Prätorius (von 1565—1603 Prediger in Salzwedel), die 1636
von Martin Statius herausgegeben worden war. Prätorius bedeutete
für Pregizer die Wendung zu Luthers Schrifttum. In

der Predigt betonte er das Taufrecht der Gläubigen. Dadurch
gewann Pregizer auch die ältere Gruppe der sogenannten
„Seligen", die als von der Kirche getrennte Separatisten auch
in seiner Gemeinde vertreten waren. Schon 1795 hatte Pregizer
versucht, diese „Seligen" (von denen bisher nur wenig bekannt
war) seinem Stundenwesen zu integrieren. Die „Seligen"
standen u. a. in Opposition zu Michael Hahns Heilungslehre.
Ihnen mußte die aus der „Schatzkammer" gespeiste Verkündigung
Pregizers sympathisch sein. Ohne Zweifel mißverstanden
sie z. T. die Intention Pregizers, der allerdings
erst seit 1808/09 kräftig gegen die sich nahelegende Identifizierung
von Seligen und Pregizerianern ankämpfte. Müller
bringt nach Kräften Aufschluß über die komplizierte Situation,
in der Pregizer schuldig-unschuldig in ein schiefes Licht geriet.
Die Schilderung der Spannungen kommentiert anschaulich das
Wort: „Die ich rief, die Geister, werd' ich nun nicht losl"
Der „alte Pregizer" (1811—1824) lenkte persönlich wieder zu
der bis 1800 (und äußerlich auch noch darüber hinaus) eingenommenen
Position als Pfarrer zurück. Müller kann auch eindeutig
nachweisen, daß Pregizer die Bedeutung der Heiligung
im Gegensatz zu denen, die sich — in diesem Punkt —
fälschlich auf ihn beriefen, nicht verkannt habe. —

Müllers Arbeit wird — z. T. schon durch den ausgezeichneten
Quellenabschnitt — hinsichtlich der theologischen Arbeit
und Bedeutung Pregizers zu einer Fortführung ermuntern.
Vordringlich erscheint eine eingehende und das Inhaltliche
stärker als bisher berücksichtigende Analyse des Verhältnisses
Pregizers zu Luther und zum spätpietistischen Lutherverständnis
, ferner eine Würdigung seines Verhältnisses zu Oetinger
und J. W. Petersen, dessen Wiederbringungslehre Pregizer gefesselt
hat. Nicht zuletzt dürften noch zahlreiche Forschungsaufgaben
im Blick auf die Erfassung des Phänomens der
„Seligen" und der verschiedensten Gruppen von „Pregizerianern
" (und deren je besonders strukturiertes Verhältnis zu
anderen Gemeinschaften bzw. zur Landeskirche) verbleiben.
Der dehnbare Begriff „Pregizerianer" bedarf der schärferen
Konturierung.

Neuendettel»uu Friedrich Williolm Ka n tuen buch

Riecker, Otto: Ruf an alle. George Whitefield, Bahnbrecher der
modernen Evangelisation und Erwcckungsträger in zwei Kontinenten
. Wuppertal: Brockhaus [1962). 221 S. m. 1 Abb., 4 Taf. 8° =
Aus der Welt der Erweckung, hrsg. v. E. Beyreuther, Bd. 1. Lw.
DM 13.80.

Erich Beyreuther gibt in dem genannten Verlag eine neue
Reihe „Aus der Welt der Erweckung" heraus, als deren 1. Band
das vorliegende Werk erscheint. Der Verfasser hat sich durch
seine Untersuchung „Das Evangelistische Wort", Gütersloh 1935,
die in verkürzter 2. Aufl. 1953 wieder erschienen ist, und durch
eigene Tätigkeit in der Erweckungsarbeit für diese Aufgabe ausgewiesen
. Der Verlag hat mit Hilfe des Grafikers Daniel Christoff
dem Band eine hervorragende Ausstattung gegeben.

Riecker schildert auf Grund der allerdings größtenteils von
vornherein zur Veröffentlichung bestimmten Tagebücher und der
biografischen Literatur in englischer Sprache sehr anschaulich und
in guter Sprache das Leben des großen Predigers. Er füllt damit
eine Lücke aus, die schon lange in unserem Sprachgebiet bestanden
hat. Wir lernen Wh. kennen als einen Mann leidenschaftlichen
Glaubens und großer Predigtgabe, der freilich mit
den Einzelheiten seiner Wirkung ganz in die sentimentale Ww
seines Jahrhunderts hinein gehört. Wenn er die Schranken
parochialer Ordnungen — z. T. dazu gedrängt, z. T. freiwillig —
überschreitet, so scheint ihn dabei neben anderem auch eine
kühne Form der imitatio Christi zu treiben, die er sowohl in
der Wanderschaft um des Evangeliums willen als auch im Ertra'
gen von Spott und Verfolgung zu bewähren sucht. Dem W*W
sind 39 Anmerkungen beigegeben, in denen der Verf. größere
Texte unterzubringen sucht, die er nicht im Hauptteil <lcS
Buches veröffentlicht hat. Es ist schade, daß — wie auch sonst,
so vor allem hier - die genauen Belegstellen nicht mit genannt
werden.