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Ausgabe:

1963

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 12

914

selbst. Sie sind vom Herausgeber aus dem Frühneuhochdeutschen,
Holländischen und Lateinischen in ein einwandfreies, sogar gepflegtes
Deutsch übertragen worden. Eine Reihe der Stücke sind
dem Wissenschaftler in modernen Originalausgaben zugänglich,
z. B. die Texte von Grebel, Mantz, Hubmaier, Sattler, Denck,
Schwenckfcld, Müntzer. Andere stammen aus entlegeneren
Publikationen, wie etwa die Holländer aus Biblioteca Reforma-
toria Neerlandica. Erste deutsche Texte bekommen wir von
Castellio und dem sehr modern anmutenden Antitrinitarier
Lelio Sozzini. Melchior Hoffmann, Servet und Ochino haben
Neudrucke erhalten. Für den Reformationshistoriker reizvoll
sind die Ausgaben der Epistel von Pilgram Marbeck und der
,,Gemeinsamen Ordnung" von Leupolt Scharnschlager, die von
Fast an dieser Stelle zum erstenmal aus der Handschrift des
Berner Kunstbuches ediert werden. Wichtige Täuferakten befinden
sich unter den Texten. Der Brief Grebels an Thomas Müntzer
ist für die Beurteilung der Entwicklung des Zürcher Täufertums
und seiner Beziehungen zu dem Kreis um Müntzer von großer
Bedeutung. Audi das Schleithcimer Täuferbekenntnis von 1527
hat hier nun eine leicht zugängliche Edition gefunden. Es ist
richtig, daß Fast Michael Sattler als den Verfasser des Bekenntnisses
bezeichnet.

Mehr als ein Hinweis auf die Texte läßt sich nicht geben.
Dieses Buch will gelesen werden. Der Leser wird davon überrascht
, daß sich sein durch die Reformatoren bestimmtes, aber
dadurch auch einseitiges Bild des 16. Jahrhunderts weitet und
an Farben gewinnt, die bisher vertuscht waren. Vieles, wie z. B.
den Brief von Felix Mantz an den Zürcher Rat, kann man nur
mit schmerzlicher Erschütterung lesen.

Bis auf geringe Druckfehler, zu knappe Literaturhinweise
und die oben geäußerten Bedenken haben wir hier ein ganz
vorzügliches Buch zuverlässig edierter und teilweise sehr seltener
Texte vor uns. Sie sind nicht nur historische Dokumente, sondern
als Zeugnisse eines unbedingten Glaubens zugleich Fragen,
aus deren Beantwortung wir auch heute noch nicht entlassen
sind.

DUbomlorr/Ziirich Joachim Staciltke

Raedtr, Siegfried: Das Hebräische bei Luther untersucht bis zum
Ende der ersten Psalmcnvorlcsung. Tübingen: Mohr 1961. VII, 406 S.
gr. 8° "■ Beiträge z. historischen Theologie, hrsg. v. G. Ebcling, 31.
DM 49.80; Lw. DM 54.—.

Mit seltener Gründlichkeit und Akribie hat der Verfasser
den Einfluß der hebräischen Sprache und Denkart auf Luthers
Theologie bis zum Ende der ersten Psalmenvorlcsung untersucht
. Luthers hebräische Sprachkenntnissc waren damals so unsicher
, daß er die Psalmen hauptsächlich auf der Grundlage
einer Reihe lateinischer Übersetzungen und Kommentare exe-
gisierte und daneben Reuchlins Rudimenta als philologische
Quelle benutzte. Raedcr mußte deshalb bei jedem in den Vorlesungen
vorkommenden hebräischen Wort und Ausdruck untersuchen
, was Luther anderen Kommentatoren, bzw. Reuchlin
verdankte, und was seine eigene sprachliche und darauf aufbauende
theologische Leistung war.

Mit dieser mühevollen Methode ist es Racder gelungen,
den Einfluß der hebräischen Sprache und Denkart auf die Theologie
Luthers schon in der Frühzeit festzustellen und in allen
Einzelheiten zu bestimmen. Eine Fortsetzung der Untersuchung
in die Zeit, da Luthers Theologie direkt auf dem Urtext
basierte, ist aber notwendig, teils um die Gültigkeit der Forschungsergebnisse
Raeders für den reiferen Luther zu bestätigen,
teils um den wachsenden Einfluß des Hebräischen auf die
Weiterentwicklung der Theologie Luthers zu analysieren.

Die Frage nach der Bedeutung des Hebräischen in der
Theologie Luthers hat nicht nur geschichtliches Interesse, sondern
ist auch von erheblicher kirchlicher Bedeutung für unsere
Zeit. Nachdem man Raeders Buch gelesen hat, stellt man sich
unwillkürlich folgende Frage: Enthält das Lutherrum eine
völkerpsychologischc Voraussetzung, die zwar an sich christlich
legitim ist, die aber die lutherische Botschaft an ein bestimmtes
Volkstum bindet? Es ist doch eine denkwürdige Tatsache
, daß das Luthertum sich fast ausschließlich in Deutschland
und im Norden (und später bei den Nachkommen der

deutschen und skandinavischen Einwanderer in U.S.A.) erhalten
hat. Luther kämpfte nicht nur für das Recht, evangelisch zu
glauben, sondern auch für sein Recht, deutsch zu denken und
zu empfinden. Es geht nämlich aus der Untersuchung Raeders
hervor, daß Luther schon in der Zeit der ersten Psalmenvorlesung
eine tiefe Abneigung gegen die aristotelisch-scholastische
Denkweise empfand und oft gegen sie polemisierte. Die
Entdeckung, daß die Denkart der Hebräer antihellenisch und
antilateinisch war, bedeutete für ihn zweifellos eine geistige
Befreiung. Glücklich meinte Luther feststellen zu können, daß
von allen Sprachen die deutsche noch am ehesten die hebräische
Ausdrucksweise wiedergeben könne.

Obgleich ich geneigt bin, Luther darin recht zu geben,
(vgl. die Vorliebe der jiddischen Weltsprache für deutsch), muß
doch hinzugefügt werden, daß die biblische Botschaft an die
hebräische Denkart nicht gebunden ist. Ist das Luther klar
gewesen? Oder hat er den philologisch-völkerpsychologischen
Begriff ,,hebräisch" mit dem theologischen Begriff „biblisch"
identifiziert und verwechselt? Zwischen diesen beiden Begriffen
muß man scharf unterscheiden (was Raeder nicht immer tut);
denn die biblische Botschaft ist uns ja schon im Neuen Testament
nicht nur in griechischer Sprache, sondern teilweise in
griechisch-europäischen Denkkategorien überliefert, ohne daß
das Evangelium darunter gelitten hat.

Die Fortsetzung der vorzüglichen Untersuchung Raeder«
muß das oben erwähnte Problem berücksichtigen. Das Selbstverständnis
des Luthertums und seine erfolgreiche Auseinandersetzung
mit dem Glauben der anderen Kirchen in der Ökumene
ist von der richtigen Beantwortung der Frage abhängig.

Oslo T horlcif B n m a n

D- Martin Luthers Psalmen-Auslegung, hrsg. v. E. M ü 1 h a u p t.

IL: Psalmen 26 — 90. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht [1962].
5'2 S. gr. 8°. Lw. DM 40.-.

E. Mühlhaupt legt von den geplanten 3 Bänden Luthers
Psalmen-Auslegung den zweiten vor mit 552 Seiten und bringt
die Psalmen 26 — 90. Der erste Band (ThLZ 1959, Nr. 10) hat
einen Umfang von 356 Seiten. Mit diesen Seitenzahlen soll
gezeigt werden, daß M. eine ganz ausführliche Auswahl aus
Luthers Auslegungen bietet, nicht etwa eine Auswahl unter
einem persönlichen Gesichtspunkt, der zufällig dieser oder jener
«ein kann. M. will aus dem umfangreichen Material der Auslegungen
so viel abdrucken, daß es möglich ist, sich eine gründliche
Kenntnis und Einsichtnahme darüber zu verschaffen, wie
Luther in seiner geprägten Weise Psalmen ausgelegt hat.

Im Unterschied zum ersten Band zieht M. jetzt ausgiebig
Luthers erste PsalmvorIe6ung von 1513/15 heran. Das ist deswegen
bedeutsam, weil Luther in dieser Vorlesung viele Erkenntnisse
ausspricht, die in ihrem Ansatz manche seiner Entdeckungen
und völlig neuen Auslegungsgedanken vorträgt, von denen
er später viele weitergeführt hat. In dieser Vorlesung 6teht
schon der künftige Reformator unter seinen Studenten. Es ist
also dankenswert, daß M. diese Vorlesung reich zu Wort kommen
läßt.

In geschickter Weise arbeitet M. Scholien und Glossen
Luthers lesbar ineinander. Das hat den Vorteil, daß er nicht
unnötig Raum für die einzelnen Äußerungen Luthers beansprucht
, wenn diese in verschiedenen ähnlichen Sätzen überliefert
sind.

Aufmerksam sei auch darauf gemacht, daß M. die lateinischen
Texte in einem guten Deutsch und anschaulich übersetzt.

Gotha Oskar Zicgnerf

Echternach, Helmut: Die Wiederentdeckung des Taufsakraments
durch Luther.

Mensch und Menschensohn — Festschrift für Bischof D. Karl Witte.
Hamburg 1963 S. 58—80.

Harms. Hans Heinrich: Aus den Tagen des Augsburger Interims.
Mensch und Menschensohn — Festschrift für Bischof D. Karl Witte.
Hamburg 1963 S. 99—118.

— Die Bedeutung des gedruckten Wortes im Jahrhundert der Reformation
.

Pastoralblätter 103, 1963 S. 401—414.