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Ausgabe:

1963

Spalte:

910-911

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

Der Evangelische Katechismus von Gengenbach 1963

Rezensent:

Doerne, Martin

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909

Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 12

910

haben, während die Christen es in anderen Handschriften noch
fanden?.

Es ist das Vorrecht der Kurzreferate, ein einzelnes, oft
kleines Objekt gesondert unter die Lupe zu nehmen und so
auch bekannten Gegenständen noch neue Beobachtungen abzugewinnen
. Aber dabei ist die Gefahr groß, das Ergebnis durch
die Enge des Blickfeldes sofort wieder unsicher zu machen. Dafür
darf wohl (aus der Abteilung „Patres Apostolici") Ham-
mans Beitrag über die Bedeutung des Siegels im „Hirten" des
Herma6 als Beispiel dienen. Seine förderlichen Beobachtungen
lassen nämlich außer acht, daß das Siegel bei Hermas nicht nur
das menschliche Durchhalten anzeigt, sondern ein von Gott erst
gewährtes und bestätigtes Durchhalten des Menschen. — Nicht
übersehen sei, daß manche Beiträge gerade umgekehrt einen
Durchblick auf größere Zusammenhänge versuchen, so wenn
Hillgarth unter den „Historica" im westgotischen Spanien
einen wichtigen Vermittler zwischen dem Osten und den britischen
Inseln aufzeigt, und zwar teils durch kunstgeschichtliche,
teils durch literarische Zusammenhänge. Nicht ganz so weit
greift Telfers Nachweis, daß Nordafrika das Christentum aus
dem Osten empfangen hat. — Von Konstantin handelten auf
dem dritten Kongreß weniger Beiträge als auf dem zweiten. Daß
des Kaisers Sendungsbewußtsein den Zeitgenossen wirklich als
ein „apostolisches" erschien, hat Gillman schwerlich bewiesen.

Unter den Aufsätzen zur Liturgiegeschichte sei der von
Hammerschmidt deshalb erwähnt, weil er mit der Bestimmung
des „liturgischen Formkriteriums" einlen prinzipiellen Beitrag
zur Forechungsmethode gibt. Solche Beiträge sind auch für denjenigen
Leser anziehend, der gerade nicht das betreffende Gebiet
im besonderen pflegt. Aus demselben Grunde sei unter
den „Philosophica" der Beitrag von Moore herausgehoben:
„Betwcen us and the Fathers — Aquinas." Er ist mit der Patristik
nur sehr lo6e verknüpft, und doch wäre es zu bedauern,
wenn diese kühne Frage nach der Entsprechung des geistigen
Prozesses zur göttlichen Trinität hier fehlte. Imamichi zeigt in
anregender Weise Merkmale für eine Umbildung der klassischen
Ethik bei den griechischen Vätern auf. - In der Abteilung
„Thcologica" i6t sehr zu begrüßen, daß C. Andresen seinen
selbständigen Vorstoß zum Verständnis des trinitarischen Per-
sonbegriffcs wenigstens in einem kurzen Resumc hat abdrucken
lassen; den vollständigen Text muß man ZNW 52,
1961 nachlesen.

Noch andere Arbeiten einzeln zu nennen möchte ich mir
ersparen, weil das Gefühl der Willkür bei jedem neuen Versuch
nur zunimmt. Angesichts dieses Reichtums, der den Leser und
noch viel mehr .den Rezensenten in Verlegenheit setzt, liest
man mit Dankbarkeit die „Inrroductio" von A. Mandouze, die
den vier Bänden vorausgeht. Kein Leser sollte diese Seiten,
die von „Maß und Maßlosigkeit der Patristik" (mesure et
demesure) handeln, überspringen. Mandouze zeigt einerseits die
gefährliche und doch unvermeidliche Ausweitung und Spezialisierung
der Arbeit, die unter dem Namen Patristik läuft,
andererseits aber die trotzdem bestehende Lückenhaftigkeit. Um
über die Beschreibung der Lage hinaus zu einem „Maß" höherer
Ordnung zu führen, wagt er eine eigene Umschreibung der
Patristik. Er betont dabei die Weite, daß sie mit allen methodischen
Hilfsmitteln der Theologie, Philologie und Geschichte
die Gesamtheit aller Zeugnisse von Lehre und Leben der Kirche
inventarisiert und allseitig erforscht, wobei sie eine eigentliche
theologische Interpretation mehr vorbereitet als voraussetzt.
(Darin liegt eben die moderne Versclbständigung der Patristik!)
Es geht um die Begegnung des Forschers mit dem Geist der
Väter. M. schließt mit zwei praktischen Vorschlägen. Ein pa-
tristisches Bulletin könne über begonnene, angeregte oder gewünschte
Arbeitsvorhaben unterrichten, um Doppelarbeit zu
vermeiden und Forscher verschiedener Fachrichtungen zu gemeinsamer
Arbeit zu vereinigen; ferner könnte man die Arbeit
auf gewisse große Linien hin ausrichten, etwa auf eine Epoche,
ein Land oder ein Dogma, und vielleicht könne man schon auf
dem 4. Patristischen Kongreß, der im September 1963 in Oxford
zusammentreten soll, diesen Weg einschlagen.

In der Tat sind beide Vorschläge der Beachtung wert.

Wenn man, wie es hier geschehen ist, die Mitteilungen des 2.
und des 3. Kongresses jeweils zunächst für sich betrachtet und
dann vergleicht, so erkennt man, daß die Bildung von Schwerpunkten
(in der Neugruppierung und in der Zurückhaltung
gegenüber nur sehr entfernt „patri6tischen" Themen) zugenommen
hat. In dieser Richtung sollte man weitergehen. Eine
gewisse Selbstbeschränkung kann die Arbeit nur vertiefen und
kräftigen.

Bad Godesberg Heinrich K a rp p

B r o x, Norbert: „Zeuge seiner Leiden". Zum Verständnis der Interpolation
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KlBCHENGESCmCHTE: REFORMAT10NSZE1T

Kohls, Ernst-Wilhelm: Der evangelische Katechismus von Gengen-
badi aus dem Jahre 1545, hrsg. u. bearb. Heidelberg: Quelle &
Meyer 1960. 57 S. 8° = Pädagogische Forschungen, Veröffentl. d.
Comenius- Instituts, 14. Kart. DM 4.80.

Der Gengenbacher „Christliche Katechismus" von 1545, in
Vierordts „Geschichte der evang. Kirche im Großherzogtum
Baden", I, 1847 zuerst erwähnt, von J. M. Reu seinerzeit vergebens
gesucht, ist 1920 von J. Sauer im Freiburger Diözesan-
Archiv NF 21 (auf Grund des einzig vorhandenen Originalexemplars
) besprochen worden. Die Herausgabe dieses Ortskatechismus
nach einer vom katholischen Pfarramt Gengenbach
zur Verfügung gestellten Photokopie durch E.-W. Kohls ist ein
verdienstlicher Beitrag zur Aufhellung der oberdeutschen, wesentlich
von Joh. Brenz bestimmten lutherischen Seitenform der
reformatorischen Katechismusbildung. Die historisch wohlfundierte
theologische und katechetische Untersuchung dieses neu
erschlossenen Textes, der Textedition (S. 27—45) vorangestellt
(S. 5—26, dazu die Anmerkungen S. 46—57), fußt hauptsächlich
auf den großen katechismusgeschichtlichen Quellenwerken von
J-M. Reu und F. Cohrs, für den S. 10 ff. durchgeführten Vergleich
mit Luthers Kleinem Katechismus auf Joh. Meyers Historischem
Kommentar zu Luthers KK (1929), dessen unerschöpfte
Ergiebigkeit hier wieder zu hoher Ehre kommt. — Dieser
Gengenbacher Katechismus (G. K.) zeigt in der Interpretation
von Kohls ein eigentümliches Doppelgesicht: er ist einerseits
bis in Einzelheiten hinein von -Luthers KK abhängig, auf der
anderen Seite lehnt er sich, z. B. im Ausgang von der Taufe,
in der Frage nach dem „Nutzen des Glaubens" am Ende des
hier an die Spitze gestellten Lehrstücks vom Glauben, weiter
in der Frage nach dem „dreifachen Sinn der Gebote", schließlich
in der Überschrift des letzten Stückes („Von den Schlüsseln
der Kirchen und des Himmelreichs") engstens an die Katcchismus-
vorlagen von J. Brenz und A. Althamer an. Als Verfasser glaubt
Kohls mit hoher Wahrscheinlichkeit den mitunterzeichneten
Thomas Lindner, den Autor eines größeren lateinischen
Katechismuswerkes (mit Vorwort von Brenz) sowie des Ravensburger
Katechismus, bezeichnen zu können.

Als Spezifikum des G. K. will K. erkennen, daß der „Begriff
der Heiligung als zweiter Zentralbegriff" dem „Rechtfertigungsgedanken
", der „theologischen Zentralidee" von Luthers
KK, nebengeordnet sei (12 f.): er spricht in diesem Zusammenbang
auch von einem primär „pädagogisch-anthropologischen"
Verständnis der Rechtfertigung (13) und einem „gewissen
Subjektivismus" des G. K, der namentlich in den Lehrstücken
von Taufe, Abendmahl und Schlüsseln in Erscheinung trete
(22. 20). Trotz gewisser hier anklingender Bedenken urteilt