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Ausgabe:

1963

Spalte:

905-910

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

... held at Christ Church, Oxford

Titel/Untertitel:

1955 1963

Rezensent:

Karpp, Heinrich

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Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 12

906

KIHCHEN GESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Studia Patristic«. Vol. 1—II. Papers prestnted to the Second
International Conference on Patristic Studies held at Christ Church,
Oxford, 1955. Part L II. Ed. by Kurt Aland and F. L.Cr ose.
IX, 700 u. XI, 560 S. DM 96.-.
— Vol. III—VI. Papers presented to the Third International Conference
on Patristic Studies held at Christ Churdi, Oxford, 1959.
Part I: Introductio, Editioncs, Critica, Philologica. XI, 430 S.
DM 35.50. Part II: Biblica, Patres Apostolici, Historica. IX, 533 S.
DM 44.50. Part III: Liturgica, Monastica et Ascetica, Philosophica.
IX. 547 S. DM 49.—. Part IV: Theologica, Augustiniana. IX,
551 S. DM 48.—. Ed. by F. L. Cross. Berlin: Akademie-Verlag
1957/1961/1962. gr. 8° = Texte und Untersuchungen zur Geschichte
der altchristlichen Literatur. Band 63, 64, 78, 79, 80, 81.

Von dem Aufschwung, den das Studium der Kirchenväter
ini jüngster Zeit genommen hat, gibt die seit 1951 alle vier
Jahre in Oxford zusammentretende International Conference
on Patristic Studies einen starken Eindruck. Wenn die dort gehaltenen
Referate anschließend in den verschiedensten Zeitschriften
veröffentlicht würden oder in anderen, größeren
Arbeiten aufgingen, erhielte man literarisch kein anschauliches
Bild von dem derzeitigen Stand dieser Fachstudien, ihrer Einheit
und ihrer zugleich überraschend großen Verzweigung. In-
«ofern ist es — besonders von denen, die nicht teilnehmen
konnten — zu begrüßen, daß die Referate der zweiten und
dritten Patristischen Tagung von 1955 und 1959 jeweils in
einem Sammelwerk geschlossen herausgegeben wurden. Daß
diese Bände in Deutschland innerhalb der altangesehenen Reihe
der „Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen
Literatur" erschienen 6ind, ehrt die Begründer dieser
Reihe ebenso wie die Kommission für spätantike Religionsgeschichte
in Berlin, die jetzt diese Reihe betreut.

Betrachten wir zunächst die beiden Bände, in denen K.
Aland und F. L. Cross 117 Abhandlungen des Kongresses von
195 5 herausgegeben haben (TU 63 u. 64). Diese Bände spiegeln
den Verlauf des Kongresses nicht ganz getreu wider, da, wie
Cross im Vorwort sagt, einige Beiträge nicht in Oxford vorgetragen
wurden, andere, dort wirklich gelesene, aber an anderer
Stelle veröffentlicht worden sind; überdies hat man verständlicherweise
darauf verzichtet, auch noch die wichtigsten Diskussionsbeiträge
aufzunehmen, die an sich ja das Bild einer
solchen Tagung erheblich mibestimmen können. Vielleicht wäre
es zweckmäßig, in einer solchen nach Vollständigkeit strebenden
Sammlung fehlende Referate in einer Liste zusammenzustellen
und gegebenenfalls anzugeben, an welcher anderen
Stelle sie erschienen sind.

Es wird wohl niemand erwarten, daß hier alle Beiträge gewürdigt
oder überhaupt nur genannt werden. Vielmehr muß
der Versuch genügen, die Anlage und den allgemeinen Charakter
dieser Veröffentlichung zu kennzeichnen und auf einiges,
was bemerkenswert erscheint, hinzuweisen; dabei verrät die
Auswahl des Genannten sicher mehr die Neigung und die
wissenschaftlichen Grenzen des Berichterstatters als ein Werturteil
über die nicht genannten Arbeiten.

Der gesamte Stoff ist in zwölf Abteilungen gegliedert:
Band I (TU 63) umfaßt: Editiones, Critica, Philologica, Biblica.
ludaica und Historica, Band II (TU 64) Liturgica. luridica,
Theologica, Philosophica. Monastica und Ascetica. Innerhalb
dieser Gruppen sind die Beiträge alphabetisch nach Verfassernamen
geordnet. Der Zahl nach stehen die (je 16) „theologischen
" und „biblischen" Beiträge an der Spitze. Die Zahlen
geben aber kein ganz klares Bild, da die Zugehörigkeit zu den
Abteilungen nicht immer eindeutig ist. Wenn M. Bevenot nachweist
, daß in einem Bibelzitat Cyprians da6 ganz seltene Wort
indictoaudiens (als Verneinung von dictoaudiens ■ aufs Wort
gehorsam) die ursprüngliche Lesart ist und dann aus den Varianten
auf den Wert der betreffenden Cyprian-Handschrift
schließt, so gehört diese durchaus interessante Untersuchung
doch wohl eher zu den ..Philologica" oder zu den „Editiones"
als unter die „Biblica". Etwas anders steht es mit dem Aufsatz
von Dumorticr über einige Schriftzitate des Chrysostomus.
Diese Untersuchung entspringt zwar gleichfalls den Vorarbeiten

zu einer Ausgabe zweier Schriften dieses Kirchenvaters, zielt
aber doch unmittelbar auf dessen Schriftgebrauch und gehört
insofern unter die „Biblica". — Der zeitliche Rahmen der
Gegenstände ist sehr weit gefaßt worden; er reicht vom Spätjudentum
bis zum „Einfluß patristischer Studien auf russische
moderne Mystik" (von S. Bolshakoff, Oxford). Nur bei ganz
wenigen Beiträgen regt sich die Frage, ob sie nicht auch den so
weit gespannten Rahmen noch überschreiten. So interessant und
methodisch lehrreich z. B. die Ausführungen „Me6sianic Doct-
rine in the Qumran Scrolls" von M. Black (über die zwei
Messia6gestalten) ohne Zweifel sind, so lassen sich doch keinerlei
Beziehungen zur Patristik erkennen; und andererseits wäre es
schade, wenn die Qumran-Fcxrscher diesen Aufsatz zu wenig
beachteten, weil sie ihn an dieser Stelle nicht suchen. Auch was
Craig über die Liturgik des Nicolas Cabasilas (f um 1370)
bietet, liegt kaum noch innerhalb des patristischen Arbeitsfeldes
, auch wenn verschiedene Väter erwähnt werden. Sehr
wenig Beziehung zum Hauptthema hat auch der Aufsatz von
O. H. Lehmann über das Buch Bahir aus der mittelalterlichen
Mystik; doch ist er als ein schöneT Beitrag aus der sonst kaum
vertretenen Religionsgeschichte geeignet, das GesamtweTk abzurunden
.

Erwähnung verdient wohl auch die Verteilung der Beiträge
auf die verschiedenen Sprachen. Es sind 66 von 117 Beiträgen
englisch abgefaßt, 38 französisch, 9 deutsch, 2 italienisch und
2 russisch. Sollte man den russischen nicht in Zukunft eine englische
Übersetzung beigeben? Während das Französische im
Durchschnitt mit fast genau einem Drittel beteiligt ist, tritt
es in den Abschnitten über die Bibel, die Philosophie, das
Mönchtum und die Askese (5 von 9 Beiträgen) viel stärker
hervor; in der LitUTgie dagegen bleibt es (mit 2 von 12 Beiträgen
) hinter dem Durchschnitt deutlich zurück. Daß man aus
solchen Zahlen keine voreiligen Schlüsse ziehen darf, versteht
sich. Denn wenn sich zu den Editionen alle Mitarbeiter englisch
geäußert haben, wird niemand daraus schließen wollen,
in Frankreich bekümmere man sich nicht um Ausgaben der
Väter. Das Gegenteil ist wahr, wie auch der folgende Kongreß
(TU 78) zeigt. Aber die Förderung der BibelwisserKchaft in
Frankreich und die Vorliebe für Fragen des mönchischen und
geistlichen Lebens läßt sich 6ehr wohl aus den Zahlen ablesen.
Zur Kontrolle wird das Zahlenverhältnis in den folgenden Bänden
dienen können.

Einige Bemerkungen zum Inhalt mögen die Besprechung
der ersten beiden Bände abschließen. Unter „Editiones" findet
roan z. B. Hinweise von G. I. Bonner auf die Bestände des
Britischen Museum6 an lateinischen patristischen Handschriften,
unter denen, wie zu erwarten, Augustin und Hieronymus am
stärksten, Tertullian nur ganz schwach vertreten ist. Der Beitrag
von Barns stellt eine wirkliche Edition (eines Papyrustextes
des 4. Jahrhunderts) dar. Die „Critica" vereinigen Quellenstudien
, Erörterung von Echtheitsfragen und sprachliche Untersuchungen
zu der heute so umstrittenen Regula Magistri (von
Corbett); Luise Abramowski gewinnt eine Anzahl von Fragmenten
aus der verlorenen Apologie des Theodoret von Cyrus
für Diodor und Theodor wieder. Die große Zahl der „Biblica"
läßt erkennen, wieviel Interesse die Fragen nach der Septua-
ginta und nach der patristischen Exegese in letzter Zeit gefunden
haben. Trotzdem war der Beitrag von L. Vischer und
D. Lerch über die ..Auslegungsgeschichte als notwendige theologische
Aufgabe" nicht überflüssig. Die Verfasser zeigen in
Kut durchdachten, knappen Formulierungen, daß nicht schon die
Zusammenstellung einiger älterer Auslegungen, sondern erst
deren zusammenhängende Geschichte einen wichtigen Beitrag
zur theologischen Arbeit in Exegese, Kirchen- und Dogmengeschichte
und Systematik leisten kann. Besonders drängen sie
auf Zusammenarbeit bei der Planung und Ausführung aus-
legungsgeschichtlichcr Arbeiten. Die Bedeutung der Auslegun^s-
Reschichte als historischer Quelle scheint mir allerdings einer
gewissen Einschränkung zu bedürfen. Mancher Execet sagt unter
dem Einfluß seines Textes mehr, als er in der Systematik als
seine eigne Lehre vertreten würde; das gilt wohl am meisten
vom Mittelalter, solange der Unterschied von Exeeese und
Dogmatik wenig bewußt wurde.